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Aus dem Probenalltag

NUR EINE BRIEFMARKE

Es war wie ein Zoom in eine Zeit, mit der man das Schlimmste verbindet und die man nie wieder erleben möchte.

Manchmal passieren Dinge, die einem einen Schauer über den Rücken jagen und Gänsehaut verursachen. Es war nur eine Briefmarke. Sie tauchte während einer Probe zu »Marguerite« auf der Probebühne 1 auf. Geprobt wurde, wie Pierrot aufgegriffen und seine Tasche mit den Lebensmitteln untersucht und ausgeschüttet wurde. Es war eine normale Lederaktentasche, welche die Requisite aus ihrem Fundus zur Verfügung gestellt hatte. Da tauchte sie auf, eine violette Marke, nicht abgestempelt, Deutsches Reich mit Hitlers Konterfei.

Jeder, der sie sah, fühlte sich denkbar unwohl und bekam eine Gänsehaut. Es war wie ein Zoom in eine Zeit, mit der man das Schlimmste verbindet und die man nie wieder erleben möchte. Manche Zufälle sind denkbar merkwürdig, diese Marke gerade in diesem Stück. Möge vielen unwohl werden, bei dem Gedanken an die Greueltaten und mögen sie dennoch im Gedächtnis der Welt bleiben, damit so etwas nie wieder geschieht.

Renate Liedtke,
Dramaturgin für Musiktheater und Konzert