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„Klassische Musik ist kein Luxus“

Können Sie uns Ihr Cello vorstellen?

Ich habe mich in mein Cello sofort verliebt. Für mich hat es einen wunderbaren warmen und wandlungsfähigen Klang, der mir erlaubt, meine cellistischen Qualitäten auszuleben. Ich habe das Glück, auf diesem Instrument nun seit über 20 Jahren spielen zu können und es ist in der Tat so etwas wie ein Lebenspartner geworden, zumindest was mein musikalisches Leben angeht. Das Instrument gehörte früher den deutschen Cello-Legenden Hugo Becker, Rudolf Metzmacher und Ludwig Hölscher – das verpflichtet mich, mein Bestes zu geben!

Sie haben renommierte Preise gewonnen und konzertieren mit bedeutenden Orchestern – gewiss wichtige Stationen in ihrer Laufbahn. Was zählt für Sie persönlich in ihrer Musikerbiographie?

Was bleibt, sind die Begegnungen und Freundschaften mit Musikern. Sei es die erste Begegnung mit Slava Rostropovitch, den ich im Alter von 8 Jahren zum ersten Mal hörte, die Unterrichtsstunden mit ihm 15 Jahre später, wunderbare Erinnerungen an Konzertorte wie die Carnegie Hall oder die Wigmore Hall oder eben besonders beglückende Zusammenarbeiten mit Dirigenten und Orchestern, wie dem Saarländischen Staatsorchester zuletzt mit Elgars Cellokonzert!

Ich bin sehr dankbar, dass ich im Laufe der letzten 30 Jahre mein künstlerisches Leben genießen konnte in einer großen Bandbreite von Kammermusik, solistischen Darbietungen, Konzerten als Dirigent, als Pädagoge und nicht zuletzt als Familienmensch mit vier Kindern. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringen wird!

Wolfgang Emanuel Schmidt | Foto: Markus Jans

Hollywoodklänge, romantisches Solokonzert und südamerikanische Kammermusik – Ihre Programmauswahl für die Konzerte in Saarbrücken zeigen ein enormes Spektrum. Worauf freuen Sie sich als Artist in Focus bei uns besonders?

Ich hatte die große Freude, bereits zweimal bei Ihnen zu Gast zu sein – mit den Cellokonzerten von Walton und Elgar. Ich habe das Orchester als hervorragenden Klangkörper und idealen musikalischen Partner kennenlernen dürfen. Insofern freut es mich außerordentlich, Artist in Focus zu sein und eine Reihe von Programmen zu gestalten – mit dabei eines meiner Herzstücke, das Cellokonzert von Robert Schumann.

Mein ganzes Leben habe ich mich um künstlerische Vielseitigkeit bemüht. Ich spiele viel Kammermusik, gastiere als Solist und Dirigent, bearbeite Musik für verschiedene Besetzungen und versuche zum Beispiel in Konzerten mit meinem Kammerorchester Metamorphosen Berlin, neue Programmideen zu verwirklichen. Meine Gastspiele in Saarbrücken spiegeln dieses Bestreben wider: Wir haben das große romantische Konzert, ein unbekannteres Werk des letzten Jahrhunderts (das Cellokonzert von Chatschaturjan im 3. Sinfoniekonzert), Kammermusik und zum Abschluss einen Abend mit Filmmusik, durch den uns die deutsche Stimme von James Bond alias Daniel Craig – Dietmar Wunder, ein guter Freund, führen wird. Als großer Filmfan ist dieses Konzert für mich ein persönliches Highlight.

Welches Potenzial hat klassische Musik für Sie in einer Zeit knapper Kulturetats und gesellschaftlicher Umbrüche?

Die letzten Jahre haben uns vor viele, bis dahin nicht vorstellbare Herausforderungen gestellt: Corona, Kriege, eine Neuausrichtung des Lebens durch die Digitalisierung, soziale Spannungen … In dieser so ungewissen Situation zeigt sich meines Erachtens gerade, wie wichtig klassische Musik als verbindendes Element sein kann. Musik als universelle Sprache – unabhängig von Nationalitäten, Sprachbarrieren, politischen Gesinnungen. Leider wird die verbindende Kraft der Musik in den Zeiten fehlender Finanzen viel zu oft als entbehrlich angesehen. Ich denke, dies ist ein großer Irrtum. Musik, Kreativität, Zwischenmenschlichkeit und Kommunikation – das sind die Felder, die wahrlich „menschlich“ sind, die uns als Menschen ausmachen, uns einen Sinn geben und die – zumindest auf absehbare Zeit – nicht von Künstlicher Intelligenz übernommen werden können.

