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Märchen, Mythen, Meuterei

»Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön…« – für die Bewohner eines Städtchens am Deister wohl eher nicht: Zur Schuldentilgung des Landes Niedersachsen wurden sie samt Infrastruktur verkauft und in Containern auf ein Frachtschiff geladen. An einem noch unbekannten Ort soll die Gemeinde als Freizeitpark wiederaufgebaut und begehbar gemacht werden.

Nicht lange, und der Lagerkoller setzt ein. Mitten auf dem Ozean ist man einander hemmungslos ausgeliefert. Dem Gegenüber, und vor allem sich selbst. So manche Beziehung, so manche Geschichte hätte man lieber zurückgelassen, nun drängt sie sich auf. Jakob Noltes Text zeigt das Miteinander, das Reden über das Reden. Was gibt man von sich Preis, was verbirgt man, was projiziert man auf den anderen? Man verrät mehr über sich selbst, als einem lieb ist – wenn man genau hinhört und, in Thorsten Köhlers Inszenierung, hinsieht. Gemeinsam mit Grigory Shklyar (Video und Bildregie) schafft er eine Bildwelt konzentriert auf die nonverbale Reaktion. Nur Hände, Beine, der Körper im Bild, nicht das Gesicht, gerät jedes Zittern der Hände, jedes Ballen zur Faust, unter das Brennglas. Das Ungesagte und das Gesagte verschmelzen.

»…denn da kann man fremde Länder und noch manches andre sehn«, geht das Lied weiter. So manch einer auf dem Frachtschiff sehnt sich aber eher nach der Heimat, nach dem Bekannten. Über den Tellerrand schauen lässt einen allzu oft über das Bisherige und Gewohnte grübeln. Wie geht man mit dem Neuen, mit dem Fremden um? Was ist typisch deutsch? Sonst sind es doch »die Deutschen«, die als Touristen andere Länder und Kulturen bestaunen, die vom Erbe des Kolonialismus bis heute profitieren. Und jetzt wird man verkauft? Im Freizeitpark ausgestellt? Die Ausstattung von Justus Saretz spielt genau damit – mit kultureller Aneignung, mit Alltagsrassismus, mit Vergangenheitsbewältigung. Und mit dem »typisch Deutschen«, mit dem Bild, das man von sich selbst hat, wie man sich gerne präsentieren möchte, und mit dem Bild, das sich die anderen machen.

Bühne und Kostüme schaffen zugleich eine geheimnisvolle Welt, fast mythen- und märchenhaft. Auch Prolog und Epilog des Stücks erinnern an ein Märchen, und bei Thorsten Köhler erklingt »Scheherazade« von Nikolai Rimski-Korsakow dazu. Man erzählt sich Geschichten, vielleicht eben auch Märchen, über sich selbst und die Vergangenheit, so eingepfercht auf einem Schiff. Und dieses Schiff wird, auch ganz Märchen, auf einmal zum Geisterschiff. Die Investorin möchte lieber ein südamerikanisches Pueblo als eine niedersächsische Kleinstadt. Eine Rückführung ist zu teuer. Ohne Kapitän und Crew treibt das Schiff auf dem Ozean, und die Passagiere beginnen zu meutern. Verkauft und nicht abgeholt, orientierungs- und ziellos, frustriert, misstrauisch. Wie wird ihre Geschichte weitergehen, wer wird sich ihrer annehmen, und wo wird man stranden? Ihre Ängste manifestieren sich in einer geheimnisvollen Gestalt, die jede*r gesehen haben will, die aber keiner genau beschreiben kann. Eine mythenhafte Gestalt des Ozeans.

Erlösung naht durch eine Cola, trinkbarer Konsum. Die süßen Perlen des Softgetränks lassen einen Heimat, Herkunft und die eigene Geschichte vergessen. Der Mensch ist längst Ware geworden, nutzbar, verfügbar, sein Schicksal der Ökonomie unterworfen.  »Ein Gespenst geht um in Europa. Es heißt Gute Laune.« Gelenkt von der merkwürdigen Sehnsucht, stets glücklich zu sein, irren die Glücklichen und die Traurigen über die Meere und durch ihre Gedanken. Eine melancholische, verdichtete Suche danach, was das Leben lebenswert macht, was den einzelnen ausmacht und was – und vor allem: wer – davon übrigbleibt im Wechselspiel mit Befindlichkeiten, Wirtschaft, Politik und Macht.

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Fragen an die Regisseurin Patricia Benecke

Du hast schon an vielen Theatern Stücke zur Weihnachtszeit inszeniert. Was gefällt Dir besonders an »Der Lebkuchenmann« von David Wood?

