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Letzte Szene, letzter Akt

Lenke Nagy absolviert in der Spielzeit 2023/2024 ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Schauspieldramaturgie des Saarländischen Staatstheaters. In der Reihe »Journal einer FSJlerin« teilt Lenke regelmäßig ihre Erfahrungen und Gedanken.  – Letzter Teil

Ihr konntet es im Vortext bereits lesen: mit dieser Ausgabe des »Journal einer FSJlerin« verabschiede ich mich vom BLOG – zumindest vorerst, wer weiß, was die Zukunft mit sich bringt! Sicher ist jedoch: Mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Dramaturgie des Staatstheaters findet mit dem Ende der Spielzeit 2023/2024 seinen Abschluss. Und bevor ich hier irgendetwas anderes schreibe, ist es erstmal Zeit für ein großes Dankeschön an all die Menschen, die mich in meiner Zeit am Saarländischen Staatstheater auf so warmherzige Art begleitet, mir eine Menge über Theater, aber auch über mich selbst gelehrt und mich ausnahmslos als Team-Mitglied auf Augenhöhe behandelt und mir vertraut haben! Meine ganz persönliche einjährige Premiere in der Welt des Theaters hätte nicht schöner verlaufen können. Ich werde der Theaterwelt übrigens treu bleiben: Ab Oktober geht es für mich nach Leipzig, wo ich an der Hochschule für Musik und Theater Dramaturgie studieren werde.

Ein Part von meinem FSJ war auch die Teilnahme an Workshops der Theaterpädagogik: hier im Theater Überzwerg mit angehenden DS-Lehrern.

Um nicht jetzt schon über den baldigen Abschied nachzudenken, habe ich mich nochmal ins Arbeiten gestürzt und mich von Stücken, Erfahrungen bei Proben und Recherchefunden – kurz: von meinem Jahr im SST – inspirieren lassen und eine Liste mit Tipps für den Sommer erstellt, falls dem ein oder der anderen von euch auch vor Langeweile in der Spielzeitpause graut!