Insofern sind Klassische Konzerte und damit verbunden die musikalische Ausbildung kein „Luxus“, den man in schlechten Zeiten einsparen kann, sondern existentiell wichtig für unsere Gesellschaft, insbesondere für die Persönlichkeitsbildung und Entwicklung junger Menschen. Interview: Stephanie Schulze

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»Die Alpensinfonie – ein überwältigendes Schauspiel«

Herr Rouland, lieben Sie die Berge?

Ich liebe die Alpen, die Königin der Gebirge, zusammen mit dem Himalaya. Sie strahlen für mich gleichzeitig ein Gefühl von Stärke und Ruhe aus. Leider habe ich nur selten Gelegenheit, sie zu besuchen. Auf Reisen komme ich oft an ihnen vorbei, vor allem in der Schweiz, wo ich, wenn ich mich richtig erinnere, das letzte Mal gewandert bin.

Lässt sich das Dirigieren der »Alpensinfonie« mit dem Erklimmen eines Gipfels vergleichen?

Die Orchestrierung von Strauss ist enorm, aber wenn man von den 12 Hörnern des Blasorchesters hinter der Bühne absieht, vergleichbar mit Wagner. Dazu kommen besondere Instrumente, wie das Heckelphon, eine Art Oboe mit tieferem Register. Es bleibt ein musikalisches Meisterwerk und eine Herausforderung für mich als Dirigenten, die so überwältigend ist wie für einen Bergsteiger, der den Mont Blanc oder den Mount Everest besteigen will!

Welche Etappe der Bergexpedition, die Strauss vertont, »gehen« Sie am liebsten?

Mir gefällt besonders der »Eintritt in den Wald«. Das Thema, zum ersten Mal von den Blechbläsern vorgetragen und von Streicherarpeggien begleitet, ist von großer Schönheit. Gleichzeitig klar und überwältigend, wie es Strauss so einmalig beherrschte.

Interessierte sich Strauss fürs Bergsteigen – oder was haben Berge mit Kunst zu tun?

Soweit mir bekannt ist, hat Strauss gerne ausgedehnte Spaziergänge in der Natur gemacht, aber er verfolgte auch eine andere, metaphysischere Interpretation der Bergbesteigung. In seinem Tagebuch notierte er, dass er seine Komposition in Anlehnung an Friedrich Nietzsche als »Antichrist« untertiteln wollte.

Warum sollte man dieses Werk unbedingt kennenlernen?

Das Hören der »Alpensinfonie« ist ein einzigartiger Moment, der die Phantasie anregt, die Sinne schärft und die tiefsten Gefühle weckt. Es ist ein überwältigendes Schauspiel!

Die Fragen stellte Stephanie Schulze

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»Gute unbekannte Musik kann nur bereichernd sein.«

Das erste Kammerkonzert der diesjährigen Spielzeit am 2. Oktober im Rathausfestsaal war gleich in zweifacher Hinsicht etwas Besonderes: Zunächst war das Max-Bruch-Trio, bestehend aus Jörg Lieser, Marlene Simmendinger und Grigor Asmaryan, zu Gast, welches mit einer eher außergewöhnlichen Besetzung aus Klavier, Klarinette und Fagott hervorsticht. Zudem enthielt das Programm Werke von gleich zwei unbekannten Komponisten: Robert Kahn (1865 – 1951) sowie dessen Schüler Günter Raphael (1903 – 1960).

Was die beiden Komponisten vereint, ist nicht nur ihre mangelnde Bekanntheit selbst unter Musikliebhabern, sondern auch ihre jüdische Herkunft und ein von Antisemitismus und Emigration im Nationalsozialismus geprägter geschichtlicher Hintergrund. Von Günter Raphael waren gleich zwei Werke Teil des Abends: das Trio op. 70, eigentlich für Klavier, Klarinette und Cello, und die »Entensonatine«. Von Raphaels Lehrmeister Kahn bildete das Trio in g-Moll op. 45 Teil des Programms.

Günter Raphael                Foto: Ernst Hoenisch

Im Interview mit dem Klarinettisten Jörg Lieser, erzählt dieser von seiner Leidenschaft für gute Musik, vom Aufstöbern von Noten und seinem Wunsch danach, der Welt Zugang zu großartigen Stücken zu gewähren, die nie die verdiente Aufmerksamkeit erlangen konnten.