David Woods »Der Lebkuchenmann« kommt aus der britischen Weihnachtstheatertradition, und da ich über 25 Jahre in London gelebt habe, ist mir diese sehr nah. Die britischen Weihnachtsstücke sind oft gespickt mit Gags und Aktion und haben nicht selten auch interaktive Elemente, und das ist auch im Lebkuchenmann angelegt. Abgesehen davon erzählt das Stück auch auf enorm charmante Weise eine richtig gute Geschichte: wie man mit neuen Freunden Herausforderungen meistern und gemeinsam Lösungen finden kann, dass ein Status Quo, der sich schon seit langem schwierig anfühlt – bei uns der alte Teebeutel im oberen Regal – durch einen frischen Angang positiv verändern lässt, und natürlich auch, dass man nicht immer gleich alles wegwerfen muss.

Was ist Dir besonders wichtig bei der Arbeit an einem Familienstück, also an einem Theaterstück für kleine und große Zuschauer?

Wir hoffen ja, dass die kleinen Zuschauer von heute unsere großen Zuschauer von morgen werden, also ist mir wichtig, dass wir den Kindern, die kommen, so richtig Lust auf Theater machen. Gleichzeitig versuche ich ein Familienstück so zu inszenieren, dass auch die Erwachsenen, die es sich ansehen, in die Geschichte gezogen werden und vielleicht das ein oder andere Augenzwinkern miteinander teilen.

Warum wolltest Du gerne, dass für Deine Inszenierung in Saarbrücken der englische Theatermusiker Simon Slater neue Songs schreibt?

Simon Slater hat inzwischen für viele meiner Arbeiten Musik geschrieben. Ich wollte gerne, dass er beim Lebkuchenmann dabei ist, weil er, obwohl er regelmäßig für Londoner Inszenierungen am National Theatre, im West End oder am Globe Theatre Theatermusik schreibt, auch alle Jahre wieder für Weihnachtsstücke komponiert. Seine Erfahrung mit und Begeisterung für Familienstücke ist wunderbar, die Songs die er schreibt, machen einfach gute Laune – den Figuren auf der Bühne und uns im Zuschauerraum. Da er mit der britischen Weihnachtsstücktradition aufgewachsen ist, wusste er sofort, was für Songs unser Stück braucht.  

Was bedeutet es für Dich, Premiere zu haben?

Premiere mit einem Familienstück zur Weihnachtszeit zu haben ist immer etwas ganz Besonderes. Man kann sich während der Proben zwar ein ungefähres theoretisches Bild davon machen, worauf die Kinder wie reagieren, aber wenn dann nach den leeren Stühlen im Zuschauerraum, die man während der Probenzeit hatte, die Reihen zur Premiere voller junger Menschen sind, und man das erste Mal erlebt, wie sie sich lautstark freuen und mitgehen, ist das einfach großartig.

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»Love creates something that was not there before«

Am Valentinstag 1998 betrat am kleinen New Yorker Jane Street Theatre eine Figur die Bühne, die Kultstatus erlangen sollte: Hedwig. Als Kämpferin, Rockstar, Versehrte, Heimatlose, sang sie sich in die Herzen einer internationalen Fangemeinde und traf einen Nerv der Zeit.

Zum Artikel: »Look at the woman I’ve become« oder Wann ist eine Frau eine Frau?

Es war ein Überraschungserfolg für den Schauspieler John Cameron Mitchell und den Musiker Stephen Trask, die sich Anfang der 1990er Jahre zufällig in einem Flugzeug kennenlernten, ihre Leidenschaft für Rockmusik teilten und in Sachen Karriere beide auf der Suche nach dem nächsten großen Ding waren. Trask spielte damals in der Band eines Nachtclubs in Tribeca, dessen SqueezeBox-Parties zum Hafen wurde für »all the strange Rock’n’Rollers«, Punk-Rocker, die queere Community, Dragqueens und -kings, die eine Alternative zu den üblichen House- und Technoveranstaltungen suchten. Dort entwickelte Mitchell auf Grundlage von autobiografischen Episoden – als Sohn eines US-Generals lebte er zeitweise in Berlin; in Kansas war er mit einer deutschen Militärsgattin befreundet, die ihn zu Hedwig inspirierte – mit Stephen Trasks Songs und einer gehörigen Portion Glamrock jenen Charakter, der schließlich international für Furore sorgen sollte. Nach mehr als 850 Vorstellungen Off-Broadway wurde die Geschichte mit Mitchell in der Hauptrolle verfilmt. Die erste Broadway-Produktion 2014 mit Neil Patrick Harris als Hedwig gewann zahlreiche Preise, u. a. mehrere Tony-Awards. Im Mainstream des kommerzialisierten Betriebes angekommen, gecovert, kopiert, hat sich Hedwig ihren Underdog-Charme bewahrt. Sie tingelt mit ihrer Band The Angry Inch weiterhin über die großen und kleinen Theaterbühnen und erzählt in zehn Songs, deren musikalischer Horizont von Glamrock über Punk und Country bis zu Rockballaden reicht, ihre Geschichte.

