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Zwischen Probebühne und Lichtpult: FSJ in der sparte4

In der Reihe »Journal einer FSJlerin« teilt Lenke Nagy regelmäßig ihre Erfahrungen und Gedanken.

Es war länger ruhig in meiner Reihe »Journal einer FSJlerin« – zwischen Endproben für »The end, my friend«, spinnendem Drucker, Zuschauen bei Kostümabgaben und meinem ersten Filmschnitt (Das Ergebnis findet ihr unter der Überschrift Straßenumfrage zu »The end, my friend« ebenfalls auf dem BLOG.) ist das Schreiben leider etwas kurz gekommen. Höchste Zeit also für Teil 7 meiner Serie, für den ich mir – zugegeben – Hilfe geholt habe. Und zwar bei jemandem, der theoretisch auch hinter den letzten Artikeln des Journals hätte stecken können. Als FSJlerin des Saarländischen Staatstheaters bin ich nämlich nicht alleine: Schon vor meiner Zusage war eine andere Person fest für die Spielzeit eingeplant: Charlotte Mohr, oder auch Charly, Freiwillige in der sparte4. Damit ihr euch auch ihren Alltag vorstellen könnt, der sich doch maßgeblich von dem meinen unterscheidet, habe ich ein Gespräch mit ihr geführt. Es geht unter anderem um Planänderungen, Senfspender und BWL – Bühne frei für Charly:

Lenke Nagy: Fangen wir doch mit einer sehr naheliegenden Frage an: Wie bist du auf die Idee gekommen, dich für das FSJ in der sparte4 zu bewerben?

Charlotte Mohr: Eigentlich wollte ich ins Ausland. Ich habe mich da für ein paar Sachen beworben, kam auch in Warteschleifen, aber irgendwann war dann klar: Das wird nichts mehr. Und dann waren wir mit unserem Kurs »Darstellendes Spiel« als Abschluss vor dem Abitur im Staatstheater und meine DS-Lehrerin meinte: »Hier gibt es eine FSJ-Stelle, da kann man sich auch bewerben.« Das hat mich neugierig gemacht, also habe ich mich beworben und bin nach einem erfolgreichen Vorstellungsgespräch in die sparte4 gekommen.

LN: Kanntest du die sparte4 vor deiner Bewerbung bereits?

CM: Nein. Ich war noch nie dort. Beim Bewerbungsgespräch wurde ich dann eingeladen mal vorbeizukommen und dann war ich bei »Ich, Akira« zum ersten Mal da und durfte mir auch den Backstage-Bereich angucken. Und dann stand ich vor der Entscheidung, ob ich Bock drauf habe, mich für ein ganzes Jahr zu verpflichten, ob ich mir das vorstellen kann. Den Ausschlag hat dann ein Probenbesuch bei der Produktion »Die Bettwurst« gegeben. Das war total cool mitzuerleben und ich habe entschieden: Ja, ich habe Lust drauf und mache das jetzt.

LN: Welche Aufgaben übernimmst du?

CM: Ich helfe der Regieassistenz sehr viel. Das ist in der sparte4 ein bisschen anders als im Großen Haus oder in der Alten Feuerwache, weil es dort keine zusätzlichen Ausstattungsassistent*innen gibt. Das heißt, die Regieassistenz muss sich neben der Probenorganisation auch um die Requisite und manchmal sogar um die Kostüme kümmern. Eigentlich macht man ein bisschen von allem. Auch mit den Lichttechniker*innen zusammenarbeiten und sowas. Ich bin meistens von 10:00 bis 14:00 Uhr bei der Probe und dann von 18:00 bis 22:00 nochmal bei der Probe oder halt bei Vorstellungen in der sparte4.

LN: Du bist dort auch bei allen Vorstellungen anwesend, oder?

CM: Ja, ich bin bei allen Vorstellungen dabei. Am Ende des FSJs ist es sogar üblich, eine Produktion alleine zu betreuen. Bei mir war das »Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat«.

LN: Ich verbringe im Rahmen meines FSJ auch viel Zeit im Büro am Schreibtisch. An welchem Arbeitsplatz trifft man dich am häufigsten an?

CM: In der sparte4 natürlich. Dann gibt es noch die Probebühne am Eschberg und bei Luca Pauer im Büro gibt es auch einen Schreibtisch für mich, da bin ich aber relativ selten. Dort arbeite ich nur manchmal an Applausordnungen, Listen mit allen benötigten Requisiten oder ähnlichem oder drucke den Stücktext für die Spieler*innen aus.

