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Theaterblog

Warum ein FSJ in der Dramaturgie?

»Was denkst du, sind die Aufgaben einer Dramaturgin?« hieß es in meinem Bewerbungsgespräch Anfang Mai, zu dem ich aufgeregt und mit frisch beendeten schriftlichen Abiturprüfungen erschienen war. Zugegeben, eine naheliegende Frage, wenn man sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Dramaturgie bewirbt. Und trotzdem gar nicht so leicht zu beantworten. »Der Dramaturg ist ein kleiner König, denn ohne ihn läuft am Theater nichts«, heißt es in einem Beitrag von Christian Gampert für die Reihe »Endlich mal erklärt« des Deutschlandfunks. Doch was sind dann Krone und Mantel, Zepter und Reichsapfel für die Dramaturg*innen?

Nach meinen ersten Tagen hier maße ich mir an, für mich selber schon eine Ahnung davon zu haben. Die Krone der dramaturgischen Aufgabenfelder besteht in meinen Augen (Ich bekenne mich schuldig: Es sind die Augen einer Leseratte…) aus dem Lesen und Auseinandersetzen mit Dramen und Texten aller Art. Was gibt es denn Verlockenderes, als bei seiner Arbeit ab und zu einfach in eine andere Welt einzutauchen? Mit Sicherheit nicht immer eine, die schöner ist als die echte, aber eine, die Bilder in den Kopf malt, die es dann später auf der Bühne umzusetzen gilt.

Zepter und Reichsapfel könnte man mit dem Zuschauen bei Proben, dem Schreiben von Programmheften und Ähnlichem vergleichen. Ebenfalls zwei Tätigkeiten, die mich an der Ausschreibung gereizt haben und Grund für meine Bewerbung waren.

Und der Mantel? Um in diesem etwas kitschigen Bild zu bleiben, würde ich den Mantel eines Königs als den Kontakt zu gleichgesinnten, theaterfaszinierten Menschen sehen, den ein Dramaturg/eine Dramaturgin durch seine/ihre Kommunikation mit den Personen auf, vor und hinter der Bühne hat. Ein ziemlich vielseitiger Job also.

Ob irgendwas von dem, was ich hier geschrieben habe, nach den wenigen Stunden, die ich bislang an meinem Schreibtisch in der Schauspieldramaturgie verbracht habe, Hand und Fuß hat? Mit Sicherheit nicht. Aber ich bin ja auch noch keine Königin (es soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch viele Frauen im Berufsfeld Dramaturgie tätig sind), nicht mal eine kleine. Sondern nur so etwas wie eine Besucherin, die mal ausprobieren will, wie es sich in einem Schloss lebt, um vielleicht selber irgendwann eins zu bauen. Und so lange es noch nicht so weit ist: Zuschauen, mitmachen und lernen, denn das ist, was ein FSJ einem ermöglicht. Ich jedenfalls freue mich, mich diesen drei Disziplinen in Zukunft weiter zu widmen.

Eure Lenke

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Auf ein Wort Theaterblog

»FAST ALLES IST POP.«

Gesa Oetting #PEEP! spielt im Kaufhaus, die Spieler*innen
verkörpern verschiedene Spielzeuge. Was erzählen sie uns?

Mona Sabaschus Wir begegnen Spielzeugen, die nach Ladenschluss zum Leben erwachen und sich deprimiert fragen, warum sie Ladenhüter sind. Alle hoffen auf ein Leben außerhalb des Kaufhauses, um ihren Daseinszweck zu erfüllen: zu unterhalten und Freude zu bereiten. Als die Müllpresse droht, bricht Panik aus. Sie beginnen, alle möglichen Strategien durchzuspielen, um ihren Marktwert zu steigern. Singend und tanzend buhlen sie um potentielle Käufer*innen und lavieren sich durch verschiedenste Zuschreibungen, Sehnsüchte und Glaubenssätze unserer Gesellschaft. Zwischen Imagefindung und Selbstoptimierung halten sie uns dabei gehörig den Spiegel vor.

Lea Ostrovskyi in »#Peep!« (Foto: Honkphoto).

Oetting Die Figuren bei #PEEP! äußern sich fast nur über Popsongs – wie fiel deine Wahl auf Popmusik als Ausdrucksmittel?