Die Musik war Hedwigs erste Liebe. Aufgewachsen als Hansel Schmidt in Ostberlin, vom Vater verlassen und der Mutter mehr geduldet als behütet, hört der einsame »irregeleitete Girlyboy« in der Enge seines Ofens amerikanische Rocksongs aus dem US-Army-Radio und in ihnen eine ungekannte Freiheit. Mitte zwanzig, ungeküsst und der Universität verwiesen, öffnet sich eine Tür in eine bessere Welt in der Begegnung mit dem amerikanischen GI Luther Robinson. Auf Spaziergang durch die Ruinen Berlins verguckt sich dieser in den zarten Hansel und lockt ihn als Sugar Daddy mit Milky Ways und Gummibärchen in den goldenen Westen. Den Geschmack von Liebe und Freiheit im Mund willigt Hansel zur Hochzeit mit Luther ein. Mit Perücke, gefälschtem Pass und dem Namen der Mutter fehlt noch ein entscheidendes Detail zum Glück: Um heiraten und ausreisen zu können, muss er ganz Frau werden. Luther und die Mutter drängen ihn zu einer Geschlechtsoperation. Doch der Eingriff geht schief und hinterlässt zwischen ihren Beinen jenen »angry inch«, eine zollgroße vernarbte Wulst, die sie fortan zwischen den Geschlechtern stehen lässt. Das erhoffte Glück weicht nüchternen Tatsachen. Schon bald von Luther verlassen, muss Hedwig in der Tristesse eines Trailerparks im tiefsten Kansas am Fernsehbildschirm mitansehen, wie in Berlin die Mauer fällt. Fortan schlägt sie sich mit Gelegenheitsjobs durch – Auftritte in schäbigen Bars, Babysitten, Prostitution. Sie nimmt sich des Teenagers Tommy an, bringt ihm alles über Musik bei und meint in ihm ihre große Liebe, ihr verlorengeglaubtes Gegenstück gefunden zu haben. Doch auch hier findet sie kein Glück: Tommy lässt sie fallen, als sich seine große Rockkarriere anbahnt. Während er in Stadien ihre Songs spielt, reist Hedwig ihm mit ihrer Band The Angry Inch hinterher. Immer an ihrer Seite ist Roadie-»Ehemann« Yitzhak, der Hedwigs permanenten Provokationen und Attacken infolge ihrer eigenen ausgesetzt ist, bis auch sein Moment kommen wird.

Hedwigs Geschichte kann als düsteres Märchen über ein Kind gelesen werden, das ohne Liebe aufwachsen musste und schon früh seine Einzigartigkeit entdeckt. Ihre Suche nach Liebe und Vervollkommnung fußt auf einer Episode in Platons »Symposium«, auf die der Song »The origin of love« Bezug nimmt. Im Mythos von den Kugelmenschen erklärt dort der Komödiendichter Aristophanes die Herkunft sexueller Vorlieben in Form einer Allegorie: Ursprünglich war die Menschheit in drei Geschlechter unterteilt, denn es gab neben männlichen und weiblichen ein drittes, das Anteil an beiden hatte. Ihre Körper waren von kugelförmiger Gestalt mit zwei Köpfen, vier Armen, vier Beinen und zwei Geschlechtsteilen. Zeus, der die Kraft und Übermacht der Kugelmenschen fürchtete, schnitt sie in zwei Hälften, damit sie den Göttern nicht gefährlich werden konnten. Seitdem sind die Menschen von der Suche getrieben, sich mit ihrer verlorengegangenen ursprünglichen Hälfte zu vereinen. Aus Mitleid verlegte Zeus ihre Genitalien nach vorn, damit sie Kinder zeugen oder wenigstens in der Vereinigung Befriedigung finden konnten. So kam das Begehren in die Welt. Jener Mythos, der letztendlich ein binäres Geschlechterverständnis nicht überwinden kann, wird zu Hedwigs Urerzählung. Ihre Liebesphilosophie steht somit konträr zu der katholisch geprägten Sicht Tommys, der sein Verständnis des Begehrens auf die Genesis und den Sündenfall bezieht. Bezeichnenderweise tauft sie ihn mit dem Namen »Gnosis« für Erkenntnis. Dass sie diese durch die schmerzvolle Enttäuschung revidieren muss, sich auch hier etwas vorgemacht zu haben, ist eine weitere Etappe auf ihrem Weg zu sich selbst.