LN: Hättest du dir denn auch vorstellen können, meine Stelle zu besetzen? Also in der Dramaturgie zu arbeiten?

CM: Nein. (lacht) Ich hatte mein Bewerbungsgespräch mit Thorsten Köhler und Luca Pauer, dem Leitungsteam der sparte4. Die beiden haben mich dann gefragt, ob ich mehr Interesse an der Stelle in der sparte4 oder in der Dramaturgie hätte. Für mich war klar, dass ich die sparte4 vorziehen würde, weil mir die Schilderungen von der Arbeit dort besser gefallen haben und ich geahnt habe, dass das besser zu mir passt. Ich kann auch wirklich nicht gut schreiben, das war noch nie so mein Ding. Texte lesen zwar schon, aber ich mag es trotzdem lieber, dass ich mich bei den Proben direkt über den Text austauschen und zuhören kann, wie alle Beteiligten darüber philosophieren.

LN: Was gefällt dir, abgesehen davon, gut an der Stelle?

CM: Für mich verbindet die Arbeit sehr gut Kopfarbeit mit körperlicher Arbeit. Also dass man manchmal Sachen rumschleppen muss, aber auch auf eine besondere Art kreativ sein kann. Zum Beispiel gibt es bei einem Stück einen Senfspender und ich stand vor Fragen wie »Wie mache ich den am besten sauber?« und es gab noch die Überlegung, dass der Inhalt möglichst gut rausplatscht beim Runterdrücken. Für solche Dinge Lösungen zu finden, ist etwas, was mich sehr reizt. Aber auch, dass man ganz am Anfang von den Proben wirklich nur über den Text redet und ihn dann immer mehr mit Leben füllt. Das ist eine coole Kombi. Und man setzt sich auch ganz anders mit Themen auseinander, einfach weil da viel mehr Menschen in einem Raum mit dir sind, als wenn du nur für dich selbst am Tisch denkst.

LN: Im Gegensatz zu mir, bist du ja fast ausnahmslos bei allen Proben für eine Produktion in der sparte4 dabei. Fühlst du dich dabei als fester Bestandteil des Teams?

CM: Ja. Es ist ja dann immer wieder eine neue Produktion mit anderen Leuten, aber man merkt, wie am Ende alle richtig krass zusammenwachsen, wenn der Endspurt losgeht.

LN: Hand aufs Herz: Was hast du dir im Vorfeld anders vorgestellt?

CM: Ich weiß es nicht… Es ist oft so, dass man sich in sehr spontanen Situationen befindet und schnell entscheiden muss: »Scheiße, wie gehen wir jetzt damit um.« Wenn z.B. die Regieassistenz krank wird und ich bei den Abendvorstellungen plötzlich für sie einspringen muss. Ich dachte im Vorfeld nicht, dass mir soviel Verantwortung übergeben wird. Aber sonst habe ich mir wenig anders vorgestellt. Ich bin gedanklich relativ unvorbereitet da reingegangen.

LN: Geht mir auch so und ich sehe das auch eher positiv, denn wenn man sich bereits im Vorfeld ein detailliertes Bild ausgemalt hätte, dann würde man bestimmt auch schneller enttäuscht…

CM: Genau, dann hat man halt schon eine gewisse Erwartungshaltung.

LN: Möchtest du dich denn nach dem FSJ weiterhin mit Theater beschäftigen?

CM: Also nicht direkt, eher nein. Ich möchte Eventmanagment studieren und bin gerade dabei mich zu bewerben, in Richtung BWL und ähnlichem. Mir ist aber schon wichtig, dass da später wieder eine künstlerische Seite dazukommt, zum Beispiel durch die Organisation von Veranstaltungen im Bereich Kunst und Theater.

LN: Was würdest du deiner Nachfolge raten?

CM: Genau die Frage wurde mir diese Woche tatsächlich bei einem Fortbildungsseminar beim Deutschen Roten Kreuz schon gestellt… Davon muss ich ja, genau wie du, im Laufe meines Freiwilligen Sozialen Jahres fünf Stück besuchen, und diese Woche ist es bei mir wieder soweit. Ich weiß gar nicht mehr, was ich da geantwortet habe, ich glaube irgendeine 0815-Lebensweisheit. (lacht) Ich glaube, ich würde der Person mitgeben, dass man sich nicht so stressen soll. Ich habe jetzt gelernt, dass alles irgendwie so kommt, wie es eben kommt und man immer eine Lösung findet. Dass man einfach versucht, entspannt zu bleiben, auch wenn die Situation stressig ist, und sich darauf konzentriert, was man gerade machen kann. Außerdem sollte man sich auf seine Stärken konzentrieren und dann kann man auch gut mit Herausforderungen umgehen.

