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Endstation rotes Sofa

Wer kennt es nicht: Am Wochenende wünscht man sich, sich für die Mühen einer Arbeitswoche eine Belohnung zu erlauben. Was könnte besser passen, als ein Besuch im Theater? Dies gilt umso mehr, wenn es nach der Vorstellung die Möglichkeit gibt, sich nicht nur mit den ebenso »theaterstimmungserhitzten« Nachbar*innen aus dem Publikum zu unterhalten, sondern auch mit den Leuten, die wochenlang in die Marterie des Stückes ein- und mit einem fertigen Theaterstück wieder daraus aufgetaucht sind. Oder um es in drei Worten zu sagen: »Das rote Sofa«. Was zunächst nichts mit Theater zu tun haben scheint, ist am Staatstheater rundum bekannt: Bei dieser, nach ausgewählten Vorstellungen im großen Haus stattfindenden Veranstaltung, lädt Chefdramaturg Horst Busch dazu ein, Ensemblemitgliedern Fragen zu stellen und das Stück durch die Augen derjenigen zu sehen, die daran beteiligt sind.

Verena Bukal, Christiane Motter und Fabian Gröver in »Endstation Sehnsucht« (Foto: Jennifer Hörr)

In der Spielzeit 2023/2024 eröffnet Horst Busch diese Reihe von Theatergesprächen am Freitag, den 22. September nach der dritten Vorstellung von »Endstation Sehnsucht« und bittet dazu den Regisseur und neuen Schauspieldirektor des Hauses Christoph Mehler zum Gespräch. Nachdem also alle »Endstation Sehnsucht« – Nerds, die das Angebot gerne wahrnehmen wollen, im Schillerfoyer eingetrudelt sind und sich mit Getränken und Snacks versorgt haben, erzählt Mehler zunächst von seiner Motivation den Klassiker Williams´ als Eröffnungspremiere der neuen Spielzeit zu wählen.

Bereits hier kristallisiert sich der Blick des Schauspieldirektors aufs Theater allgemein heraus: Er versteht es als ein Vergrößerungsglas von dem, was in der Welt vorgeht, was die Menschen bewegt und womit sie zu kämpfen haben. Und diese Dinge sind meist – und bei Tennessee Williams im Besonderen – zeitlos. Schließlich hat und wird es immer Menschen geben, die sich fühlen, als ob sie anders als der Rest der Welt sind und auch das Pendeln zwischen einer Sehnsucht nach Magie und dem Festhängen in der schmerzlichen Realität ist kein Alleinstellungsmerkmal der Protagonistin Blanche.

Mehler stellt auch fest, dass er seinen Beruf zwar für das Publikum ausübt, aber natürlich die Inszenierung aus seinem persönlichen Verständnis des Stoffes und seinen Assoziationen und Wünschen resultiert – und auch aus denen der Darsteller, für die der Schauspieldirektor sehr wertschätzende Worte findet und deren »eigener Wahrheit« er Raum lassen will.

Ob es diese Einstellung ist, wegen derer Mehler so entspannt damit umgeht, als auch ein kritisches Feedback aus den Reihen der gesprächsfreudigen Zuschauer*innen kommt? Selbst wenn nicht, ist Mehlers Umgang damit genau richtig; schließlich darf und soll das »rote Sofa« mehr sein, als ein Platz für Selbstbeweihräucherung und Lobeshymnen.

Fabian Gröver und Gregor Trakis als Mitch und Stanley  (Foto: Jennifer Hörr)                                                                                   

Am 22. September ist es sogar kurz Bühne für ein klares Statement in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung, da Mehler nach Ansprechen der Figur Stanley klarstellt: »Wir müssen uns von solchen Männern befreien!« und betont, dass Stanley keinesfalls eine Vorbildfunktion oder eine das Männerbild prägende Stellung einnehmen darf. Weitere Themen im Laufe des Gesprächs sind die Lautstärke des Stückes, die Angst vorm Scheitern, der Einsatz des Bürger*innenensembles und der Rahmen, in dem das Stück neu interpretierbar ist.

Am Ende, nachdem selbst den enthusiastischsten Theaterliebhaber*innen die Fragen ausgehen, versucht eine Dame den Spieß rumzudrehen: »Möchten Sie denn noch was von Ihrem Publikum wissen?«. Eine Frau einen Tisch weiter schließt den Abend schließlich mit dem schönen Appell ab, öfter ins Theater zu gehen und auch mal ein Stück mehrfach anzuschauen, denn »das ist gut für das Theater und gut für uns selbst«.

