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Hinter dem Vorhang

Stimmen der Stadtgesellschaft: Das ensemble4 in »Der Besuch der alten Dame« stellt sich vor. Teil II

Auch Heike Wendorff ist Teil des 10-köpfigen Ensembles der Bürger*innen auf der großen Bühne des Saarländischen Staatstheaters.

Als ich Heike Wendorff im Sommer in ihrer neuen Wirkungsstätte, dem Rechtsschutzsaal in Bildstock, besuchte, erzählte sie mir begeistert von der Geschichte dieses Hauses, das von saarländischen Bergarbeitern gebaut wurde, um einen geschützten Versammlungsraum gegen den repressiv preußischen Staat zu haben.

Gedenktafel am Rechtsschutzsaal in Bildstock © Horst Busch

Schon bei dem ersten Auswahlworkshop für die Mitarbeit in der Produktion »Der Besuch der alten Dame« antwortete sie auf die Frage nach ihrem Engagement für Saarbrücken:

»Der Rechtsschutzsaal ist das älteste Gewerkschaftsgebäude Deutschlands, zarte 130 Jahre hat er auf dem Giebel. Ich bin dort gelandet, weil dieses alte Gemäuer mit Leben gefüllt werden soll und dabei soll die Arbeit in den Betrieben und die Gewerkschaften eine große Rolle spielen. Und ich bin seit fast 40 Jahren in der Gewerkschaftsbewegung aktiv. Vernetzt mit vielen Menschen in Betrieben und Gremien arbeite ich ehrenamtlich für die Stärkung der Position der Arbeitnehmerschaft und ihre Rechte. Dazu gehören ganz selbstverständlich auch die Kolleginnen und Kollegen außerhalb des Saarlandes. Solidarität ist für mich eine Grundfunktion des gesellschaftlichen Lebens und ich bin glücklich und stolz jetzt im Haus der Solidarität zu arbeiten.

© Heike Wendorff

Warum ist Saarbrücken für mich wichtig? Es ist die Hauptstadt meines Heimatlandes. Hier finden – nicht nur im Staatstheater und auf der gegenüberliegenden Saarseite – viele wichtige Dinge statt. Wir sind ein kleines Land: der Wechsel zwischen Stadt und Land passiert für viele täglich. Jede*r von uns trägt in sich den Mief des katholischen Landes mit gelebter Nachbarschaft, aber auch Bigotterie. Gleichzeitig finden wir in Saarbrücken einen Hauch von Großstadt. Zum Ausgehen war und ist Saarbrücken genial: wir haben eine tolle Szene mit Musik und auch queeren Lebensformen. So bin ich eine typische Saarländerin: geputzt »auf der Schnerr« in Saarbrücken; häuslich und brav in unseren Wohnorten. Bei mir kommt halt noch das lange politische Engagement hinzu. Auch hier spielt in Saarbrücken die Musik. Die Basis meiner Arbeit und meinen Rückhalt finde ich aber über das Land verteilt: in großen und kleinen Betrieben. Mit Kolleginnen und Kollegen vernetzt und eng verbunden.

Das Saarland und Saarbrücken sind von außen kaum zu trennen und bedingen einander. Ich bringe das Land immer wieder in die Stadt und belebe damit die dortigen Strukturen. Es sind so viele Facetten, die mein Leben ausmachen: Ausbildung, uneheliche Geburt einer Tochter, Arbeitslosigkeit und immer wieder viel Engagement in Politik und Erwachsenenbildung. Und alles spielte sich in und um Saarbrücken ab.«

Heike Wendorff als engagierte Bürgerin in »Der Besuch der alten Dame«        
© Martin Kaufhold

Ihr Engagement für gesellschaftspolitische Themen lässt sie im Stück folgenden Wunsch für Saarbrücken und das Saarland äußern:

»Ich wünsche mir, dass Frauen sichtbarer werden. Es gibt so viele tolle Frauen, die die Gesellschaft geprägt haben, die sie vorangebracht haben, aber gibt es auch Plätze, die an sie erinnern? Wir brauchen einen Esther-Bejarano-Platz!«

Möge es im Saarland bald einen solchen Platz geben, denn als am 10. Juli 2021, die in Saarlouis geborene, jüdische Überlebende des KZ Ausschwitzt-Birkenau, Esther-Bejarano starb, verlor die Welt eine wichtige Stimme »im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus«, wie es Bundesaußenminister Heiko Maas formulierte. Immerhin hat die Arbeitskammer des Saarlandes einen Esther-Bejarano Preis für engagierte Film- bzw. Video-Arbeiten von jungen Menschen bis 26 Jahren ins Leben gerufen.

Danke Heike für dein Engagement in Saarbrücken, dem Saarland und dem Staatstheater.

Horst Busch,
Chefdramaturg