LN: Worauf freust du dich vor dem Ende der Spielzeit und dem damit einhergehenden Ende deiner Zeit in der sparte4 noch besonders?

CM: Das ist noch top secret. (lacht) Es ist noch nicht ganz klar, aber eine Auszubildende, die genauso heißt wie ich, hat mich gefragt, ob wir zusammen bei »Melodien für Millionen« singen wollen und jetzt habe ich schon zwei Lieder im Blick, bei denen wir gucken, ob wir das vielleicht zusammen durchziehen. Wir sind beide nicht super im Singen, aber ich glaube, das ist etwas, wo ich dann zurückdenken werde: »Du hast dich getraut vor so vielen Leuten so ein bisschen schief zu singen!« Außerdem wünsche ich mir, den Rest der Spielzeit noch eine gute Zeit zu haben. Darauf freue ich mich!

LN: Das hört sich nach einem sehr guten Plan an, danke dir für das Gespräch!

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Aus dem Leben eines Kriegsgefangenen – Journal einer FSJlerin

Es ist der 21. November 1947, als »Draußen vor der Tür« seine Uraufführung feiert, jedoch ohne den vermeintlich wichtigsten Zuschauer: Wolfgang Borchert, Autor des Dramas, ist einen Tag zuvor verstorben. Schwerwiegende Verletzungen und Folgen von Gelbsucht und anderen Krankheiten aus seiner Zeit als Soldat und Inhaftierter setzen seinem Leben ein Ende. Kein Wunder also, dass man als Zuschauer*in von dem »Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will« überwältigt von dem Schmerz sein kann, den Protagonist Beckmann, ein Heimkehrer aus sibirischer Kriegsgefangenschaft nach dem zweiten Weltkrieg, auf der Bühne zum Ausdruck bringt. Schließlich musste Borchert nicht lange suchen, um herauszufinden, wie dieser sich wohl anfühlt, hatte er ihn doch selbst erleben müssen.

Nach mehrmaligen Probenbesuchen bei der Erarbeitung des Dramas unter Phillip Preuss´ Regie, will auch ich besser wissen, warum einige Kriegsgefangene erst Mitte der 1950er Jahre in ihre Heimat zurückkehren durften und welche Erfahrungen sie machen mussten. Wieso also dauerte es nach dem Zweiten Weltkrieg so lange, bis alle Gefangenen in ihre Heimat entlassen wurden? Eigentlich sahen die Haager Landeskriegsordnung sowie die Genfer Kriegsgefangenenkonvention eine zügige Heimkehr aller Kriegsgefangenen nach Kriegsende vor.

Allerdings hatten die Alliierten auf der Konferenz von Jalta einen Einsatz deutscher Kriegsgefangener zu Reparationszwecken beschlossen, womit eine sofortige Rückkehr ausgeschlossen war. Zudem wollte die sowjetische Regierung die Haager und Genfer Beschlüsse nicht einhalten, da sich auch die deutsche Wehrmacht diesen Abkommen verweigert hatte. 1947 stimmte die Sowjetunion dennoch dem alliierten Beschluss zu, bis Ende 1948 alle Kriegsgefangenen zu repatriieren, also in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Ausgeschlossen von dieser Regelung waren jedoch von der sowjetischen Regierung verurteilte Kriegsgefangene.

Zerstörtes Mittelfoyer des Theaters. Foto: Archiv P. Rüdell

Einer, der mit dem Schicksal einer langjährigen Kriegsgefangenschaft geschlagen war, ist Hans Kampmann, der mit 21 Jahren inhaftiert wurde. Auf seine Geschichte bin ich in einem Begleitbuch eines ARD-Dreiteilers von Rüdiger Overmans gestoßen, der fünf Wehrmachtssoldaten und ihre Zeit in Kriegsgefangenschaft porträtiert. 

