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Der Dramaturgieschreibtisch

DiG IT ALL – Gekommen um zu bleiben

Die Konferenz der Dramaturgischen Gesellschaft fand dieses Jahr, mit Hilfe von Avataren, komplett im virtuellen Raum statt.

Ein Erfahrungsbericht vom ersten Teil der Dramaturgischen Jahreskonferenz 2021 DIG IT ALL #1 LET`S MEET.

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich gehöre zur Generation der sognannten »digital immigrants« (digitalen Einwanderern), also den Menschen, die sich noch an ein Erwachsenen-Leben ohne Internet erinnern können. Um so interessanter und spannender war für mich das Thema der diesjährigen vierteiligen Dramaturgischen Konferenz: »Dig it all«, bei der es um das Verhältnis von Digitalität und Darstellenden Künsten gehen sollte. Obwohl der Konferenzschwerpunkt schon vor zwei Jahren mit der Dortmunder »Akademie für Theater und Digitalität«, dem Gastgeber der Konferenz, entwickelt wurde, erhielt das Thema durch die Corona bedingte Verlagerung vieler Theaterformate ins Internet eine besondere Brisanz. Wie Judith Ackermann es in ihrem Eröffnungsvortrag ausdrückte wurden die Theater »zwangs digitalisiert«, indem sie bei geschlossenen Zuschauerräumen versuchten, Vorstellungen und andere Formate digital anzubieten.

Da passte es gut, dass der erste Teil der Konferenz am 23. und 24. Januar dann auch gleich komplett im digitalen Raum stattfand. Auch wenn man sich ja als Teil der im Homeoffice arbeitenden Bevölkerung inzwischen an digitale Konferenzen gewöhnt hat, war das Format von »DIG IT ALL #1 LET`S MEET«,  für mich neu: Die Jahreskonferenz fand nämlich komplett im virtuellen Raum auf der 3D-Social-Media-Plattform »Mozilla Hubs« statt. Konkret bedeutete das, dass man sich, um sich an den Vorträgen, Tischgesprächen und Artist Talks der Konferenz beteiligen zu können, erstmal einen Avatar als virtuellen Repräsentanten generieren musste.

Meeting der Avatare: Der Vorstand der Dramaturgischen Konferenz trifft sich mit Vertretern der Akademie.

Mit Hilfe eines im Generierungsprogramm aufgenommenen Fotos, sollte der Avatar einem ähneln, um auch für andere Konferenzteilnehmer optisch erkennbar zu sein. Doch zu meinem großen Erstaunen war der mit meinem Foto generierte Avatar dann ein 16-jähriges Mädchen im Ringelpulli, das meinem tatsächlichen Erscheinungsbild wenig entsprach. Und auch die anderen Konferenzteilnehmer*innen erschienen als Avatare wundersam verjüngt. In der virtuellen Welt scheint es weder Alter noch Vergänglichkeit zu geben.

Meinen jugendlichen Avatar konnte ich dann durch die vom Künstlerduo »minuseins«, (Nils Corte & Roman Senkl) nachgebauten, virtuellen Arbeitsräumen der Akademie in Dortmund manövrieren. Dort präsentierten die an der Akademie forschenden Künstler ihre Arbeiten in einzelnen virtuellen Räumen und standen zum anschließenden Gespräch zur Verfügung. (Siehe auch https://dramaturgische-gesellschaft.de ).

Diese Gespräche, als auch die Keynotes der Wissenschaftlerinnen Judith Ackermann und Manuela Naveau wurden gleichzeitig auf twitch.tv übertragen, d.h. es richteten sich, hatte man einmal das Wort ergriffen, kleine insektenartige, blinkende Kamera-Wesen auf das eigene avatarische Haupt. Überhaupt war das Erlebnis, nicht kontrollieren zu können, wer einem gerade zuhörte und was mit den aufgezeichneten Daten alles veranstaltet werden könnte, gespenstisch.  

Der zweite Konferenztag bot mit 14 Tischgesprächen mit Expert*innen zu Theater und Digitalität Raum für Reflektion und Wissenstransfer. Mich interessierte dabei besonders die neu gegründete Plattform Spectyou (https://www.spectyou.com/de/), auf der man Theateraufführungen hochladen und ansehen kann. Neu war mir auch das Berufsfeld der Digital-Dramaturgin, wie es Tina Lorenz, die »Projektleiterin für digitale Entwicklung am Staatstheater Augsburg«, präsentierte. Beim dortigen Theater kann man sich u.a. als Zuschauer VR-Brillen nach Hause schicken lassen und damit Vorstellungen des Theaters, die die Möglichkeiten der Virtuell Reality nutzen, ansehen. Sicherlich auch ein ungewöhnlicher Ansatz mit interessanten Möglichkeiten.  

Dem ersten Teil der digitalen Konferenz werden zwei weitere folgen, die sich u.a. mit narrativen Strukturen von Games (in Kooperation mit dem Studiengang Spiel & Objekt der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin), mit dem utopischen Potential des digitalen Raums und der Notwendigkeit einer digitalen Ethik auseinandersetzen wollen. Und ja: ab Sommer soll all das auch wieder »leibhaft« vor Ort in Dortmund stattfinden. – Hoffen wir das Beste!

Mehr Material zur Dramaturgischen Konferenz, sowie die Key Notes zur Eröffnung von Judith Ackermann kann man unter https://dramaturgische-gesellschaft.de/finden.

Simone Kranz,
Schauspieldramaturgin

Ausschnitt einer Arbeit von Lukas Rehm.