Hedwig erzählt auch über die transformative Kraft der Kunst. Auf der Grenze zwischen den Geschlechtern stehend, begegnet sie der körperlichen und seelischen Versehrtheit, dem Gefühl der Unvollständigkeit und dem Ausloten der eigenen Identität mit einer Performance. Schillernd, erotisch, provokant: Glam heißt das Zauberwort, das hier Pate steht für einen Stil, der in den 1970er Jahren ausgehend von Großbritannien zahlreiche kulturelle Bereiche wie Mode, Musik, Film und bildende Kunst erfasste. Glam lässt sofort an extravagante Outfits, wilde Frisuren und grelle Schminke denken. Der Bruch mit allem Natürlichen, Authentischen – wie es die Hippiebewegung intensiv auslebte – bedeutete eine Überbetonung des Künstlichen in jeglicher Hinsicht. Der eigene Körper wurde mit Hang zum Exhibitionismus eingesetzt, um sich außerhalb der Norm zu verorten. Mit Strategien der Selbstinszenierung konnte man in den Status eines strahlenden Superstars, eines schillernden Aliens oder eine glamouröse Hollywood-Rock-Diva gehoben werden. Begriffe von Weiblichkeit und Männlichkeit begannen sich hin zu einem diffusen Geschlechterverständnis aufzulösen: Jungs trugen Frauenkleider, Mädchen spielten die harten Kerle, androgyne Facetten wurden betont. Die Tradition des Crossdressings in den performativen Künsten als Vorreiter des Drag beginnt sich hier weiter auszudifferenzieren. Das Spiel mit wechselnden Rollen und Masken durchdringt die (Selbst-)Darstellung von Leben und Identität in einer Welt moderner Konsumkultur und Massenmedien.

Unter dem glitzernden Mantel der Rockmusik steckt eine Pre-Punk-Attitüde, die die soziale Ordnung gehörig in Frage stellt. Indem Identitäten als fluide, zersplittert und wandelbar verstanden werden, stellt Glam implizit die Frage, ob so etwas wie vorgegebene Identität überhaupt existiert.

David Bowie ist mit seinen außerirdischen Inszenierungen, den androgynen Verwandlungen und ständigen Neuerfindungen sowie der Massenkompatibilität seiner Musik unerreichter Prototyp dieser Zeit. Bei aller Ambivalenz ihrer Inszenierungen und der nicht zu unterschätzenden Bedeutung für die homosexuelle Emanzipationsbewegung ist die Glam-Rock-Szene doch vorrangig männlich: Neben Marc Bolan und T.Rex, Slade, Roxy Music, The New York Dolls oder auch Lou Reed, um nur einige zu nennen, ist Suzie Quatro in den 1970ern eine der wenigen weiblichen Superstars. Unter Einfluss der sich überlappenden Glam-Punk-Rock-Szene standen auch Musiker wie Iggy Pop und Lou Reed oder später Bands wie Queen, Kiss oder The Runaways mit Joan Jett. Die Strahlkraft des Glam reicht weit über die Zeit hinaus zu Punk, Disco, bis hin zu unterschiedlichen Pop-Rock-Größen von heute wie Peaches, Marilyn Manson, Beyoncé oder Lady Gaga, die das Erbe des Glam auf je ihre Art weitertragen.

Hedwig reiht sich mit ihrer Performance ein in die Riege der ikonischen Rockstar-Figuren, die mit dem Ungreifbaren und Doppeldeutigen spielen. Unter der schillernden Oberfläche offenbaren die Songs immer weitere Facetten ihrer selbst und lassen ein bisschen tiefer hören, ein bisschen mehr verstehen und fühlen, wer sich unter all den Schichten eigentlich verbirgt.

Stephanie Schulze

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Wie ein Thriller

BW Was hat dich daran gereizt, dieses Stück zu inszenieren und zu choreographieren?

DV Für die Premiere der Produktion in Düsseldorf inmitten der Pandemie im Herbst 2021 haben wir ganz pragmatisch Stücke gesucht, die mit einer kleinen Besetzung auskommen. Deshalb haben wir das Stück dort auch in einer kleineren Orchesterfassung gespielt. Nichtsdestotrotz hat mich dieses Stück schon länger fasziniert, weil es wie ein gruseliger Thriller ist. Es passt gut in eine Zeit, in der von Kriminalgeschichten und True-Crime-Podcasts eine große Anziehungskraft ausgeht.

Bei der intensiveren Beschäftigung ist mir aufgefallen, wie stark das Libretto die Psychologie der Figuren betont. Das entspricht sehr meinem Zugang zum Regieführen, nämlich eine Welt aus den Figuren, aber auch aus ihren Widersprüchen zu erschaffen. Dabei kam die Idee auf, die Räume, die sich hinter den sieben Türen in der Burg befinden, nicht nur – wie im Libretto vorgesehen – über Lichtstrahlen zu erzählen, sondern ihnen eine »Seele« zu geben: durch die in der Burg gefangenen Seelen. Erst am Ende stellt sich heraus, dass die drei Tänzerinnen, deren Rollen zunächst geheimnisvoll bleiben, Blaubarts Gefangene sind.

BW Die Oper nimmt zwei Strömungen ihrer Entstehungszeit auf: die Psychoanalyse, also der Beschäftigung mit der Psyche eines bestimmten Menschen, und den Symbolismus, der von Konkretem abstrahiert. Was bedeuten die Türen vor diesem Hintergrund?

