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Hinter dem Vorhang Theaterblog

Stimmen der Stadtgesellschaft: das ensemble4 in »der Besuch der alten Dame« stellt sich vor. Teil III

Die Inszenierung von Gustav Rueb berücksichtig 10 Spieler*innen, die aktiv als Expert*innen am Prozess der Inszenierung beteiligt wurden. Den Bürger*innen Saarbrückens soll durch das ensemble4 eine Stimme gegeben werden. Maria Siener ist eine davon.

Maria Siener als engagierte Bürgerin in »Der Besuch der alten Dame«        
© Martin Kaufhold

»Ich wünsche mir für unsere Stadt mehr Barrierefreiheit«

Maria Siener brennt für Theater und Musik. Sie liebt es sich kulturell berieseln zu lassen genau so wie selbst Kultur zu schaffen. Im Theaterverein bastelt sie an Theaterstücken und steht auf der Bühne. Mit ihrer Gitarre und ihrer Stimme kehrt sie »ihr Innerstes nach außen«. Mit der gleichen Leidenschaft übt sie ihren Beruf aus: Das Unterrichten. Maria ist Lehramtsanwärterin für Förderschulen. Mit Schüler*innen zu musizieren und theaterpädagogisch zu arbeiten hat für sie einen hohen Stellenwert und einen besonderen Reiz.

Maria ist Teil des Bürger*innenensembles »ensemble4« und bereichert die Gruppe nicht zum ersten Mal. Sie war beispielsweise bereits in »Hexenjagd« zu sehen und bereichert die Expert*innengruppe vor allem durch ihr theaterpädagogisches Verständnis von Theater und ihren feinfühligen Sinn für Gruppenkonstellationen. Marias Engagement für kulturelle Vermittlung ist ein wichtiger Baustein des ensemble4. Sie ist ein Beispiel für eine wirklich aktive Zuschauerin des Saarländischen Staatstheaters und trägt ihre Begeisterung weiter.

Bei der Frage nach ihrem Engagement für Saarbrücken und ihr Verhältnis zu ihrer Heimatstadt, antwortete sie:

»Ich wünsche mir grundsätzlich mehr Barrierefreiheit auf der ganzen Welt für alle Menschen, die mit Barrieren zu kämpfen haben. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist das Recht eines jeden Menschen, wir alle sind gleichwertig, unabhängig von äußeren Merkmalen oder auferlegten Etiketten. Doch erst wenn die Rahmenbedingungen passen, kann Teilhabe gewährleistet sein. Ein Mensch wird auch behindert durch beispielsweise fehlende barrierefreie Toiletten oder durch Stufen vor Apotheken und Geschäften ohne Rampe oder Aufzug, die es Menschen mit Rollstuhl unmöglich machen, diese Geschäfte zu betreten. Mittlerweile gibt es, der Digitalisierung sei Dank, viele Hilfsmittel wie bspw. die App „Wheelmap“, eine digitale Stadtkarte, anhand derer man direkt erkennen kann, welche Örtlichkeiten für Rollstuhlfahrer barrierefrei sind. Aber auch Städte und Kommunen können aktiv werden. Da Saarbrücken (bzw. der Regionalverband) seit Sommer 2021 meine Wahlheimat ist, wünsche ich mir als Bürgerin von ganzem Herzen zu dem Thema Barrierefreiheit mehr Engagement und Aktivität. Inspiration liefern Städte wie Marburg, genauer das Marburger Stadttheater, in dem Menschen mit Sehbeeinträchtigung auf Audio-Inhaltsbeschreibungen einzelner Stücke zurückgreifen können, um stumme, rein optisch dargestellte Inhalte überhaupt erfassen zu können.

Am meisten am Saarland schätze ich, dass man hier schnell überall ist. Mein Lieblingsspaziergang geht um den Itzenplitzer Weiher. Den besten veganen Burger finde ich in St. Wendel. Und Saarbrücken selbst bietet mir alles was ich als Kleinstadtmensch (Zweibrücken) schon immer vermisst habe«

Luca Pauer, Leiterin ensemble4

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Stimmen der Stadtgesellschaft: Das ensemble4 in »Der Besuch der alten Dame« stellt sich vor. Teil II

Auch Heike Wendorff ist Teil des 10-köpfigen Ensembles der Bürger*innen auf der großen Bühne des Saarländischen Staatstheaters.

