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Ein Untersuchungsfeld für die Bühne

Anna-Elisabeth Fricks Arbeiten oszillieren zwischen Sprechtheater und Performance. In der Alten Feuerwache bringt sie einen Abend »Verlorener Erinnerungen« heraus.  Dramaturgin Simone Kranz sprach mit ihr über die Proben.

Simone Kranz Anna, nach den ersten Proben bin ich sehr fasziniert von deiner Arbeitsweise. Kannst du deine `Methode´ beschreiben?

Anna-Elisabeth Frick Ich weiß gar nicht, ob man das eine Methode nennen kann. Ich bin eine große Sammlerin, ich interessiere mich für alles, was mit dem Thema, das ich gerade bearbeite, zu tun hat. Dieses Material bearbeite ich dann mit den Spielenden. Dabei suche ich die Themen schon so aus, dass es eine Verbindung zu meiner Biografie gibt. Bei »Lethe« ist das Bindeglied mein Vater, der mit Demenz verstorben ist.

K Geht es dir um Aufklärung?

F Das wäre zu kurz gegriffen. Es gibt ja schon Hilfsangebote und Themenabende. Ich möchte mehr einen sinnlichen Raum schaffen, in den das Publikum eintauchen kann. Die Orientierungslosigkeit des Krankheitsbildes Demenz entspricht für mich einem gesellschaftlichen Phänomen. Jeder und jede kennt doch das Gefühl, auf einmal Dinge nicht mehr zu verstehen, die politischen Zusammenhänge nicht mehr erfassen zu können, z.B. nicht glauben zu können, was Trump in Amerika da als Gesetz verkündet. Das Thema hat eine gesellschaftliche, politische und philosophische Dimension. 

K Trotz dieser philosophischen Einbindung arbeitest du mit dem Choreographen Ted Stoffler sehr körperlich…

F Ja, es geht ja auch um Körper. Die Körper der Erkrankten, die ständig laufen wollen, zu anderen Orten, die es so vielleicht gar nicht mehr gibt. Das nicht zur Ruhe kommen können. Nähe und Abstand – beides wird von an Demenz Erkrankten plötzlich anders definiert. Das ist ein schönes Untersuchungsfeld für die Bühne.

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Zur klanglichen Konzeption von »Lethe – Ein Abend verlorener Erinnerungen«

Von Hannes Strobl

Der Musiker, Komponist und Klangkünstler Hannes Strobl beschäftigt sich intensiv mit urbanen Klangräumen, sowie der Interaktion zwischen Klang und architektonischem Raum. Seine Arbeiten zeichnen sich durch ihre immersive Qualität und die Verschmelzung von Musik, Technologie und Raum aus. Für die Produktion »Lethe. Ein Abend verlorener Erinnerungen« war das Thema Vergessen, Ausgangspunkt seiner Komposition. Im Folgenden beschreibt er seine Arbeitsweise.

Klang und Erinnerung

Der Theaterabend »Lethe. Ein Abend verlorener Erinnerungen« widmet sich dem Phänomen des Vergessens und nutzt die besondere Fähigkeit von Klang und Musik, vergangene Situationen oder bestimmte Atmosphären wieder aufleben zu lassen. Klang kann Erinnerungen wachrufen, die längst im Hintergrund des Bewusstseins verschwunden sind – selbst dann, wenn andere Zugänge zur Vergangenheit verblassen.

Ein Lied aus der Zeit der ersten Verliebtheit, das Zirpen der Grillen im Urlaub oder das vertraute Rumpeln eines vorbeifahrenden Zuges nahe der Wohnung, in der man aufgewachsen ist – solche Klänge können tief verankerte Erinnerungen hervorrufen. Auf dieser Einsicht basiert die klangliche Konzeption, die gezielt Elemente einsetzt, um emotionale und assoziative Prozesse anzuregen.

Zusätzlich nutzt die Komposition Audioaufnahmen (Field Recordings), die auf die frühere Nutzung der »Alten Feuerwache« als Turnhalle verweisen. Das Quietschen von Turnschuhen, entfernte Stimmen oder das Echo eines Balls machen die Vergangenheit des Raumes hörbar – der Raum erzählt seine Geschichte.

Spannungsfeld durch verschiedene klangliche Mittel

Musikalisch bewegt sich die Komposition zwischen Wiederholung und Auflösung, zwischen Vertrautem und Überraschendem. Dieses Spannungsfeld wird durch verschiedene klangliche Mittel erzeugt: Loops lassen sich als Metapher für das Vergessen verstehen – jedes wiederholte Klangfragment erscheint wie neu, als wäre es zum ersten Mal gehört. Kontinuierliche Klangschichten erzeugen eine Form des Verschwindens: Sie bleiben präsent, werden jedoch mit der Zeit unbewusst ausgeblendet, ähnlich dem monotonen Brummen eines Ventilators oder dem fernen Rauschen einer Straße.

Plötzliche Brüche und Fragmente spiegeln Momente des Erinnerungsverlusts oder der Orientierungslosigkeit wider.

So geht es in der Komposition nicht nur darum, das Vergessen klanglich zu erfassen, sondern auch die emotionale Kraft von Klang als Brücke zur Erinnerung spürbar zu machen. Musik wird zum Medium zwischen Verlorenem und Wiedergefundenem, zwischen Vergessen und Erinnern.