DV Die Türen stehen natürlich für Blaubarts dunkles Seelenleben, in das Judith Licht und Wärme zu bringen versucht. Aber en détail ist das gar nicht so klar, analog zur komplexen menschlichen Psyche. Sie sind in unseren Augen nicht einfach biographische Stationen Blaubarts, sie folgen keinem stringenten Programm. Wir sind daher schnell zu dem Schluss gekommen, dass jede Tür einer eigenen Logik gehorcht – Blaubart zeigt etwa bereits im Libretto manche bereitwillig vor, andere nicht. Wir haben versucht, die Essenz aus jedem Moment des Stücks herauszuziehen. Der Kontext des ganzen Stücks ergab sich dann aus den einzelnen Momenten heraus und nicht umgekehrt.

BW Wir sehen eine Paarbeziehung, die permanent zwischen Anziehung und Abstoßung changiert. Was treibt Blaubart und Judith an?

DV Eine besondere Herausforderung, vor allem natürlich für die Sängerin, ist Judiths erster Auftritt zu Beginn, denn wir wissen wenig über ihre Motivation, sich mit Blaubart einzulassen. Wir erfahren, dass sie zuvor einen Lebensplan hatte und heiraten sollte. Offenbar war ihr das nicht spannend genug, sodass sie mit Blaubart durchbrennt auf der Suche nach Intensität, wie es unser Bühnenbildner Markus Meyer treffend gesehen hat. Eine Art Angstlust fesselt sie an Blaubart, denn sie kennt die Gerüchte um ihn. Auch er selbst spricht das an und beruft sich damit im Stück auf das alte Blaubart-Märchen, demzufolge er seine drei ersten Frauen umgebracht hat – was bei Bartók ja anders ist: Hier versucht er sie zu »sammeln«, zu konservieren. Mit diesem Hinweis lässt er sie die Gefahr spüren und so beginnt ein Spiel aus Verlockung und Risiko.

Andererseits denke ich, dass Blaubart tatsächlich auf der Suche nach der wahren Liebe ist. Bei zu viel Nähe allerdings kehrt sich das um. Er hat offensichtlich eine Art Persönlichkeitsstörung, die ihn zum Täter macht, der die Frauen fängt und festhält: in einem Zustand zwischen Leben und Tod. Das finale Bild von Eis und Kälte haben wir in Anspielung auf die Kryotechnologie gewählt, die durch Einfrieren versucht, ein Leben zu bewahren und bis in bessere Zeiten zu verlängern.

BW Judith könnte ja im Prinzip jederzeit gehen, wenn sie wollte. Wie siehst du ihr Verhalten in dieser Situation?

DV Lange konnte ich nicht nachvollziehen, warum sich Judith am Ende freiwillig in die Reihe der gefangenen Frauen einreiht. Sie gibt schließlich beim Machtpoker auf, ist völlig gebrochen und machtlos. Sie scheint sich ihm so sehr ausgeliefert zu haben, dass sie nicht mehr wegkommt.

Gerade das ist ein häufiger Widerspruch, wenn es um das Verhalten in toxischen Beziehungen geht: Menschen sehen keinen Ausweg, obwohl sie vernünftigerweise einfach die Koffer packen und die Beziehung beenden sollten. Stattdessen sind sie psychisch gefangen. Ab der Tür, hinter der sich der Garten befindet, geht es auch Judith so, weil Blaubart die Oberhand gewonnen hat. Am Anfang hat man das Gefühl, dass Judith die Seelenreise steuert; er vermittelt ihr dieses Gefühl, indem er sich selbst kleinredet. Damit entlockt er ihr immer stärkere Liebesbekundungen und macht sie umso abhängiger.

BW Wenn es sich um ein inneres Gefängnis handelt, wofür dann steht die Burg?

DV Die Burg ist eines der vielen Symbole, die das Stück aufruft. Für mich war es interessanter, von der Burg als konkretem Raum zu abstrahieren, um einen Seelenraum darzustellen. Im Stück wird das Gemäuer kaum beschrieben, es wird eher auf die ständige Dunkelheit hingewiesen. So wirkt die Burg auf Judith wie ein großes Geheimnis.

Neu ist in der Version, die wir hier für Saarbrücken erarbeitet haben, dass sich die Burg durch ein Tänzerkollektiv manifestiert. Man könnte die Tänzer als allegorische Gestalten bezeichnen, die keine konkrete Aufgabe im realistischen Sinn erfüllen, sondern analog zur Idee der Burg als Nicht-Ort abstrakte Wesen sind. Sie lassen die Ungreifbarkeit der Seelenzustände Gestalt werden.

BW Bartóks Musik ist eine Opernmusik, die sich sehr eng aus der ungarischen Sprache speist. Wie choreographiert man eine solche Musik?

DV Zunächst freue ich mich, in Saarbrücken endlich Bartóks große Originalbesetzung im Orchestergraben zu hören. Seine Musik erzählt, teils auch mit sehr spielerischen, fast folkloristischen Motiven, was unter der Oberfläche des Texts passiert. Außerdem schafft sie einen großen Gesamtbogen: Es gibt keine Unterteilung in Szenen, alles ist beständig im Fluss. Selbst Anfang und Ende der Oper markieren keine Zäsuren, sondern wirken, als hätte die Musik längst begonnen bzw. würde sich weiter fortsetzen. Ein geniales Stück!