Als ich Heike Wendorff im Sommer in ihrer neuen Wirkungsstätte, dem Rechtsschutzsaal in Bildstock, besuchte, erzählte sie mir begeistert von der Geschichte dieses Hauses, das von saarländischen Bergarbeitern gebaut wurde, um einen geschützten Versammlungsraum gegen den repressiv preußischen Staat zu haben.

Gedenktafel am Rechtsschutzsaal in Bildstock © Horst Busch

Schon bei dem ersten Auswahlworkshop für die Mitarbeit in der Produktion »Der Besuch der alten Dame« antwortete sie auf die Frage nach ihrem Engagement für Saarbrücken:

»Der Rechtsschutzsaal ist das älteste Gewerkschaftsgebäude Deutschlands, zarte 130 Jahre hat er auf dem Giebel. Ich bin dort gelandet, weil dieses alte Gemäuer mit Leben gefüllt werden soll und dabei soll die Arbeit in den Betrieben und die Gewerkschaften eine große Rolle spielen. Und ich bin seit fast 40 Jahren in der Gewerkschaftsbewegung aktiv. Vernetzt mit vielen Menschen in Betrieben und Gremien arbeite ich ehrenamtlich für die Stärkung der Position der Arbeitnehmerschaft und ihre Rechte. Dazu gehören ganz selbstverständlich auch die Kolleginnen und Kollegen außerhalb des Saarlandes. Solidarität ist für mich eine Grundfunktion des gesellschaftlichen Lebens und ich bin glücklich und stolz jetzt im Haus der Solidarität zu arbeiten.

© Heike Wendorff

Warum ist Saarbrücken für mich wichtig? Es ist die Hauptstadt meines Heimatlandes. Hier finden – nicht nur im Staatstheater und auf der gegenüberliegenden Saarseite – viele wichtige Dinge statt. Wir sind ein kleines Land: der Wechsel zwischen Stadt und Land passiert für viele täglich. Jede*r von uns trägt in sich den Mief des katholischen Landes mit gelebter Nachbarschaft, aber auch Bigotterie. Gleichzeitig finden wir in Saarbrücken einen Hauch von Großstadt. Zum Ausgehen war und ist Saarbrücken genial: wir haben eine tolle Szene mit Musik und auch queeren Lebensformen. So bin ich eine typische Saarländerin: geputzt »auf der Schnerr« in Saarbrücken; häuslich und brav in unseren Wohnorten. Bei mir kommt halt noch das lange politische Engagement hinzu. Auch hier spielt in Saarbrücken die Musik. Die Basis meiner Arbeit und meinen Rückhalt finde ich aber über das Land verteilt: in großen und kleinen Betrieben. Mit Kolleginnen und Kollegen vernetzt und eng verbunden.

Das Saarland und Saarbrücken sind von außen kaum zu trennen und bedingen einander. Ich bringe das Land immer wieder in die Stadt und belebe damit die dortigen Strukturen. Es sind so viele Facetten, die mein Leben ausmachen: Ausbildung, uneheliche Geburt einer Tochter, Arbeitslosigkeit und immer wieder viel Engagement in Politik und Erwachsenenbildung. Und alles spielte sich in und um Saarbrücken ab.«

Heike Wendorff als engagierte Bürgerin in »Der Besuch der alten Dame«        
© Martin Kaufhold

Ihr Engagement für gesellschaftspolitische Themen lässt sie im Stück folgenden Wunsch für Saarbrücken und das Saarland äußern:

»Ich wünsche mir, dass Frauen sichtbarer werden. Es gibt so viele tolle Frauen, die die Gesellschaft geprägt haben, die sie vorangebracht haben, aber gibt es auch Plätze, die an sie erinnern? Wir brauchen einen Esther-Bejarano-Platz!«

Möge es im Saarland bald einen solchen Platz geben, denn als am 10. Juli 2021, die in Saarlouis geborene, jüdische Überlebende des KZ Ausschwitzt-Birkenau, Esther-Bejarano starb, verlor die Welt eine wichtige Stimme »im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus«, wie es Bundesaußenminister Heiko Maas formulierte. Immerhin hat die Arbeitskammer des Saarlandes einen Esther-Bejarano Preis für engagierte Film- bzw. Video-Arbeiten von jungen Menschen bis 26 Jahren ins Leben gerufen.