Sabaschus Mich interessiert die ständige Wechselwirkung, wie Pop uns beeinflusst und wir den Pop. Dabei ist Musik nur ein Aspekt von Popkultur, auf die wir uns in #PEEP! immer wieder beziehen. Fast alles ist Pop und wir sind davon unweigerlich umgeben. Popkultur ist immer auch Produkt gesellschaftlicher Prozesse, reflektiert Diskurse und nimmt diese dabei gleichzeitig für sich ein, um sie kommerziell zu verwerten. Sie ist also total ambivalent und bewegt sich somit in einem aufregenden Spannungsfeld, an dem man sich gut abarbeiten kann!
Das Gespräch führte Gesa Oetting

#PEEP!
Kammermusical von Mona Sabaschus
Mona Sabaschus
B + K Janin Lang
ML Johannes Mittl
C Claudia Meystre
D Gesa Oetting

Mit Bauer, Trapp, Ostrovskiy; Kretschmer, Hutter, Wischniowski

Band: Jochen Lauer, Johannes Mittl, Max Popp, Marc Sauer

Uraufführung: 15. September 2023, 19:30 Uhr,Alte Feuerwache

Weitere Vorstellungen:
September 22., 27., 29., 30.
Oktober 3., 6., 15., 26.

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»Journal einer FSJlerin«

28. August 2023 – Während für alle Schulkinder im Saarland dieser Tag noch in den Ferien liegt, heißt es im Saarländischen Staatstheater wieder: an die Arbeit! Oder um es im Theaterjargon zu sagen:»Schöne neue Spielzeit!«. Dementsprechend sollen alle Neuen im Team des Staatstheaters feierlich begrüßt werden und so heißt es auch für mich um kurz nach zehn: auf in den Zuschauerraum, um zuzuhören wie Kultusministerin Christine Streichert-Clivot, Generalintendant Bodo Busse und der Kaufmännischer Direktor Prof. Dr. Matthias Almstedt ihre Gedanken zur neuen Spielzeit teilen, die altbekannten Gesichter begrüßen und die Neuzugänge im Theater herzlich willkommen heißen.

Die saarländische Ministerin für Bildung und Kultur Christine Streichert-Clivot bei der Begrüßung im Großen Haus. Foto: ©Honkphoto

Die saarländische Ministerin für Bildung und Kultur Christine Streichert-Clivot bei der Begrüßung im Großen Haus.  Foto: ©Honkphoto

Zu letzteren gehöre ich als neue Freiwilligendienstlerin in der Dramaturgie auch. Dennoch bin ich überrascht, als ich auf einmal auf die Bühne gerufen werde und zwischen neuer Souffleuse, neuen Sänger*innen und Tänzer*innen und anderen neuen Kollegen und Kolleginnen auf der Bühne stehe. Kaum bin sind wir im neuen Arbeitsumfeld angekommen und schon stehen wir Neulinge im Rampenlicht – aber so ist das wohl am Theater.

Mit »Daumen hoch« startet Generalintendant Bodo Busse in die Saison 23/24. Foto: ©Honkphoto

Insgesamt herrscht eine aufgeregte Stimmung, nicht nur aufgrund des hohen Besuchs aus dem Kultusministerium, sondern auch, weil es sich für mich ein bisschen anfühlt, wie der erste Tag in einer neuen Klassenstufe – wer sich schon kennt, freut sich über das Wiedersehen und wer neu ist, blickt gespannt und vielleicht ein bisschen ängstlich der Zukunft entgegen. Aber hier ist es dieses »gute Ängstlichsein«, bei dem man eigentlich schon weiß, dass sich alles so fügen wird, wie es soll. Und damit bleibt mir nicht mehr zu sagen als: Auf eine schöne neue Spielzeit!

Eure Lenke

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Auf ein Wort Im Gespräch mit … Theaterblog

Fragen an ULRICHSundGROSCHEN

In eurem Stück »Der lange Weg zum Wissen« geht es um Apollo 11 und die erste bemannte Mondlandung von 1969. Was interessiert euch an diesem Stoff?