  • Die Produktion »The end, my friend« endet mit einem Brief an die Zukunft. Das hat mich an etwas erinnert, was ich zu Silvester gemacht habe: ich habe einen Brief an mich selber geschrieben. Es gibt tolle Homepages, bei denen man eine Nachricht von sich selbst an das zukünftige Ich formulieren und ein Datum einstellen kann, an dem man die Nachricht dann per Mail zugestellt bekommen möchte. Ist es nicht eine schöne Vorstellung, in einem oder mehreren Jahren eine Nachricht aus der Vergangenheit zu bekommen und sich zu erinnern, worüber man in einer ganz anderen Lebensphase so nachgedacht hat? Das Ganze funktioniert natürlich auch analog – auf die Gefahr hin, dass man vergisst, wo man den Brief versteckt hat. Und wer das alles für Unsinn hält, der kann diesen Sommer ja auch einfach mal wieder eine Postkarte aus dem Urlaub verschicken!
  • Mehr Lesen gehört mit Sicherheit zu einem der häufigsten Vorsätze für den Sommer. Aber wie wäre es, dieses Jahr mal ein paar Klassiker auf die Leseliste zu setzen? Anfangen könntet ihr mit »Das Bildnis des Dorian Gray« von Oscar Wilde oder Goethes »Die Leiden des jungen Werther« – solltet ihr die Inszenierungen in der Alten Feuerwache verpasst haben. Wem nicht nach Kafka, Fontane, Hesse oder anderen einschüchternden Namen zumute ist, der findet ja vielleicht zwischen den Klassikern der Kinderliteratur das passende Urlaubsbuch und lässt sich z.B. von Astrid Lindgren oder Michael Ende zurückversetzen in die Sommer der Kindheit.
  • In »Die Glücklichen und die Traurigen« wurde sich die Zeit unter anderem mit Scrabble vertrieben: was mich auf die Idee gebracht hat, mal wieder einen Spieleabend oder ein Picknick mit Kartenspielen zu organisieren. Spieletipps von mir sind unter anderem »Dixit«, »Codenames« oder »Stadt Land Vollpfosten – Das Kartenspiel«.
  • Seit Januar war ich Teil der »Wortakrobaten« am Staatstheater, der Schreibwerkstatt, die von Theaterpädagogin Anna Arnould-Chilloux geleitet wird. Was ich von dort mitnehme: wie befreiend es für den Kopf und wie stimulierend es für die Fantasie ist, ohne den Druck, etwas Gelungenes produzieren zu müssen, einfach draufloszuschreiben. Eine weitere Idee von mir für den Sommer ist also, sich regelmäßig, vielleicht sogar jeden Morgen, hinzusetzen und auf Papier zu bringen, was der eigene Gedankenstrudel so hergibt. Wem die Motivation hierfür fehlt, dem möchte ich eine Übung mitgeben, die sich mit Freund*innen, Familie, ja, theoretisch sogar mit Fremden ausprobieren lässt: Jede*r schreibt einen einzigen Satz auf und gibt das Papier dann an seine/n Nachbar*in weiter. Dieser fügt einen Satz hinzu, reicht das Papier wieder weiter und der/die nächste – ihr ahnt es sicher längst – ergänzt den Text wieder um einen Satz. Das kann man fortführen, solange man Lust hat und ich lüge nicht, wenn ich behaupte, dass einige der lustigsten Texte der »Wortakrobaten« durch diese Übung entstanden sind!
  • Das Theater ist insbesondere dann ein guter Arbeitsplatz, wenn man auf dem Weg in den Regen gerät… Kostümfundus sei Dank habe ich den Tag der berüchtigten Saarüberflutung trotz morgendlicher Fahrradfahrt trocken und gemütlich verbracht. Wer Interesse daran hat, den eigenen Kleiderschrank um ein paar Fundstücke zu erweitern, braucht aber keinen Regen und auch keinen Zugang zum Theater: Wie wäre es, sich mit Freund*innen zusammenzutun und eine Kleidertauschbörse zu organisieren? Was beim einen ungenutzt im Schrank herumliegt, macht jemand anderen vielleicht glücklich! Und man zahlt nicht nur wenig, wie zum Beispiel auf dem Flohmarkt, sondern gar nichts – abgesehen von den Snacks und Erfrischungen, die zu so einem gemeinsamen Event dazugehören. Viel Spaß beim Garderobe austauschen!
  • Eine meiner größeren Recherchen im Laufe des Jahres hat sich um die Vergangenheit der Alten Feuerwache gedreht. Dazu war ich mehrmals im Stadtarchiv in Saarbrücken, in welchem man ganz einfach online einen Termin reservieren und sich historische Dokumente bereitlegen lassen kann. Außerdem durfte ich mit Dramaturgin Simone Kranz und ihrem VHS-Kurs das Saarländische Landesarchiv besichtigen, wobei ich erfahren habe, dass es auch dort einen Lesesaal gibt. Ein Tipp für alle Geschichtsinteressierten und Vergangenheitsstöberer ist also, mal im Archiv vorbeizuschauen und sich mit der Vergangenheit der eigenen Familie, des Heimatortes oder sonst einem Thema, das einem am Herzen liegt, auseinanderzusetzen. Pluspunkt bei diesem Vorschlag: geht auch bei Regen!
  • Mein letzter Tipp ist ehrlich gesagt keine weltbewegende, innovative Idee und solltet ihr die Augen verdrehen und euch denken »Die hat aber ganz schön die Weisheit mit Löffeln gefressen, die 18-jährige Möchtegern-Intellektuelle!«, dann bin ich euch nicht böse, versprochen! Aber dann hoffe ich umso mehr, dass ihr über meinen abschließenden Reminder nachdenkt. Was ich nämlich nicht nur, aber auch im Theater immer wieder lernen durfte, ist, wie bereichernd und inspirierend der Austausch mit Menschen ist, die sich von einem selbst unterscheiden. Ob durch Alter, Interessen, Religion, Herkunftsland oder sonstigem ist dabei ganz egal. Noch vor einem Jahr war ich es gewöhnt, mich größtenteils Leuten meines Alters mitzuteilen, die größtenteils auch meine Meinungen haben und sich mit ähnlichen Dingen beschäftigen. Und natürlich will ich keinesfalls dazu aufrufen, sich nicht mehr mit seinen Freund*innen zu unterhalten, vielmehr will ich daran erinnern, dass man keine Scheu haben muss, sich auch auf mehr als oberflächlichen Small Talk mit Personen einzulassen, die eine andere Lebensrealität haben. Ich halte das nicht nur für sehr förderlich für die Erweiterung des eigenen Horizonts, ich würde sogar so weit gehen, es als zwingend notwendig in unserer leider immer kälter werdenden und verhärteten Gesellschaft zu bezeichnen. Denn wie sollen Demokratie und Verständnis füreinander funktionieren, wenn man nicht miteinander spricht, philosophiert, diskutiert? Mein letzter Tipp also: mal wieder ein längeres Gespräch mit jemandem führen, von dem man eigentlich gar nicht so viel weiß. Kann ein Familienmitglied, die ehemalige Kollegin oder der Nachbar, der immer so grummelig guckt, sein – hört gut zu.
Mit dem Staatstheater beim CSD

So, kommen wir doch langsam mal zum Ende! Ich finde nämlich, sieben Tipps reichen absolut aus, schließlich kann man damit schon eine ganze Woche füllen und dann in der darauffolgenden Woche einfach nochmal von vorne anfangen! Und außerdem möchte ich noch einen ausgesprochen theatralen Abgang machen, also Achtung:

crescendo in der Musik
Spotlight
Glitzerregen aus dem Schnürboden
dramatischer Bühnentod
hörbares Atemanhalten im Publikum
Black
frenetischer Applaus (hoffentlich) Alles Gute
eure Lenke

Zum Abschluss meines Jahres durfte ich sogar einmal selbst auf die Bühne – zusammen mit den »Wortakrobaten« in der sparte4!
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»Die Alpensinfonie – ein überwältigendes Schauspiel«

Herr Rouland, lieben Sie die Berge?

Ich liebe die Alpen, die Königin der Gebirge, zusammen mit dem Himalaya. Sie strahlen für mich gleichzeitig ein Gefühl von Stärke und Ruhe aus. Leider habe ich nur selten Gelegenheit, sie zu besuchen. Auf Reisen komme ich oft an ihnen vorbei, vor allem in der Schweiz, wo ich, wenn ich mich richtig erinnere, das letzte Mal gewandert bin.

Lässt sich das Dirigieren der »Alpensinfonie« mit dem Erklimmen eines Gipfels vergleichen?

Die Orchestrierung von Strauss ist enorm, aber wenn man von den 12 Hörnern des Blasorchesters hinter der Bühne absieht, vergleichbar mit Wagner. Dazu kommen besondere Instrumente, wie das Heckelphon, eine Art Oboe mit tieferem Register. Es bleibt ein musikalisches Meisterwerk und eine Herausforderung für mich als Dirigenten, die so überwältigend ist wie für einen Bergsteiger, der den Mont Blanc oder den Mount Everest besteigen will!