Jörg Lieser            Foto: Astrid Karger

Lenke Nagy: Wie sind Sie und das Max-Bruch-Trio auf die beiden jüdischen Komponisten gestoßen und was fasziniert Sie an ihren Kompositionen?

Jörg Lieser: Das Kahn-Trio kannte ich schon seit längerem vom Hören in der originalen Besetzung mit Cello und wollte es immer mal spielen.

Die Werke für Klarinette von Günter Raphael sind auf einer CD sehr gelungen und schön eingespielt von Dirk Schultheis.

Ich habe dann die Stücke dem Trio vorgeschlagen.

LN: Und wie kam Ihnen die Idee, diese Werke miteinander zu kombinieren? Schließlich ist es auch ein gewisses Wagnis, dem Publikum gleich zwei unbekannte Komponisten vorzustellen.

JL: Unser Trio existiert ja schon eine ganze Weile und ist auch keine gewöhnliche Instrumentenkombination. Das heißt, irgendwann hat man die bekanntesten Stücke, die in dieser Zusammenstellung möglich sind, alle schon mal gespielt. Wenn man dann – wie wir – dennoch gerne zusammen weitermusizieren möchte, dann muss man auf die Suche gehen nach ungewöhnlicheren Werken, die einen begeistern.

Bei Raphael ist es auch die Rhythmik, die mich – manchmal ostinatohaft oder jazzig – einfach mitnimmt und die Tonalität, die etwas an Hindemith erinnert, der auch, obwohl namhafter, zu selten gespielt wird.

Als ich dann bei weiteren Recherchen auch noch erkannte, dass es sich um Lehrer und Schüler (Kahn/Raphael) handelte, war klar, dass ich die beiden Trios gerne kombinieren wollte.

Robert Kahn                    Foto: Steffen Fahl

LN: Stimmt es, dass es die Noten von Raphaels Trio gar nicht mehr zu kaufen gibt? Wo liegt Ihrer Meinung nach der Grund dafür und wie konnten Sie an das Notenmaterial gelangen?

JL: Ich habe mehrere Notenhändler kontaktiert. Keiner hatte mehr ein Exemplar und es kam immer die Nachricht: Es wird vom Verlag nicht mehr gedruckt.

Das kann für mich nur ein wirtschaftlicher Grund sein. Das Stück ist zu unbekannt, es wird also nicht nachgefragt und nach der künstlerischen Ausgrenzung im Nationalsozialismus noch ein zweites Mal vergessen!

Ich habe daraufhin den Kollegen Schultheis kontaktiert und er besorgte mir umgehend die PDF-Dateien aus dem WDR-Archiv. Die Noten wurden dort eingescannt im Zuge der CD-Aufnahme. Er ist Klarinettist im WRD Funkhausorchester.

LN: Würden Sie sich wünschen, dass bei musisch-kulturellen Veranstaltungen mehr Augenmerk auf die Wahl von Werken unbekannter Komponisten gelegt wird?

JL: Ich bin tatsächlich immer auf der Suche nach Literatur abseits der Standardwerke, für mich selber, aber auch insbesondere für meine unterrichtende Tätigkeit.

Gute unbekannte Musik kann nur bereichernd sein und muss gewagt werden.

LN: Haben Sie einen persönlichen Bezug zum Thema Judentum und Antisemitismus?

JL: Nein. Ich fand zunächst einfach nur die Musik gut und spielenswert. Erst danach lernte ich die persönlichen Umstände der Komponisten kennen.

LN: Wie war das Feedback auf Ihre Zusammenstellung des Programms?

JL: Sehr gut! Das ist ja das Schöne bei den Kammerkonzerten, dass man sein Programm selbst zusammenstellen kann. Ich achte dann immer auf einen roten Faden, in diesem Fall eben durch die Lehrer-Schüler-Beziehung und das Judentum. Diesmal war das Publikum besonders begeistert und hat sich gefreut, neue Werke kennenzulernen. Meine Frau, die fast jedes meiner Programme gehört hat, fand dieses bisher am gelungensten. Jörg Lieser lacht.  Das wir uns da als Trio so steigern konnten, ist natürlich toll zu hören.

LN: Vielen Dank für das Gespräch!

Der verdiente Schlussapplaus                                      Foto:©Astrid Karger