Theater dürfe auch mal unangenehm sein, betont Mehler an dem Abend, von dem hier die Rede ist. Die Endstation des Abends, das »Rote Sofa« im Schillerfoyer ist dies jedoch nicht. Im Gegenteil, gerade nach so einem aufwühlenden Erlebnis, wie es »Endstation Sehnsucht« sein kann, tut es gut, sich mit seinen Fragen und Anregungen nicht alleine zu wissen.

Und um den Kreis zum Anfang hin zu schließen: Wochenenden sind ja bekanntlich sowieso für jede Geselligkeit zu haben. Damit: Bis bald, wenn vielleicht auch Sie Lust haben, ihren Fragen an »Theatermacher*innen« freien Lauf zu lassen. Lenke Nagy

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Warum ein FSJ in der Dramaturgie?

»Was denkst du, sind die Aufgaben einer Dramaturgin?« hieß es in meinem Bewerbungsgespräch Anfang Mai, zu dem ich aufgeregt und mit frisch beendeten schriftlichen Abiturprüfungen erschienen war. Zugegeben, eine naheliegende Frage, wenn man sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Dramaturgie bewirbt. Und trotzdem gar nicht so leicht zu beantworten. »Der Dramaturg ist ein kleiner König, denn ohne ihn läuft am Theater nichts«, heißt es in einem Beitrag von Christian Gampert für die Reihe »Endlich mal erklärt« des Deutschlandfunks. Doch was sind dann Krone und Mantel, Zepter und Reichsapfel für die Dramaturg*innen?

Nach meinen ersten Tagen hier maße ich mir an, für mich selber schon eine Ahnung davon zu haben. Die Krone der dramaturgischen Aufgabenfelder besteht in meinen Augen (Ich bekenne mich schuldig: Es sind die Augen einer Leseratte…) aus dem Lesen und Auseinandersetzen mit Dramen und Texten aller Art. Was gibt es denn Verlockenderes, als bei seiner Arbeit ab und zu einfach in eine andere Welt einzutauchen? Mit Sicherheit nicht immer eine, die schöner ist als die echte, aber eine, die Bilder in den Kopf malt, die es dann später auf der Bühne umzusetzen gilt.

Zepter und Reichsapfel könnte man mit dem Zuschauen bei Proben, dem Schreiben von Programmheften und Ähnlichem vergleichen. Ebenfalls zwei Tätigkeiten, die mich an der Ausschreibung gereizt haben und Grund für meine Bewerbung waren.

Und der Mantel? Um in diesem etwas kitschigen Bild zu bleiben, würde ich den Mantel eines Königs als den Kontakt zu gleichgesinnten, theaterfaszinierten Menschen sehen, den ein Dramaturg/eine Dramaturgin durch seine/ihre Kommunikation mit den Personen auf, vor und hinter der Bühne hat. Ein ziemlich vielseitiger Job also.

Ob irgendwas von dem, was ich hier geschrieben habe, nach den wenigen Stunden, die ich bislang an meinem Schreibtisch in der Schauspieldramaturgie verbracht habe, Hand und Fuß hat? Mit Sicherheit nicht. Aber ich bin ja auch noch keine Königin (es soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch viele Frauen im Berufsfeld Dramaturgie tätig sind), nicht mal eine kleine. Sondern nur so etwas wie eine Besucherin, die mal ausprobieren will, wie es sich in einem Schloss lebt, um vielleicht selber irgendwann eins zu bauen. Und so lange es noch nicht so weit ist: Zuschauen, mitmachen und lernen, denn das ist, was ein FSJ einem ermöglicht. Ich jedenfalls freue mich, mich diesen drei Disziplinen in Zukunft weiter zu widmen.

Eure Lenke

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»Journal einer FSJlerin«

28. August 2023 – Während für alle Schulkinder im Saarland dieser Tag noch in den Ferien liegt, heißt es im Saarländischen Staatstheater wieder: an die Arbeit! Oder um es im Theaterjargon zu sagen:»Schöne neue Spielzeit!«. Dementsprechend sollen alle Neuen im Team des Staatstheaters feierlich begrüßt werden und so heißt es auch für mich um kurz nach zehn: auf in den Zuschauerraum, um zuzuhören wie Kultusministerin Christine Streichert-Clivot, Generalintendant Bodo Busse und der Kaufmännischer Direktor Prof. Dr. Matthias Almstedt ihre Gedanken zur neuen Spielzeit teilen, die altbekannten Gesichter begrüßen und die Neuzugänge im Theater herzlich willkommen heißen.