Welche Etappe der Bergexpedition, die Strauss vertont, »gehen« Sie am liebsten?

Mir gefällt besonders der »Eintritt in den Wald«. Das Thema, zum ersten Mal von den Blechbläsern vorgetragen und von Streicherarpeggien begleitet, ist von großer Schönheit. Gleichzeitig klar und überwältigend, wie es Strauss so einmalig beherrschte.

Interessierte sich Strauss fürs Bergsteigen – oder was haben Berge mit Kunst zu tun?

Soweit mir bekannt ist, hat Strauss gerne ausgedehnte Spaziergänge in der Natur gemacht, aber er verfolgte auch eine andere, metaphysischere Interpretation der Bergbesteigung. In seinem Tagebuch notierte er, dass er seine Komposition in Anlehnung an Friedrich Nietzsche als »Antichrist« untertiteln wollte.

Warum sollte man dieses Werk unbedingt kennenlernen?

Das Hören der »Alpensinfonie« ist ein einzigartiger Moment, der die Phantasie anregt, die Sinne schärft und die tiefsten Gefühle weckt. Es ist ein überwältigendes Schauspiel!

Die Fragen stellte Stephanie Schulze

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»Firnis«: An der Membran zwischen Moral und Gewalt

Am 07. Juni wird Philipp Löhles »Firnis« in der Alten Feuerwache uraufgeführt. Lenke Nagy hat mit den Mitwirkenden über ihren Bezug zu der bitterbösen Komödie gesprochen.

Was hat dich beim ersten Lesen des Stückes besonders gefesselt?

David Rimsky-Korsakow (Musik): Also was ich mag, ist, dass so große, existenzielle und anthropologische Themen, die an große Theatertheoretiker wie Marquis de Sade angelehnt sind, in dem Gewand von einer extrem fetzigen Komödie verhandelt werden. Das finde ich das Bestechende, dass Löhle solche großen Themen bearbeitet, sie aber total leicht, schnell, dynamisch und modern in einer skurrilen Realsatire daherkommen.

Jan Hutter (Frank Gitter): Ich habe ein paar Mal alleine laut beim Lesen gelacht, das passiert mir selten.

Gaby Pochert (Karo Fischer): Ich fand es einfach eine tolle Satire. Ein ziemlich flockig geschriebenes Stück, bei dem man lacht und einem gleichzeitig das Lachen im Halse stecken bleibt. Das finde ich das Tolle daran. Bei der Leseprobe haben wir das ratzfatz runtergelesen, einfach nur was da steht, ohne groß zu überlegen, wie man das spielt, und es war wahnsinnig komisch. Es war sehr schwer, das dann auf die Bühne zu kriegen, weil man dort natürlich das Tempo gar nicht haben kann, was wir bei der Leseprobe hatten.

Stefano Di Buduo (Bühnenbild und Video): Mich hat natürlich sofort angesprochen, dass das Stück so pseudonormal, relativ heutig anfängt, aber relativ schnell klar wird, dass da so ein Löhle-Humor drüber liegt und es absurd wird. Spätestens bei der Szene in Italien oder bei der Therapiesession merkt man »Okay, alles klar, das ist jetzt aber was anderes hier.« Und da wurde es für mich spannend. Natürlich denkst du als Bühnenbildner gleich: »Was für ein Setting ist das? Das ist ja gar nicht machbar, weil die jede Szene das Setting wechseln.« Aber was mich immer bei einem Stück anspricht ist, wenn man schnell reinkommt und weiterlesen will.

Wenn sich die Gesellschaft in Unterdrückte und Unterdrücker unterteilen würde – zu welcher Gruppe würdest du vermutlich gehören?

Verena Bukal (Jennifer Hoffmann-Wolf): Ich glaube, ich würde zu den Unterdrückten gehören. Vielleicht aber auch zu den Unterdrückern. Bei Corona und diesen ganzen Maßnahmen dachte man ja, man wäre auf der richtigen Seite und im Nachhinein merkt man, man war zu extrem und hat die anderen praktisch unterdrückt. Das war echt nicht okay so.

Jan Hutter (Frank Gitter): Ich glaube, ich gehöre jetzt schon ganz unfreiwillig zu den Unterdrückern, einfach aufgrund von den Privilegien, in die ich geboren wurde, was für eine Hautfarbe ich habe, als was für ein Geschlecht ich gelesen werde… Ja, ich glaube, da muss man gar nicht im Futur reden, tragischerweise ist das schon so.

Fabian Gröver (Daniel Wagner): Wahrscheinlich würde es mir passieren, dass ich bei den Unterdrückten lande, weil ich kein Unterdrücker bin. Vermutlich eher das, leider. Obwohl: zur anderen Seite möchte ich auch nicht gehören. Wenn es einen Widerstand gäbe, würde ich da mitmachen.

Stefano Di Buduo (Bühnenbild und Video): Ich bin Teil der europäischen Gesellschaft, die andere jetzt schon unterdrückt. Ich lebe in einer Demokratie, ich lebe in einer reichen Gesellschaft und ich bin geschützt durch den Sozialstaat, aber um diesen Wohlstand zu haben, den unsere Gesellschaft besitzt, werden andere Völker unterdrückt. Deshalb heißt es in meinem Alltag, jeden Tag in kleinen Gesten zu versuchen, eben nicht zu unterdrücken oder die Situation auszunutzen. Man muss sich das nicht ständig präsent machen, weil man so nicht leben kann, aber man kann im Kleinen anfangen, sich richtig zu verhalten. Und dann kann man sich größere Missions setzen, wie zum Beispiel auch in der Kunst zu arbeiten und dort von Unterdrückung zu erzählen, und das tue ich ja auch.