»Wenn man nachts austreten musste und dann wiederkam, war der eigene Schlafplatz von den Nachbarn zur Rechten und Linken belegt. Dann machten wir es, wie man es in Ferkelställen beobachten kann: Wir legten uns oben drauf, und irgendwann sank man nach unten auf seinen Stammplatz zurück. In der ersten Zeit der Gefangenschaft erlebte ich einige Male, dass ein Kamerad morgens nicht mehr von der Pritsche aufstand.«

Tote waren leider insbesondere in den Lagern der UdSSR keine Seltenheit. Bis heute ist ungeklärt, wie viele Menschen in ihnen inhaftiert waren und wie groß der Anteil von Todesfällen unter ihnen war. Schätzungen reichen von einem Sechstel bis hin zu zwei Dritteln. Die zu verrichtende Arbeit der Häftlinge war dabei nur ein Teil des Problems. Kampmann genoss in dieser Hinsicht sogar zunächst das Privileg, als ehemaliger Offizier nur leichte Lagerarbeiten verrichten zu müssen. Der eisigen Kälte und dem Hunger konnte jedoch auch er nicht entgehen.

»Vor uns war kein Tier, keine Pflanze sicher. Ob es ein Igel war oder ein Mops, alles ging durch unsere Mägen.«

Insbesondere bei der Verteilung der wenigen Rationen Brot, die jedem Häftling zustanden, waren Neid und Streit an der Tagesordnung. Kampmann erlebte, wie sich die Gefangenen Verfahren zur möglichst gerechten Aufteilung ausdachten, verschiedenste Arten von Waagen zu bauen versuchten und penibel auf Birkenrinde festhielten, wer welchen Teil vom Brot bekommen hatte.

Kraft gab den Häftlingen oft nur die ungewisse Hoffnung, irgendwann in die Heimat zurückkehren zu dürfen. Kontakt zu ihren Angehörigen herzustellen, war den sowjetischen Gefangenen jedoch kaum möglich, weshalb sie teils zu riskanten Mitteln griffen, um ihre Entlassung zu beschleunigen und sich auf den Nachhauseweg machen zu können:

»Es gab auch welche, die sich bewusst krank machen wollten. Man hatte ja über die Zeit hinweg beobachten können, dass nur die Kranken nach Hause kamen. Sie aßen zum Beispiel viel Salz und kleisterten sich dadurch die Magenwände aus; die Magenzotten verdauten in dem Falle nichts mehr. So verhungerten sie langsam. Andere schluckten Streichholzköpfe, also Schwefel. Oft erreichten sie damit das genaue Gegenteil: Anstatt nach Hause zu fahren, fuhr man sie auf den Friedhof. Die Beerdigungen waren, vornehm gesagt, rustikal. Die Toten ließ man nackt in eine Grube gleiten, denn die Bekleidung war ja noch wertvoll. Die konnte am Tag drauf schon jemand anderes gut gebrauchen.«

Besonders ein Satz aus Hans Kampmanns Erinnerungen ist mir nach meiner Recherche im Gedächtnis geblieben. Er schreibt:

»Meine Jugend wurde mir gestohlen.«

Doch hat Kampmann nicht als Offizier selbst jungen Männern auf der gegenüberliegenden Seite des Schützengrabens „die Jugend gestohlen“? Menschen, um die zuhause gebangt wurde, verwundet oder sogar getötet? Vielleicht wissentlich die Augen vor dem Holocaust verschlossen und ein Regime unterstützt, das unbegreiflich viel Leid in die Welt gebracht hat? Hierrüber ist in Kampmanns Erinnerungen nichts zu lesen.

Zerstörter Rang des Theaters. Foto: Archiv P. Rüdell

Was also nehme ich hauptsächlich aus meiner Recherche zu »Draußen vor der Tür« mit? Dass nichts einfach nur schwarz oder weiß ist. Und dass das Thema Kriegsgefangenschaft viel zu umfangreich für einen einzigen Artikel zu sein scheint. Da es vermutlich nicht nur bei mir ziemliche Wissenslücken offenbart und dringend mehr aufgearbeitet werden müsste, abschließend noch ein paar Lektüretipps:

Rüdiger Overmans in Zusammenarbeit mit Ulrike Goeken-Haidl: »Soldaten hinter Stacheldraht – Deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs«, Propyläen Verlag by Econ Ullstein Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2000 (Anmerkung: Alle Zitate aus diesem Artikel von Hans Kampmann entstammen dieser Quelle.)

Spiegel Geschichte: Ausgabe 3/2022 »Kriegsgefangenschaft. Die vergessenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs – wie das Trauma bis heute nachwirkt«, SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, Hamburg 2022

Christian Streit: »Keine Kameraden – Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945«, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH, Bonn 1997

Gordon Burgess: »Wolfgang Borchert: Ich glaube an mein Glück – Eine Biographie«, Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2007