Die saarländische Ministerin für Bildung und Kultur Christine Streichert-Clivot bei der Begrüßung im Großen Haus. Foto: ©Honkphoto

Die saarländische Ministerin für Bildung und Kultur Christine Streichert-Clivot bei der Begrüßung im Großen Haus.  Foto: ©Honkphoto

Zu letzteren gehöre ich als neue Freiwilligendienstlerin in der Dramaturgie auch. Dennoch bin ich überrascht, als ich auf einmal auf die Bühne gerufen werde und zwischen neuer Souffleuse, neuen Sänger*innen und Tänzer*innen und anderen neuen Kollegen und Kolleginnen auf der Bühne stehe. Kaum bin sind wir im neuen Arbeitsumfeld angekommen und schon stehen wir Neulinge im Rampenlicht – aber so ist das wohl am Theater.

Mit »Daumen hoch« startet Generalintendant Bodo Busse in die Saison 23/24. Foto: ©Honkphoto

Insgesamt herrscht eine aufgeregte Stimmung, nicht nur aufgrund des hohen Besuchs aus dem Kultusministerium, sondern auch, weil es sich für mich ein bisschen anfühlt, wie der erste Tag in einer neuen Klassenstufe – wer sich schon kennt, freut sich über das Wiedersehen und wer neu ist, blickt gespannt und vielleicht ein bisschen ängstlich der Zukunft entgegen. Aber hier ist es dieses »gute Ängstlichsein«, bei dem man eigentlich schon weiß, dass sich alles so fügen wird, wie es soll. Und damit bleibt mir nicht mehr zu sagen als: Auf eine schöne neue Spielzeit!

Eure Lenke

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Auf ein Wort

…mit unserer scheidenden FSJ-Kollegin aus der Dramaturgie Lena Feid

Ein Jahr dramaturgische Theaterarbeit geht gerade zu Ende. Was nimmst du aus deiner Zeit hinter der Bühne mit?

Im letzten Jahr habe ich festgestellt, wie viele Menschen miteinander kooperieren müssen, um ein Stück zu produzieren. Mich hat beeindruckt, wie viele verschiedene Berufe am Theater gebraucht werden und wie viele Details bedacht werden. Als ich selbst Teil der Arbeit hinter der Bühne werden durfte, sind mir alle mit einer sehr großen Offenheit begegnet, weshalb ich mich gleich wohl gefühlt habe. Ich denke, dass ich etwas von dieser Einstellung mitgenommen habe und hoffentlich auch anderen mit einer so offenen Haltung begegnen kann.

An welche Momente erinnerst du dich am liebsten?

Ich erinnere mich sehr gerne an die alle zwei Wochen stattfindende Dramaturgie-Sitzung, bei der ich Protokoll geführt habe. Dabei hat man erfahren, was gerade bei anderen Produktionen, auch in den anderen Sparten, los ist. Danach war ich immer auf dem aktuellen Stand. Eines meiner Highlights war aber auch, eine eigene Einführung zu „Frühlings Erwachen zu schreiben. Der Moment, in dem ich sie selbst vortragen durfte, wird mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben.

Was waren denn deine extremsten Aufgaben?

Beim Festival Primeurs war ich als Assistentin in die Organisation involviert. Schon in der Vorbereitung habe ich an vieles denken müssen. Am letzten Abend habe ich z.B. auch beim Auszählen der Publikumsstimmen geholfen. Das war ziemlich stressig, weil wir natürlich pünktlich zur Preisverleihung fertig sein mussten. In den letzten Wochen meines FSJs war ich Regieassistentin bei der Produktion „Glück“. Auch da habe ich bemerkt, wie viele Details zu bedenken sind. Da einen Überblick zu behalten und nichts zu vergessen, ist gar nicht so einfach.

Letztendlich habe ich aus den extremsten Aufgaben aber am meisten gelernt. Ich bin dadurch viel selbstständiger geworden.

Wofür steht Theater heute für dich?

Theater gibt Denkanstöße. Nicht nur den Zuschauern, sondern allen Produktionsbeteiligten. Schon im Probenprozess setzt sich jeder mit dem Stoff auseinander. Es wird viel diskutiert. Mich hat das Theater daran erinnert, wie wichtig es ist, Dinge zu hinterfragen.

Das Interview führte Schauspieldramaturgin Bettina Schuster-Gäb.