»Firnis« | Foto: Martin Sigmund

Foto: Martin Sigmund

Wie nah ist deine Rolle deinem privaten Ich bzw. könnte dir dasselbe passieren wie deiner Rolle?

Jan Hutter (Frank Gitter): Also von der Struktur her sind wir gar nicht so unähnlich. Nach außen laut und nach innen hin ganz anders… Passieren könnte mir aber nicht dasselbe wie Frank Gitter, weil ich mir nie im Leben ein Autohaus zulegen würde und vermutlich vor meiner Frau an Krebs sterben würde. Und meine Frau wäre ein Mann, aber dafür müsste ich beziehungsfähig sein, also ist auch das sehr unwahrscheinlich… Also eigentlich sind wir uns überhaupt nicht ähnlich.

Jonathan Lutz (Paul Wagner): Ich glaube ja. Sowas könnte mir passieren, wenn ich jetzt nochmal so acht, neun Jahre in der Zeit zurückgehen würde. Dann könnte ich mir vorstellen, mich so zu entwickeln wie Paul. Aber aktuell bin ich privat an einem anderen Punkt, in einer anderen Reflektion übers Leben. Ob ich Flaschensammler werden könnte, weiß ich nicht, könnte passieren!

Gaby Pochert (Karo Fischer): Ich hoffe, mir passiert das nicht. Das ist ja schon sehr extrem, was Karo Fischer macht. Da arbeitet man mit aller Kraft dagegen, dass man auf gar keinen Fall so wird, aber letztendlich glaube ich, dass das in jedem Menschen drin ist. Ich spiele sie deshalb so gerne, weil ich viele aus meiner Heimat kenne, die so entgleisen.

Muss man im Kampf gegen Klimawandel, Überbevölkerung und Co. die Grenzen von richtig und falsch anpassen und gegebenenfalls moralisch verwerfliches Handeln zum Wohle der Allgemeinheit straffrei passieren lassen?

David Rimsky-Korsakow (Musik): Ich glaube, die Frage ist immer, wie eine Revolution oder eine Auflehnung organisiert werden… Ich kann Leute, die z.B. die letzte Generation ausmachen und die sagen »Wir haben ein Anliegen, das ist uns extremst wichtig und wir gehen dafür über Grenzen.« total verstehen. Ich würde das aber aus einer größeren Perspektive sehen und sagen, es ist alles Natur. Wir sind Natur, der Planet ist Natur und wir schaffen es gerade nicht, in Symbiose mit den anderen natürlichen Organismen zu leben. Dann bleibt uns nur die Quittung, Teil eines evolutionären Moments zu sein, in dem wir ausgelöscht werden. Das ist etwas Existenzielles, aber das verdienen wir, wenn wir nicht in der Lage sind, uns zusammenzureißen. Ich glaube aber, dass Zusammenreißen nicht bedeutet, dass man Leute abschlachten muss, es gibt genug andere Dinge, die man tun kann, man muss nur anfangen.

Anna Jörgens (Maja Neumann): Ja. Wenn man schon sagt, sich am Hambacher Wald auf einem Baum einzusperren ist illegal, dann unterstütze ich das. Ich selbst würde sowas nicht machen, weil ich mich das nicht trauen würde, andererseits unterstütze ich aber Greenpeace in ihren Aktionen und hab da sehr viel Respekt vor. Aber es hat auch seine Grenzen, ich bin nicht dafür, dass Privatmenschen leiden.

Jonathan Lutz (Paul Wagner): Ich bin schon sehr dafür, dass man sich in so einer Thematik aktivistisch verhält und für das kämpft, wofür es sich zu kämpfen lohnt und gegen die Müdigkeit, die es in der Gesellschaft gegenüber dem Klimawandel gibt. Ich weiß nicht, was die Rechtsfrage angeht, aber wahrscheinlich würde ich moralisch darüber hinwegsehen, es problematisch zu finden, wenn Leute für eine sinnvolle Sache kämpfen, ja.

Foto: Stefano Di Buduo

Was ist die Herausforderung als Spieler*in in Firnis?

Verena Bukal (Jennifer Hoffmann-Wolf): Der Text. Sich den Text zu merken und den dann in eine Geläufigkeit zu kriegen. Tiefe Gefühle in einer großen Leichtigkeit zu bekommen und zu greifen und trotzdem noch mit dem anderen/der anderen zu spielen.

Anna Jörgens (Maja Neumann): Im richtigen Moment aufzutreten und anzufangen, ich bin immer noch mit meinem Textbuch hinter der Bühne und muss rausfinden, welche Szene als nächstes kommt.

Jonathan Lutz (Paul Wagner): Ich glaube, als Spieler*in ist die größte Herausforderung, so schnell in unterschiedliche Teilsequenzen und Kurzszenen reinzuspringen, ohne sich jetzt total figurengetreu da reinzufühlen, und immer einfach die Situation mit den Kolleg*innen zusammen so echt und so im Moment wie möglich zu verhandeln.

Macht es Spaß, auf der Bühne grausam sein zu dürfen?

Fabian Gröver (Daniel Wagner): Ja. Ja, natürlich. Einfach weil das besondere Momente und Ausnahmezustände sind, mit denen man im Alltag nicht konfrontiert wird. Und es ist ja auch nur ein Spiel, wie wir es auch im Stück sagen, und diese kleinen Grenzüberschreitungen sind einfach toll, wenn man sie mal machen darf.