Als Choreograph gibt es verschiedene Wege, Musik zu begegnen: Man kann die Musik in ihrer Struktur und Form im Tanz visualisieren, ihre Stimmung in tänzerische Bilder überführen oder ihr etwas ganz Eigenes, Komplementäres entgegensetzen. Ich habe in diesem Stück mit allen drei Wegen gespielt. Es gibt sehr konkrete Momente, in denen man die Musik zu sehen glaubt bzw. ihre Atmosphäre unmittelbar umgesetzt wird. Daneben existieren auch Passagen wie die des Tränensees hinter der sechsten Tür, in der sehr ruhige Musik auf hektische, schnelle Bewegungen der Tänzer stößt, die die latente Unruhe, aber auch Trauer der Szene zum Ausdruck bringen. Ebenfalls in der Choreographie wollte ich mir so die Freiheit bewahren, die Besonderheit eines jeden Moments ohne ein starres System darzustellen.

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»Look at the woman I’ve become« oder Wann ist eine Frau eine Frau?

Dein Debüt am Saarländischen Staatstheater ist eine Wiederbegegnung mit Hedwig. 2017 hast du in dieser Rolle dein professionelles Musical-Debüt in Frankfurt gegeben. Wie beschreibst du deine Beziehung zu dieser Figur?

Zum Artikel:  »Love creates something that was not there before« – Hedwig erzählt von der Liebe

Hedwig ist für mich musikalisch und inhaltlich eine der spannendsten Figuren im Musical. Mit all den Realitäten, die sie an dem Abend bespricht, gibt es so wahnsinnig viel Irreales. Da ist natürlich gleich die Frage nach ihrer Identität: Ist sie eine Frau? ist sie eine Dragqueen? Ist sie trans*? Oder nichts von dem? Eigentlich passt sie in diese ganzen Muster überhaupt nicht hinein, sondern sie ist eine Kunstfigur. Gleichzeitig trägt sie ganz viel Wahrheit in sich, indem sie so viel von sich preisgibt. Mich fasziniert die Annahme, dass sie jeden Abend eigentlich neu entscheidet, was sie in dem Konzert über sich erzählt und was nicht. Und mit dieser Dynamik spiele ich: Was ist wahr? Was ist übertrieben, vielleicht erfunden?

Welche neuen Seiten hast du an Hedwig kennengelernt?

Das habe ich mich neulich auch gefragt. Mache ich eigentlich alles genauso? Natürlich habe ich meine Art, Hedwig zu sprechen, mich auf diesen hohen Schuhen zu bewegen, meine eigene Körperlichkeit. Damals in Frankfurt war ich die Zweitbesetzung. Hier in Saarbrücken kann ich viel mehr Kreieren, meine eigene Hedwig erfinden. Ich muss gar nicht jede Frage über Hedwig beantworten können. Das kann jede Produktion und jede*r Zuschauer*in für sich neu. Die Dinge in einer Uneindeutigkeit zu belassen, macht es so spannend.

Hedwig zieht ihre »OneWoMan*Show« durch und doch setzt sie sich ständig ins Verhältnis zu den Anderen – den Anwesenden, und vielleicht noch entscheidender, zu den Abwesenden, besonders ihrer verlorenen Liebe Tommy.

Der Abend ist auch deswegen so besonders und unberechenbar, weil Hedwig relativ wenig mit den anderen Personen auf der Bühne agiert, sondern wichtiger ist das Spiel mit dem Publikum. Natürlich habe ich einen Text und die Inszenierung, aber das, was an diesem Abend passiert, ist ganz entscheidend von den Reaktionen der Zuschauer*innen abhängig. Das mag ich. Hedwig hat Spaß daran, die Episoden aus ihrer Vergangenheit wirklich erlebbar zu machen und das Publikum in ihre Geschichte reinzuziehen. »Das spielen wir jetzt mal eben zusammen nach,« übertrieben gesagt. Sie hat Spaß daran, den Personen aus ihrer Vergangenheit ihre Stimme zu geben, ihre einzigartige Körperlichkeit. Über Jahre hat sie sich eine Performance gebaut, um die eigene Geschichte einerseits künstlerisch zu verarbeiten. Andererseits gibt ihr das ein Gefühl von Sicherheit. Wie ein Panzer, der sich dann im Laufe des Konzerts nach und nach dekonstruiert. Sie könnte das ja alles viel blumiger malen. Aber sie geht immer dorthin, wo es weh tut. Es gibt Momente, an denen sie tiefer blicken lässt, dann aber schnell wieder versucht, Fassung zu gewinnen. Sie bricht zusammen, geht ab, zieht sich um und kommt strahlend wieder hervor. Alles wieder gut. The show must go on.

Welche Rolle spielen Kostüm, Perücke und Schminke? Ist das mehr Fassade oder wichtiger Teil der Identität?