Wir sind zwei dreißigjährige Frauen. Das bedeutet, dass wir mit diesem Ereignis, dass wir da ausgewählt haben, über etwas sprechen, was wir selbst nicht miterlebt haben. Wir greifen auf Erinnerungen zurück, die nicht unsere sind. Die Mondlandung ist ein historisches Ereignis und emotional sehr aufgeladen. Menschen, die wir kennen, die älter sind als wir, erzählen uns davon, wie sie die Mondlandung erlebt haben. Das hat uns interessiert und bildet schon den Kern der Frage, die uns überhaupt zum Schreiben dieses Stücks gebracht hat: Wie konstituiert sich Wissen?
Gerade die Mondlandung ist ja ein Ereignis, bei dem jeder auf der Welt hundertprozentig Mensch sein darf, auch die, denen man das sonst vielleicht abspricht, denn es heißt ja: Wir waren auf dem Mond. Der Mensch ist dazu in der Lage! Und die Freude und das Staunen darüber darf von allen Menschen auf der Welt geteilt werden. Das ist natürlich total zu hinterfragen, schließlich war die Mondlandung Teil der Dynamik des Kalten Kriegs aus Wettrüsten, Drohgebärden und vorgetäuschter Stärke. Aber uns hat interessiert, welche Rolle das kollektive Gedächtnis einnimmt, bei der Bereitstellung von Wissen.

Ihr geht das Thema sehr phantasievoll und spielerisch an. Die Astronauten sind fast kindliche Wesen, die mit ihrem eigenen Gehirn sprechen und versuchen, sich nicht von ihren Ängsten überrollen zu lassen. Gleichzeitig sind in den Text wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten eingeflochten.

Jaja, wir sind neugierige Frauen. Wir versuchen, uns selbst immerzu in Verbindung zu bringen mit dem Wissen, der Welt und dem Theater.

Foto@Timotheé Deliah Spiegelbach

Den Mythos der Mondlandung verbindet man vor allem mit dem Astronauten Neil Armstrong, der als erster Mensch den Mond betreten hat. Die Namen der beiden anderen Astronauten gerieten in Vergessenheit. Im Hintergrund der Mission agierten Personen, deren Namen heute kaum geläufig sind. Wird eurer Meinung nach das Narrativ, das zu Ereignissen im kollektiven Gedächtnis abgespeichert wird, gesellschaftlich gesteuert? 

Der Ausdruck „gesellschaftlich gesteuert“ ist etwas heimtückisch. Da vermutet man ja direkt eine Verschwörungstheorie oder -Praxis. Aber wir sind ja die Gesellschaft, auch. Wir sind eine Masse von kleinen Menschen mit fehlerhaften Gedächtnissen.
Und leider ist es so, dass sich das Wissen über Epochen und Ereignisse verengt, und bestimmte Ereignisse an einzelnen Personen festgemacht wird. Ein Narrativ entspringt ja aus einer Geschichte. Und beim weiter Erzählen der Geschichte gehen oft leider einige Details verloren. Stille Post sozusagen. Das ist natürlich ärgerlich, wenn man auf die sogenannte Wahrheit aus ist, aber zunächst steckt da kein böser, kleiner Mensch mit einer großen, bösen Absicht dahinter. Wir finden aber: Narrative hinterfragen ist eh eine gute Sache, wir hinterfragen im »Langen Weg zum Wissen«  aber nicht unbedingt das historische Narrativ, sondern das Narrativ im Zusammenhang von Glücklichsein und Fortschritt.
Es geht auch um das Vergessen, das ein natürlicher Prozess ist, den man natürlich trotzdem verfluchen und bedauern kann. Aber das Wissen geht ja nicht verloren, nur der Zugang zu den Informationen, der Weg zum Wissen bricht ab oder geht verschüttet. Aber früher oder später kommt irgendein Kamel und frisst das Gras herunter, das über die Sache gewachsen ist. In der Hinsicht hat das kollektive Gedächtnis auch utopisches Potenzial.

Ihr nennt euch »Kollektiv für angewandte Literatur«.  Was kann man sich darunter vorstellen?

Zwei Frauen, die ihre Gehirne aneinander reiben, daraus entstehen Texte und die streuen wir uns auf die Hände und daraus machen diese Hände dann was auf Papier Oft tragen wir das dann ins Theater, manchmal vertonen wir sie oder machen aus ihnen Film. Auf jeden Fall wenden wir es an, denn Literatur, und das wissen viele nicht, kann man wunderbar ANWENDEN.
Bald wollen wir sie auf Servietten drucken für Serviettentechnik.