Lucas Janson (Papa Buggy): Ja, das macht richtig Bock. Doch, grausam zu sein macht Spaß. Und auch mal ein Choleriker zu sein, der das dann so ganz primitiv auslebt, das ist eine schöne Rolle.

Gaby Pochert (Karo Fischer): Mega. Das sind für mich die viel interessanteren Figuren, wenn man mal so richtig vom Leder ziehen kann, weil man das natürlich im Alltag nicht macht. Ich sehe es auch gerne auf der Bühne, wenn andere das machen.

Foto: Martin Sigmund

Steckt in jedem Menschen die Veranlagung dazu, seine Mitmenschen zu unterdrücken?

Fabian Gröver (Daniel Wagner): Leider ja. Im Endeffekt steckt ein animalischer Teil, auch wenn man sich unsere Evolutionsgeschichte anschaut, in uns. Durch unseren Wertekodex sind diese Teile gedeckelt und man möchte da natürlich nicht drauf zurückgreifen, aber ich glaube, das ist da, absolut.

David Rimsky-Korsakow (Musik): Es gab doch diese Elektroschocktests, die in den sechziger Jahren gemacht wurden, bei denen Ottonormalbürger*innen andere durch einen Druck auf einen Knopf gequält haben, nachdem ihnen gesagt wurde »Drück den Knopf.« Also solange Leute Verantwortung aussparen können, weitergeben können, sie auf irgendwelche anderen Umstände schieben können, glaube ich schon, dass Leute zur Unterdrückung fähig sind. Das ist natürlich auch eine totale Parabel auf das, was bei uns auf der Welt passiert, dass die Leute Ängste, die sie haben, auf Migration, Globalisierung und Klimawandel auslagern und sich ein Mittel zur Kompensation suchen. Und ich bin ja auch nur ein Säugetier und deshalb glaube ich, dass mir das auch passieren kann, wenn ich nicht aufpasse.

Anna Jörgens (Maja Neumann): Ja, aber das kann unterschiedliche Formen haben. Wenn ich zu einem Menschen kurz ein Arschloch bin, weil ich gerade keine Energie habe, dann ist das ja schon etwas zwischenzeitlich Bösartiges. Das ist schon, glaube ich, Teil des Menschen.

Lucas Janson (Papa Buggy): Schwierig, richtig schwierig… Glaube ich nicht. Ich glaube, dass eine Form von Macht oder eine bestimmte Form von Hierarchie bestimmten Leuten etwas gibt, daher kommt so eine Machtgier, wie sie irgendwelche großen Politiker wie Bolsonaro oder Erdoğan haben. Ich glaube, dass die sich an Macht aufgeilen und das dann eine Eigendynamik entwickelt, aber ich denke nicht, dass das in mir ist, dieses Machtbedürfnis. Aber bestimmt ein Bedürfnis nach Anerkennung. Nach Geliebtwerden. Nach Erfolg. Das schon. Aber das ist für mich entkoppelt von diesem Macht- und Unterdrückungssystem, ich glaube nicht, dass das in uns allen ist.

Als Firnis bezeichnet man eine dünne Schicht, die als letztes auf ein Gemälde aufgetragen wird, um es vor äußeren Einflüssen zu schützen. Wo ist der Firnis zwischen Moral und Missgunst in unserer heutigen Gesellschaft schon »abgebröckelt«?

Verena Bukal (Jennifer Hoffmann-Wolf): Ich finde, man hat das total bei den Reaktionen auf den CSD-Beitrag vom Saarländischen Staatstheater bei Facebook gesehen, wo Leute einfach ungestraft anderen den Tod wünschen. Ich finde, da bricht das gerade auf. Diese ganzen rechten Strömungen, weltweit diese Autokraten, dass ein Verurteilter immer noch Präsident werden kann… Diese ganzen Sachen, das ist das für mich.

Fabian Gröver (Daniel Wagner): Naja, dass es im Moment anscheinend gang und gäbe ist, dass offen auf Leute Gewalt ausgeübt wird, die für uns Politik machen. Das ist einfach ein No-Go. Das sind gewählte Volksvertreter, die haben wir dahin gewählt, damit sie sich für uns streiten und damit sie auch vielleicht unpopuläre Entscheidungen treffen, und dass die auf offener Straße angegangen werden und so weiter, das finde ich zum Beispiel extrem krass.

Lucas Janson (Papa Buggy): Ehrlich gesagt schon überall eigentlich. Also wenn ich bestimmte Leute sehe und was die denken oder auch sagen, dann habe ich das Gefühl, es bröckelt schon überall. Was für ein Rechtspopulismus mir auch so entgegenschlägt in bestimmten Punkten, was die Leute sich trauen zu sagen, was durch die AfD alles salonfähig geworden ist… Meine Figur, der Papa Buggy, ist auf jeden Fall ein Rechtskonservativer, wahrscheinlich ein AfD-Wähler, und die sieht man an jeder Ecke, es passiert einem ständig, dass einer einen im Supermarkt blöd anpöbelt oder so. Deshalb habe ich das Gefühl, die Membran ist schön zerbröckelt, beziehungsweise die Brandmauer gegen rechts, bei der man vor ein paar Jahren noch gesagt hat, sie würde noch stehen, die ist längst eingerissen. Vor ein paar Jahren hatte ich das Gefühl, dass das noch zurückhaltender war oder es einzelne Leute waren, die Fremdenhass oder so einen Bullshit von sich gegeben haben, und jetzt machen das so viele. Deshalb trifft das Stück auch genau den Nerv der Zeit, gerade so kurz vor Wahlen wie der Europawahl.