Das ist Fassade, Selbstschutz, und gleichzeitig wichtiger Teil ihrer Selbstfindung. Hedwig steht zwischen Mann und Frau, ist aber ganz klar eine Fiktion mit dieser schiefgegangenen Operation. Sie klebt sich Brüste an und hat diesen »angry inch« da unten, alles Weitere wird ja gar nicht thematisiert. Das ist ja anders als bei transidentitären Menschen, die sich im falschen Körper fühlen. Für mich ist sie eigentlich nach wie vor ein schwuler Junge, dem es der Schritt in die Freiheit wert war, sein Geschlechtsteil zu opfern. Dabei ist die Fassade eine weibliche. Und wenn die Welt von ihr will, dass sie nur als »Frau« frei sein kann, dann zeigt sie der Welt, was eine »Frau« alles sein kann. »You’ll buy me the dress, and I’ll be more woman than a man like you can stand«, heißt es in ihrem Song »Sugar Daddy«. Dann bin ich mehr Frau, als eine Frau je sein könnte – diese Haltung habe ich mir für meine Hedwig vorgenommen. Sie ist kein Mensch für halbe Sachen. Diese Show erzählt aber auch etwas darüber, wie sie ohne Schminke, ohne Fassade, ohne die Anderen, vielleicht sogar ohne die Musik allein mit sich selbst glücklich sein kann.

Gelingt es ihr in der Musik näher bei sich selbst sein?

Die Musik ist ihre erste große Liebe. In der Musik kann sie sich mit all ihren Facetten ausdrücken, in ihre Songs hat sie alles von sich reingelegt. Dort hat sie eine Souveränität, die sie sonst nicht hat. Und wo sie die Kontrolle hat, da kann sie es auch ausstrahlen. An dem Konzertabend verliert sie diese eben immer wieder zwischen den Songs.

Musikalisch mäandert der Abend zwischen Glam-Rock, Grunge, Country und soften Rock-Balladen. Gibt es einen Song, in welchem du Hedwig am nächsten kommst? Einen Lieblingssong?

»Wig in a box«. Der Song ist musikalisch extrem vielseitig und macht dabei unglaublich Spaß. Eigentlich bringt er genau ihre Geschichte auf den Punkt. Sie muss den Weg, den sie eingeschlagen hat, weitergehen, um ihr Glück zu finden und erfolgreich zu sein, und sei es mit Make-Up und Perücke. Die Perücke ist ein Relikt aus einer anderen Zeit und wird zu einem wichtigen Symbol; sie kann sie immer wieder aufziehen und sich damit rausziehen aus dem Loch. Gleichzeitig ist das wie ein Bumerang: Sie kommt immer wieder dorthin zurück. »The origin of love« – »Bevor die Liebe entstand« ist auch ein zentraler Song, denn er erzählt uns, woher ihre Suche nach der anderen Hälfte kommt. Die Songs sind vielleicht eher noch ein Fenster zu ihrer Seele als die gesprochenen Texte.

Seit der Uraufführung von »Hedwig and the Angry Inch« sind 25 Jahre vergangen. Wie ist das Stück für dich im Hinblick auf seine politische Agenda gealtert?

Auch wenn queere Themen und Anliegen der LGBTQIA+-Community mehr ins Bewusstsein gerückt sind, gibt es noch viel Unsicherheit. Vielen, mich eingenommen, fällt es schwer, da genau zu differenzieren. LGBTQIA+ – was ist aktuell der richtige Ausdruck? Das verändert sich oder wird von Gruppe zu Gruppe anders definiert. Was versteht man jetzt unter Begriffen wie »trans« oder »nicht-binär«? Wie werden Grenzen gezogen? Und woher weiß ich, was das Selbstverständnis dieser oder jener Person ist? Andererseits nehme ich heute auch einen großen Verdruss gegenüber dem Thema war – ähnlich beim Thema Gendern. Das ist so ein »Hassfeld« geworden für Anti-LGBTQIA+ Einstellungen. Und das ist dramatisch. Ähnlich wie beim Umgang mit der Klimakrise. Da gibt es auch eine Anti-Haltung aus Angst, die eigene Komfortzone bedroht zu sehen. Hedwig ist ja keine typische queere Rolle bzw. sie ist als Kunstfigur vielleicht wenig beispielgebend. Vielleicht auch, weil ihr eigentliches Thema ist, wie man im Leben Liebe, Glück und das Gefühl von Ganzheit finden kann. Und das ist in erster Linie eine sehr universelle Sehnsucht.

