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Theaterblog

Die Wirkkraft von Erzählungen

Die Autorin Paula Kläy studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin.

Mit ihrem Stück »Oberland« gewann sie den Publikumspreis beim Münchner Förderpreis für neue Dramatik. 2023 wurde sie zu den Autor*innentheatertagen am Deutschen Theater Berlin eingeladen. Dramaturgin Simone Kranz sprach mit der Autorin. 

Dein Stück »Grausame Gestalten« hat etwas Rätselhaftes. In klaustrophobischer Atmosphäre haben sich vier Figuren, die sich gegenseitig mit Vater, Mutter, Kind 1 und Kind 2 ansprechen, von der Außenwelt abgeschottet. Das Draußen ist für sie etwas Feindliches – dort leben die Barbaren, mit denen man nicht in Kontakt kommen möchte. Und dann gibt es da noch eine Figur namens Sascha, von der in der dritten Person erzählt wird. Beim Lesen bleibt offen, welche Beziehung Sascha zum Rest des Geschehens hat. Ist für dich das Uneindeutige, zu Entschlüsselnde Teil der künstlerischen Setzung?   

Ich stelle keine Rätsel, die es zu knacken gibt und auf die ich die Antwort kenne, das fände ich unehrlich und langweilig. Aber ich finde es schön, wenn Texte ein Geheimnis in sich tragen, das keine Aufdeckung fordert, sondern sinnlich erfahrbar gemacht werden möchte. Da gilt es für mich zu schauen, dass die Schwebe immer wieder konterkariert wird von etwas sehr Tatsächlichem, Unmittelbaren. So verbinden sich ja auch die zwei Ebenen in einem Moment, wenn Sascha nämlich an einem Loch vorbeiläuft, in dem in 200 Meter Tiefe die Kinder sitzen, die drei nun in Dialog treten und die Erzählung der Eltern ins Taumeln gerät.

»Grausame Gestalten« ist die zweite gemeinsame Arbeit mit dem Regisseur Luis Liun Koch und ein Auftragswerk für die sparte4. Wie kann man sich eure Zusammenarbeit am Stück vorstellen?

Luis hat mir letzten Sommer das erste Mal davon erzählt, dass er gerne eine Arbeit machen würde, die sich mit dem Barbarenbegriff auseinandersetzt. Uns beide hat von Anfang an die Begriffshistorie interessiert, weil sie so viel aussagt über Zuschreibungen und Erzählmuster. Als klar wurde, dass wir die Arbeit hier realisieren können, sind wir mit dem Bühnenbildner Karl Dietrich nach Saarbrücken gefahren, saßen in der Sparte4 und haben danach ein wenig Pingpong gespielt zwischen Bühne und Text. Das war für mich total schön und neu: Tatsächlich für den Raum zu schreiben, in dem das Stück am Ende stattfindet.

Welche Rolle spielen für dich die Theaterproben als konkrete Auseinandersetzung einer Gruppe von Menschen mit deinem Text?

Ich bin gerne am Anfang bei den Proben dabei, mag es, die Fragen zu hören, die der Text aufwirft, erste Interpretationsansätze mitzubekommen und mit auf die Suche zu gehen, nach dem Abend, den wir gemeinsam erzählen wollen.

Findest du der Text spiegelt Phänomene der konkreten politischen Situation wieder?

Für mich verhandelt der Text Resignation, Rückzug aus der Gesellschaft und die Wirkkraft von Erzählungen: Wie zugehörigkeitsstiftend Geschichten (für die Figuren) sind und was passiert, wenn die konstruierte Realität zu bröckeln beginnt.