Foto: Martin Sigmund
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Björn SC Deigner zu seinem Stück »der Reichskanzler von Atlantis«

Wie kam es zur Auseinandersetzung mit dem brisanten Thema »Reichsbürger« und wie hat es sich in der gesellschaftlichen Einschätzung verändert?

Neulich erzählte mir eine Person, die im Finanzamt arbeitet, dass es dort mittlerweile Handreichungen für den Umgang mit stadtbekannten Reichsbürgern gibt. Man werde geschult, wie man auf deren Ansagen und Forderungen reagieren müsse; wie man damit umgehen müsse, wenn wieder über Nacht unzählige Seiten mit kruden Aussagen und Ansprüchen per Fax an die Amtsstelle gesendet wurden; und welche Personen als gefährlich einzustufen seien und wie man sich vor ihnen schützen könne.

Als das Stück 2018 entstand, gab es noch keine sonderliche Wahrnehmung des Phänomens »Reichsbürger« in der deutschen Gesellschaft. Ein befreundeter Dramaturg fragte mich damals, ob ich mir sicher sei, darüber einen Theatertext schreiben zu wollen, schließlich handle es sich ja nur um »ein paar Verrückte«. Diese Einschätzung teilten damals viele Menschen in der Bundesrepublik: wenn man denn überhaupt Notiz nahm von den Reichsbürgern, so schaute man doch mehrheitlich augenreibend auf diese seltsam versprengte Bewegung, die sich mit einem Hang zur Verkleidung mal mehr esoterisch, mal mehr militärisch ausnahm.

Foto: Martin Kaufhold

Zugleich waren dies die Elemente, die mich bei der Suche nach einem Theaterstoff recht schnell zu dieser Bewegung zogen. Zum einen waren die damals auffälligen Gestalten in höchstem Maße theatral: Sie kleideten sich in fantasievolle Uniformen und selbst gemachte Schärpen. Sie zelebrierten seltsame Rituale, die einem Science-Fiction Roman entsprungen schienen, und gaben sich staatsmännisch, obgleich von einer Mietwohnung aus. Zum anderen waren für mich Parallelen zu Hitlers Nazi-Bewegung relativ schnell offenkundig: der Faschismus hatte immer schon einen Hang zur Kostümierung und Ordens-Dekoration. Und auch der esoterische Glaube, war unter den Nazis weit verbreitet, ja Teil der Ideologie.

Kurz: ich fand die Reichsbürger trotz – oder gerade wegen – ihrer skurrilen Art mehr als beunruhigend und war auch besorgt darüber, dass die deutsche Gesellschaft die Bewegung als versprengte Spinner abtat. Auch der Polizistenmord von 2016, bei dem der Reichsbürger Wolfgang Plan im bayrischen Georgensgmünd vier SEK-Beamte verletzten (einen davon tödlich), führte noch zu keinem bundesweiten Umdenken. Es brauchte erst wiederholt gewalttätige Übergriffe, damit die Ansichten der Bundesbürger sich änderten. Und die Einsicht, dass es sich bei den Reichsbürgern eben nicht nur um spinnerte Einzelgänger handelt, sondern teilweise um gut vernetzte Rechtsradikale, die nicht nur vom Staatsstreich träumen, sondern immer wieder besondere Verbindungen zum deutschen Militär aufweisen, um diesen Putsch auch durchzuführen – wie zuletzt die »Gruppe Reuß«, der in diesem Jahr der Prozess gemacht wird.

Wie lustig oder gefährlich ist die krude Ideologie der sogenannten »Reichsbürger« mit all ihren Splittergruppen und wie bist Du auf den schönen Titel gekommen?

Für »Der Reichskanzler von Atlantis« wollte ich eine Textform finden, die diese Entwicklung nachvollzieht: Im ersten Teil ist das Stück die skurrile Zeichnung eines Reichsbürger-Paares, das in den eigenen vier Wänden nach sehr eigenen Gesetzmäßigkeiten lebt und das sehr zum Lachen animieren kann. Im zweiten Teil aber folgt der Umbruch und aus dem, was Spaß gewesen ist, wird bitterer Ernst. Hier folgt auch eine deutlichere Anbindung des Gedankenguts der Reichsbürger an die Nazi-Ideologie und die Rolle der Frau darin.

Trotz aller Leichtigkeit des Textes war mir daran gelegen, dass er immer auf mehreren Ebenen funktioniert: Zum einen ist er Rede der Figuren. Zum anderen ist er aber auch ein Strickwerk aus Verweisen auf Geschichtliches aus dem Faschismus, um die Anbindung der Reichsbürger-Bewegung an die Historie implizit zu erzählen. So ist beispielsweise der Titel eine Referenz auf den esoterischen Glauben vieler Mitglieder der Reichsbürger-Bewegung, dass der arische Mensch vor Urzeiten auf Atlantis heimisch gewesen ist, dieses Eiland jedoch dem Untergang geweiht war und seitdem die Menschheit wieder zurück finden müsse zu ihrer »ursprünglichen Reinheit«. Zugleich verweist der Titel aber auch auf »Der Kaiser von Atlantis« – eine Kammeroper, die 1944 von Inhaftierten im Konzentrationslager Theresienstadt geschrieben wurde.

Bis heute ist die Reichsbürger-Bewegung schwer zu fassen. Zu divers sind die Splittergruppen: Von militanten Rechtsextremen, die sich mit Gewalt vor der BRD-GmbH schützen wollen, bis hin zu esoterischen Aussteigern auf ländlichen Gehöften, die sich nicht »fernsteuern« lassen wollen, ist die Schnittmenge sehr groß.

