Kleists »Der zerbrochne Krug« gilt neben Lessings »Minna von Barnhelm« als eines der ersten deutschen Lustspiele. In dem was Eve in diesem Stück widerfährt, könnte man aber auch von einer frühen #MeToo-Geschichte sprechen. Wie geht’s du als Regisseurin mit diesen unterschiedlichen Facetten der Geschichte um?
Mir ist wichtig, dass beide Anteile, die komischen und die tragischen, ihren Raum in der Inszenierung finden. Das funktioniert für mich über die Figuren und das Spiel. Richter Adam ist eine komische Figur, der sich mit halbgaren Ausreden und dreisten Lügen durch den Prozess laviert. Darin erfüllt sich der Komödienanteil des Stückes. Der Machtmissbrauch, den er betreibt, zeigt sich aber in den Leidtragenden, insbesondere in der Figur der Eve, auch in seinen tragischen Aspekten. In den Momenten, in denen Eve spricht, entfaltet sich der tragische Aspekt und sie vermag es, die Stimmung in diesen Momenten komplett zu drehen. Die Komik auf Seiten der Figur des Adam ist dann auch keine ungebrochen komische, der von ihm gezinkte Prozess entfaltet neben aller Komik auch eine ungeheure Brutalität.
Am Tag der Präsidentschaftswahlen in den USA haben wir unsere erste Hauptprobe. Würde Kleist in der heutigen Zeit eine Komödie über Donald Trump statt über einen Dorfrichter Adam schreiben um von Machtmissbrauch und Sexismus zu erzählen?
Das tolle an dem Text von Kleist ist seine überzeitliche Aktualität. Die Mechanismen des Machtmissbrauchs sind erschreckend aktuell. Es braucht hier nicht einmal eine explizite Erwähnung von gegenwärtigen Widergängern eines Richter Adam, wie Trump oder Harvey Weinstein. Das Prinzip, sich unter dem Deckmantel der eigenen Funktion persönliche Vorteile zu verschaffen, ist und bleibt dasselbe. Ich denke, diese Parallele werden die Zuschaueden ohne explizite Aktualisierung ziehen.
Neben dem ungeheuren Sprachwitz benutz Kleist auch besondere Stilmittel in den brillant geführten Dialogen der bizarren Gerichtsverhandlung. Was bedeutet für dich das Für-sich-Sprechen der Figur Adam?
Für mich ist dieses offene Für-sich-Sprechen Ausdruck von zweierlei: zum einen offenbart es ein gewisses Maß fehlender Impulskontrolle und zum anderen zeigt es die ungeheure Hybris einer Person, die daran gewöhnt ist aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung mit Allem davonzukommen. Es zeigt auch, dass immer zwei Seiten dazu gehören, wie viel Macht jemand hat: Zum einen ist es die machtausübende Person und zum anderen sind es aber auch diejenigen, die diese Macht unwidersprochen walten lassen.
Du hast dir von deiner Ausstatterin Julia Nußbaumer ein scheinbar einfaches wie lustiges und sinnstiftendes Bühnenbild entwerfen lassen, denn in Kleists Kriminalkomödie geht es nicht nur für Dorfrichter Adam ums Ganze. Wie surreal willst du das Bild verstanden wissen?
Für mich ist das Bühnenbild eine abstrakte Übersetzung der von Kleist beschriebenen verlotterten Amtsstube, in der Stroh und Hühner neben Wein und Würsten gleichberechtigt neben Gerichtsprotokollen existieren. Horst Busch