Wie schreibt man gemeinsam Texte?

Man nehme zwei Frauen, die ganz viel reden. Und die in ihrem endlosen Diskurs dann an einen Punkt kommen, an dem sie absolut nicht mehr weiterkommen. Die dann nach Hause gehen müssen, in die Tasten hauen müssen, um diesen toten Punkt einzukreisen wie einen Punkt, der tot ist. Und dann findet man da Krümel in diesem toten Punkt und aus dem entsteht ein Kunststoffstab zum Hochsprungshochleistungssport.

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Theaterblog

Sommerliche Literaturtipps aus der Dramaturgie

»Memoiren« von Tennessee Williams

Chefdramaturg Horst Busch verweist in seiner Lektüreempfehlung auf die kommende Spielzeit:

Die »Memoiren« von Tennessee Williams mal wieder aus dem Bücherregal zu holen oder sich antiquarisch zu besorgen, das lohnt sich. Was für eine spannende Lektüre über das Leben dieses Autors und sein dramatisches Schaffen! Ich freue mich schon jetzt auf die Eröffnungspremiere »Endstation Sehnsucht« am 16. September im Großen Haus des Saarländischen Staatstheaters.

Zeruya Shalev: »Schicksal«

Musiktheaterdramaturg Benjamin Wäntig empfiehlt den Roman einer großen israelischen Schriftstellerin:

Erst im Nachklapp einer Reise nach Israel im letzten Sommer habe ich »Schicksal«, den neuesten Roman von Zeruya Shalev, gelesen, der viele meiner Eindrücke in neuer Weise vertieft hat. Sie verwebt eine bisweilen etwas larmoyant erzählte Familiengeschichte – aber in den richtigen Momenten mit großer Nüchternheit – mit den verdrängten Widersprüchen der israelischen Gesellschaft und Geschichte. Ein komplexes Buch über ein komplexes Land, aber gerade deshalb lohnenswert.

Mithu Sanyal: »Identitti«

Und Ballettdramaturg Klaus Kieser schlägt eine köstliche Auseinandersetzung mit einem Thema der Zeit vor:

Was passiert, wenn sich eine (hellhäutige) Deutsche als Inderin ausgibt, um so zur Professorin für Postcolonial Studies aufsteigen zu können – und dann demaskiert wird? Mit großer Lust am verbalen Schlagabtausch lässt uns die deutsch-indische Journalistin Mithu Sanyal in ihrem ersten Roman »Identitti« teilhaben an den Hysterisierungen der gegenwärtigen Gesellschaft. Hier bekommt jede Position ihr Fett weg.

Stefan Moster: »Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels«

Marketingchefin Ines Schäfer begibt sich auf eine literarische Kreuzfahrt voller überraschender Wendungen:

Vor Monaten sind Mutter und Sohn im Streit auseinandergegangen. Seither: Funkstille. Nun befinden sich beide, ohne es zu ahnen, auf demselben Kreuzfahrtschiff: Sie als Bordpsychologin, er als Barpianist … Wie es Stefan Moster in seinem Roman »Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels« schafft, zwischenmenschliche Beziehungen, deutsch-deutsche Geschichte, Flüchtlingsschicksale und die Liebe zur Musik miteinander zu verknüpfen, ist geradezu meisterhaft. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite – ein Buch, das ich immer wieder gern lese!

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Hinter dem Vorhang Theaterblog

Rückblick Kinderkonzert »Mona und der Turm der Stille«

nach einer Geschichte von Joschua Knauf

Neben improvisierten Klängen bekam das Publikum Musik von Luca Marenzio (ca.1553-1599), Arcangelo Corelli (1653-1713), Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) und der Komponistin Grażyna Bacewicz (1909 – 1969) zu hören.

Die beiden ausverkauften Vorstellungen wurden begeistert aufgenommen. Eine weitere Gelegenheit, die Geschichte von Mona und dem sonderbaren Turm der Stille zu erfahren, gibt es voraussichtlich auf dem Theaterfest am 10. September.

Fotos: Luca Pauer/privat