Wieso schreibst Du für das Theater bzw. welche Chance gibst Du diesem Medium?

Mein Versuch, für das Theater zu schreiben, ist immer ein politischer. Denn ich glaube, wenn an einem Abend Menschen zusammenkommen, um einer Geschichte zu folgen, birgt das automatisch politisches Potential. Das soll aber nicht bedeuten, dass meine Stoffe versuchen, Dinge besser zu wissen als die Zuschauenden. Ich möchte mit meinem Schreiben auch niemanden belehren. Viel mehr möchte ich meinen Wissensvorsprung, der durch lange Recherche entsteht, in eine ästhetische Erfahrung überformen, die im besten Fall unterhält und zum Denken anregt. Wenn das bei mehreren Menschen an einem Abend gelingt, ist für mich der Auftrag des Theaters erfüllt.

Die Fragen stellte Horst Busch.

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Zwischen Probebühne und Lichtpult: FSJ in der sparte4

In der Reihe »Journal einer FSJlerin« teilt Lenke Nagy regelmäßig ihre Erfahrungen und Gedanken.

Es war länger ruhig in meiner Reihe »Journal einer FSJlerin« – zwischen Endproben für »The end, my friend«, spinnendem Drucker, Zuschauen bei Kostümabgaben und meinem ersten Filmschnitt (Das Ergebnis findet ihr unter der Überschrift Straßenumfrage zu »The end, my friend« ebenfalls auf dem BLOG.) ist das Schreiben leider etwas kurz gekommen. Höchste Zeit also für Teil 7 meiner Serie, für den ich mir – zugegeben – Hilfe geholt habe. Und zwar bei jemandem, der theoretisch auch hinter den letzten Artikeln des Journals hätte stecken können. Als FSJlerin des Saarländischen Staatstheaters bin ich nämlich nicht alleine: Schon vor meiner Zusage war eine andere Person fest für die Spielzeit eingeplant: Charlotte Mohr, oder auch Charly, Freiwillige in der sparte4. Damit ihr euch auch ihren Alltag vorstellen könnt, der sich doch maßgeblich von dem meinen unterscheidet, habe ich ein Gespräch mit ihr geführt. Es geht unter anderem um Planänderungen, Senfspender und BWL – Bühne frei für Charly:

Lenke Nagy: Fangen wir doch mit einer sehr naheliegenden Frage an: Wie bist du auf die Idee gekommen, dich für das FSJ in der sparte4 zu bewerben?

Charlotte Mohr: Eigentlich wollte ich ins Ausland. Ich habe mich da für ein paar Sachen beworben, kam auch in Warteschleifen, aber irgendwann war dann klar: Das wird nichts mehr. Und dann waren wir mit unserem Kurs »Darstellendes Spiel« als Abschluss vor dem Abitur im Staatstheater und meine DS-Lehrerin meinte: »Hier gibt es eine FSJ-Stelle, da kann man sich auch bewerben.« Das hat mich neugierig gemacht, also habe ich mich beworben und bin nach einem erfolgreichen Vorstellungsgespräch in die sparte4 gekommen.

LN: Kanntest du die sparte4 vor deiner Bewerbung bereits?

CM: Nein. Ich war noch nie dort. Beim Bewerbungsgespräch wurde ich dann eingeladen mal vorbeizukommen und dann war ich bei »Ich, Akira« zum ersten Mal da und durfte mir auch den Backstage-Bereich angucken. Und dann stand ich vor der Entscheidung, ob ich Bock drauf habe, mich für ein ganzes Jahr zu verpflichten, ob ich mir das vorstellen kann. Den Ausschlag hat dann ein Probenbesuch bei der Produktion »Die Bettwurst« gegeben. Das war total cool mitzuerleben und ich habe entschieden: Ja, ich habe Lust drauf und mache das jetzt.

LN: Welche Aufgaben übernimmst du?

CM: Ich helfe der Regieassistenz sehr viel. Das ist in der sparte4 ein bisschen anders als im Großen Haus oder in der Alten Feuerwache, weil es dort keine zusätzlichen Ausstattungsassistent*innen gibt. Das heißt, die Regieassistenz muss sich neben der Probenorganisation auch um die Requisite und manchmal sogar um die Kostüme kümmern. Eigentlich macht man ein bisschen von allem. Auch mit den Lichttechniker*innen zusammenarbeiten und sowas. Ich bin meistens von 10:00 bis 14:00 Uhr bei der Probe und dann von 18:00 bis 22:00 nochmal bei der Probe oder halt bei Vorstellungen in der sparte4.

LN: Du bist dort auch bei allen Vorstellungen anwesend, oder?

CM: Ja, ich bin bei allen Vorstellungen dabei. Am Ende des FSJs ist es sogar üblich, eine Produktion alleine zu betreuen. Bei mir war das »Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat«.

LN: Ich verbringe im Rahmen meines FSJ auch viel Zeit im Büro am Schreibtisch. An welchem Arbeitsplatz trifft man dich am häufigsten an?

CM: In der sparte4 natürlich. Dann gibt es noch die Probebühne am Eschberg und bei Luca Pauer im Büro gibt es auch einen Schreibtisch für mich, da bin ich aber relativ selten. Dort arbeite ich nur manchmal an Applausordnungen, Listen mit allen benötigten Requisiten oder ähnlichem oder drucke den Stücktext für die Spieler*innen aus.

LN: Hättest du dir denn auch vorstellen können, meine Stelle zu besetzen? Also in der Dramaturgie zu arbeiten?