Danke Heike für dein Engagement in Saarbrücken, dem Saarland und dem Staatstheater.

Horst Busch,
Chefdramaturg

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Stimmen der Stadtgesellschaft: Das ensemble4 in »Der Besuch der alten Dame« stellt sich vor

Cecilia Paladines ist Teil des 10-köpfigen Ensembles der Bürger*innen auf der großen Bühne des Saarländischen Staatstheaters.

Die Inszenierung von Gustav Rueb berücksichtigt 10 Spieler*innen, die aktiv als Expert*innen am Prozess der Inszenierung beteiligt wurden. Sie spielen auch in den Aufführungen eine Rolle und stellen die Stadtgesellschaft dar, die im Konsumrausch versinkt. Ziel war es im Dialog mit unterschiedlichen Saarbrücker*innen regionale Bezüge herzustellen. Gewünscht waren authentische Sichten auf die Welt und die Gegenwart. Den Bürger*innen Saarbrückens sollte durch das ensemble4 eine Stimme gegeben werden.

Das Konzept des Büger*innenensembles »ensemble4« wurde aus der Idee heraus gegründet, mehr Menschen aus der Stadtgesellschaft an Kunst zu beteiligen. Die Arbeit bringt Künstler*innen und Zuschauer auf Augenhöhe zusammen und gibt Raum für ein viertes Ensemble: eine Gruppe Bürger*innen, die aktiv teilnehmen wollen an Kunst und Kultur. Menschen jeden Alters und jeglicher Herkunft erarbeiten mit Künstler*innen und Theaterpädagog*innen eigene Produktionen und wirken in Produktionen des Spielplans mit. Dafür bedarf es keinerlei schauspielerischer Vorerfahrungen.

»Ich wünsche mir noch mehr Pflegekräfte. Am besten aus Mexiko, gleich mit Familiennachzug. Und wenn die Ausländerbehörde von Lebach wieder zurück in unser Städtchen käme. Das wäre so fantastisch.« (Zitat von Cecilia aus der Inszenierung von Gustav Rueb)

Cecilia ist eine davon. Sie wurde bei einem ersten Auswahlworkshop im Juni 2020 ausgewählt. Bei der Frage nach ihrem Engagement für Saarbrücken und wie ihr Verhältnis zu ihrer Heimatstadt ist, antwortete sie:

»Ich blicke dankbar auf die letzten 23 Jahre zurück, die mit besonderen Herausforderungen verbunden waren. Ich kam nach Deutschland mit einem kleinen Koffer voller großer Träume. Ich sprach kein Wort Deutsch und klammerte mich an die Theaterbühne, so lernte ich die Sprache, die Kultur, die Menschen und Saarbrücken zu verstehen und zu mögen. Vor ca. einem Jahr gründete ich meine Firma »Los Paladines« – Theater & Business Fusion, mit dem Ziel Menschen zu ermutigen die Bühne zu entdecken, auf der sie sich schon längst befinden. Unterstützt wurde ich damals über das Projekt »Perspektive Neustart«.

Ich arbeite seitdem in verschiedenen Projekten in Kooperation mit der Landeshauptstadt Saarbrücken und dem Zuwanderungs- und Integrationsbüro der Landeshauptstadt Saarbrücken, MiNET, Deutsches Rotes Kreuz-Landesverband Saarland e.V., IQ Netzwerk und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

So habe ich auch unter anderen mein On-boarding Programm SOFAntastisch! (Ankommen, mitmachen und bleiben) ins Leben gerufen.  Ich begleite Menschen dabei, Anschluss in unserer schönen Stadt zu finden.

Warum ist Saarbrücken wichtig für mich? Saarbrücken ist meine Bühne, hier bin ich angekommen, hier will ich bleiben.«

Ihre Lebensfreude und ihr Engagement bereichern das ensemble4 in vielen Punkten. Derzeit organisiert sie nebenher auch Theaterbesuche für ihre Schützlinge. Wir freuen uns, dass Cecilia Teil der Theaterfamilie geworden ist und hoffen auf noch viele bereichernde Theatermomente mit ihr.