Das Gespräch führte Stephanie Schulze

Fotos: Martin Kaufhold (Hauptprobe, 20.10.2023), Svenja Drewitz (Lukas Witzel)

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Endstation rotes Sofa

Wer kennt es nicht: Am Wochenende wünscht man sich, sich für die Mühen einer Arbeitswoche eine Belohnung zu erlauben. Was könnte besser passen, als ein Besuch im Theater? Dies gilt umso mehr, wenn es nach der Vorstellung die Möglichkeit gibt, sich nicht nur mit den ebenso »theaterstimmungserhitzten« Nachbar*innen aus dem Publikum zu unterhalten, sondern auch mit den Leuten, die wochenlang in die Marterie des Stückes ein- und mit einem fertigen Theaterstück wieder daraus aufgetaucht sind. Oder um es in drei Worten zu sagen: »Das rote Sofa«. Was zunächst nichts mit Theater zu tun haben scheint, ist am Staatstheater rundum bekannt: Bei dieser, nach ausgewählten Vorstellungen im großen Haus stattfindenden Veranstaltung, lädt Chefdramaturg Horst Busch dazu ein, Ensemblemitgliedern Fragen zu stellen und das Stück durch die Augen derjenigen zu sehen, die daran beteiligt sind.

Verena Bukal, Christiane Motter und Fabian Gröver in »Endstation Sehnsucht« (Foto: Jennifer Hörr)

In der Spielzeit 2023/2024 eröffnet Horst Busch diese Reihe von Theatergesprächen am Freitag, den 22. September nach der dritten Vorstellung von »Endstation Sehnsucht« und bittet dazu den Regisseur und neuen Schauspieldirektor des Hauses Christoph Mehler zum Gespräch. Nachdem also alle »Endstation Sehnsucht« – Nerds, die das Angebot gerne wahrnehmen wollen, im Schillerfoyer eingetrudelt sind und sich mit Getränken und Snacks versorgt haben, erzählt Mehler zunächst von seiner Motivation den Klassiker Williams´ als Eröffnungspremiere der neuen Spielzeit zu wählen.

Bereits hier kristallisiert sich der Blick des Schauspieldirektors aufs Theater allgemein heraus: Er versteht es als ein Vergrößerungsglas von dem, was in der Welt vorgeht, was die Menschen bewegt und womit sie zu kämpfen haben. Und diese Dinge sind meist – und bei Tennessee Williams im Besonderen – zeitlos. Schließlich hat und wird es immer Menschen geben, die sich fühlen, als ob sie anders als der Rest der Welt sind und auch das Pendeln zwischen einer Sehnsucht nach Magie und dem Festhängen in der schmerzlichen Realität ist kein Alleinstellungsmerkmal der Protagonistin Blanche.

Mehler stellt auch fest, dass er seinen Beruf zwar für das Publikum ausübt, aber natürlich die Inszenierung aus seinem persönlichen Verständnis des Stoffes und seinen Assoziationen und Wünschen resultiert – und auch aus denen der Darsteller, für die der Schauspieldirektor sehr wertschätzende Worte findet und deren »eigener Wahrheit« er Raum lassen will.

Ob es diese Einstellung ist, wegen derer Mehler so entspannt damit umgeht, als auch ein kritisches Feedback aus den Reihen der gesprächsfreudigen Zuschauer*innen kommt? Selbst wenn nicht, ist Mehlers Umgang damit genau richtig; schließlich darf und soll das »rote Sofa« mehr sein, als ein Platz für Selbstbeweihräucherung und Lobeshymnen.

Fabian Gröver und Gregor Trakis als Mitch und Stanley  (Foto: Jennifer Hörr)                                                                                   

Am 22. September ist es sogar kurz Bühne für ein klares Statement in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung, da Mehler nach Ansprechen der Figur Stanley klarstellt: »Wir müssen uns von solchen Männern befreien!« und betont, dass Stanley keinesfalls eine Vorbildfunktion oder eine das Männerbild prägende Stellung einnehmen darf. Weitere Themen im Laufe des Gesprächs sind die Lautstärke des Stückes, die Angst vorm Scheitern, der Einsatz des Bürger*innenensembles und der Rahmen, in dem das Stück neu interpretierbar ist.

Am Ende, nachdem selbst den enthusiastischsten Theaterliebhaber*innen die Fragen ausgehen, versucht eine Dame den Spieß rumzudrehen: »Möchten Sie denn noch was von Ihrem Publikum wissen?«. Eine Frau einen Tisch weiter schließt den Abend schließlich mit dem schönen Appell ab, öfter ins Theater zu gehen und auch mal ein Stück mehrfach anzuschauen, denn »das ist gut für das Theater und gut für uns selbst«.

Theater dürfe auch mal unangenehm sein, betont Mehler an dem Abend, von dem hier die Rede ist. Die Endstation des Abends, das »Rote Sofa« im Schillerfoyer ist dies jedoch nicht. Im Gegenteil, gerade nach so einem aufwühlenden Erlebnis, wie es »Endstation Sehnsucht« sein kann, tut es gut, sich mit seinen Fragen und Anregungen nicht alleine zu wissen.

Und um den Kreis zum Anfang hin zu schließen: Wochenenden sind ja bekanntlich sowieso für jede Geselligkeit zu haben. Damit: Bis bald, wenn vielleicht auch Sie Lust haben, ihren Fragen an »Theatermacher*innen« freien Lauf zu lassen. Lenke Nagy