CM: Nein. (lacht) Ich hatte mein Bewerbungsgespräch mit Thorsten Köhler und Luca Pauer, dem Leitungsteam der sparte4. Die beiden haben mich dann gefragt, ob ich mehr Interesse an der Stelle in der sparte4 oder in der Dramaturgie hätte. Für mich war klar, dass ich die sparte4 vorziehen würde, weil mir die Schilderungen von der Arbeit dort besser gefallen haben und ich geahnt habe, dass das besser zu mir passt. Ich kann auch wirklich nicht gut schreiben, das war noch nie so mein Ding. Texte lesen zwar schon, aber ich mag es trotzdem lieber, dass ich mich bei den Proben direkt über den Text austauschen und zuhören kann, wie alle Beteiligten darüber philosophieren.

LN: Was gefällt dir, abgesehen davon, gut an der Stelle?

CM: Für mich verbindet die Arbeit sehr gut Kopfarbeit mit körperlicher Arbeit. Also dass man manchmal Sachen rumschleppen muss, aber auch auf eine besondere Art kreativ sein kann. Zum Beispiel gibt es bei einem Stück einen Senfspender und ich stand vor Fragen wie »Wie mache ich den am besten sauber?« und es gab noch die Überlegung, dass der Inhalt möglichst gut rausplatscht beim Runterdrücken. Für solche Dinge Lösungen zu finden, ist etwas, was mich sehr reizt. Aber auch, dass man ganz am Anfang von den Proben wirklich nur über den Text redet und ihn dann immer mehr mit Leben füllt. Das ist eine coole Kombi. Und man setzt sich auch ganz anders mit Themen auseinander, einfach weil da viel mehr Menschen in einem Raum mit dir sind, als wenn du nur für dich selbst am Tisch denkst.

LN: Im Gegensatz zu mir, bist du ja fast ausnahmslos bei allen Proben für eine Produktion in der sparte4 dabei. Fühlst du dich dabei als fester Bestandteil des Teams?

CM: Ja. Es ist ja dann immer wieder eine neue Produktion mit anderen Leuten, aber man merkt, wie am Ende alle richtig krass zusammenwachsen, wenn der Endspurt losgeht.

LN: Hand aufs Herz: Was hast du dir im Vorfeld anders vorgestellt?

CM: Ich weiß es nicht… Es ist oft so, dass man sich in sehr spontanen Situationen befindet und schnell entscheiden muss: »Scheiße, wie gehen wir jetzt damit um.« Wenn z.B. die Regieassistenz krank wird und ich bei den Abendvorstellungen plötzlich für sie einspringen muss. Ich dachte im Vorfeld nicht, dass mir soviel Verantwortung übergeben wird. Aber sonst habe ich mir wenig anders vorgestellt. Ich bin gedanklich relativ unvorbereitet da reingegangen.

LN: Geht mir auch so und ich sehe das auch eher positiv, denn wenn man sich bereits im Vorfeld ein detailliertes Bild ausgemalt hätte, dann würde man bestimmt auch schneller enttäuscht…

CM: Genau, dann hat man halt schon eine gewisse Erwartungshaltung.

LN: Möchtest du dich denn nach dem FSJ weiterhin mit Theater beschäftigen?

CM: Also nicht direkt, eher nein. Ich möchte Eventmanagment studieren und bin gerade dabei mich zu bewerben, in Richtung BWL und ähnlichem. Mir ist aber schon wichtig, dass da später wieder eine künstlerische Seite dazukommt, zum Beispiel durch die Organisation von Veranstaltungen im Bereich Kunst und Theater.

LN: Was würdest du deiner Nachfolge raten?

CM: Genau die Frage wurde mir diese Woche tatsächlich bei einem Fortbildungsseminar beim Deutschen Roten Kreuz schon gestellt… Davon muss ich ja, genau wie du, im Laufe meines Freiwilligen Sozialen Jahres fünf Stück besuchen, und diese Woche ist es bei mir wieder soweit. Ich weiß gar nicht mehr, was ich da geantwortet habe, ich glaube irgendeine 0815-Lebensweisheit. (lacht) Ich glaube, ich würde der Person mitgeben, dass man sich nicht so stressen soll. Ich habe jetzt gelernt, dass alles irgendwie so kommt, wie es eben kommt und man immer eine Lösung findet. Dass man einfach versucht, entspannt zu bleiben, auch wenn die Situation stressig ist, und sich darauf konzentriert, was man gerade machen kann. Außerdem sollte man sich auf seine Stärken konzentrieren und dann kann man auch gut mit Herausforderungen umgehen.

LN: Worauf freust du dich vor dem Ende der Spielzeit und dem damit einhergehenden Ende deiner Zeit in der sparte4 noch besonders?

CM: Das ist noch top secret. (lacht) Es ist noch nicht ganz klar, aber eine Auszubildende, die genauso heißt wie ich, hat mich gefragt, ob wir zusammen bei »Melodien für Millionen« singen wollen und jetzt habe ich schon zwei Lieder im Blick, bei denen wir gucken, ob wir das vielleicht zusammen durchziehen. Wir sind beide nicht super im Singen, aber ich glaube, das ist etwas, wo ich dann zurückdenken werde: »Du hast dich getraut vor so vielen Leuten so ein bisschen schief zu singen!« Außerdem wünsche ich mir, den Rest der Spielzeit noch eine gute Zeit zu haben. Darauf freue ich mich!

LN: Das hört sich nach einem sehr guten Plan an, danke dir für das Gespräch!

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