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Auf ein Wort Im Gespräch mit … Theaterblog

Einblicke in den Kommunen-Kochtopf

Gemeinsam Kochen und Essen – zentral für jede Gemeinschaft. In der Inszenierung »Die Kommune« (nach dem gleichnamigen Film von Thomas Vinterberg), die noch bis zum 15. Juli in der Alten Feuerwache zu sehen ist, geht es um eine Kommune, in der natürlich auch gekocht und gegessen wird. Das Besondere dabei ist, dass Schauspieler Fabian Gröver während der abendlichen Vorstellung in der Rolle des Steffen, live Suppe kocht. Hier einige Einblicke in den Kommunen-Kochtopf.

Sobald Steffen (Fabian Gröver) in die Kommune aufgenommen wird, beginnt er seine Kochutensilien aufzubauen. Raimund Widra und Anna Jörgens helfen ihm beim Kartoffelschälen. Foto. Martin Kaufhold

Fabian, du kochst während der Inszenierung „Die Kommune“ eine Suppe, die dann pünktlich zum Ende der Vorstellung fertig sein muss, damit die Schauspieler sie im Schlussbild gemeinsam essen können. Wie kriegst du das hin?

Das steht und fällt natürlich zuerst einmal mit der Auswahl des Rezepts. Ich habe mich bewusst für eine Suppe entschieden, die am Ende der Garzeit püriert serviert wird, da ein ‚al dente‘-Gericht dauerhafte Präsenz am Herd und ein komplexeres Timing erfordert hätte. Bei unserer Kartoffelsuppe kommt es auf 10-20 min extra Garzeit nicht an, weil am Ende eh alles durch den Stabmixer geht. Dankenswerterweise helfen mir zu Stückbeginn auch noch zwei Kolleg*innen beim Schälen der Zutaten, sonst wäre ich vor Zeitdruck vermutlich nach der ersten Szene bereits schweißgebadet.

Kurz vor dem Pürieren fügt Fabian Gröver noch ein Stück Butter in die Suppe. Foto. Martin Kaufhold

Verwendest du jeden Abend dasselbe Rezept oder haben die Kommunarden einen abwechslungsreichen Speiseplan?

Das Rezept ist immer dasselbe. Einerseits um die Requisitenabteilung, die die Lebensmitteleinkäufe erledigt, nicht immer mit neuen Aufgaben loszuschicken und andererseits auch mir, der ja nicht nur kochen, sondern auch spielen muss, eine gewisse Routine zu ermöglichen. Bisher haben sich die Kolleg*innen noch nicht über den eintönigen Speiseplan beschwert, aber wer weiß…
Zum Glück spielen wir an diesem Haus nicht „en suite“, sonst hätte ich mir bei 30 oder mehr aufeinanderfolgenden Vorstellungen wohl Alternativen überlegen müssen.

 Kannst du dich noch auf deine Rolle konzentrieren, wenn du nebenher kochst?

Ja, das geht schon, aber bis die Suppe erst einmal angesetzt ist, ist es doch eine Herausforderung. Dialogen folgen, als Figur mitdenken und zeitgleich Zwiebeln und Kartoffeln schneiden…das hatten wir auf der Schauspielschule nicht.

Bernd Geiling als Ole (rechts) darf entscheiden: Wer aus dem Publikum bekommt heute den Publikumsteller? Foto. Martin Kaufhold

Am Ende des Abends bekommt eine Person aus dem Publikum auch einen Teller Suppe. Was muss man tun, wenn man in diesen Genuss kommen will?

Am besten einen Platz in der ersten oder zweiten Reihe ergattern und dem Kollegen Bernd Geiling (alias „Ole“), der die Suppe ausliefert, hungrig in die Augen starren. Offensives Heranwinken dürfte aber auch zum Erfolg führen.
Kochen und essen ist für dich persönlich?

Das sind für mich zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich persönlich koche lieber, als dass ich esse. Kochen ist irgendwie sinnlicher, erweitert meinen Horizont.
Der Verzehr kommt mir dagegen immer fürchterlich profan vor. Anders ist es, wenn man z.B. für Freunde kocht, denn im Idealfall spiegelt sich mein „Aha-Erlebnis“ beim Zubereiten dann in den Gesichtern der Essenden wider. Klappt aber nicht immer…da habe ich dann Pizza bestellt.

Kurz vor Ende der Vorstellung…scheint zu schmecken! Foto. Martin Kaufhold

Wer die Kommunen-Suppe nachkochen möchte, findet das Rezept unter: Kartoffelsuppe mit Sauerkraut und Laugenchips in: Tim Mälzer: Neue Heimat, Kochbuch, Mosaik Verlag ISBN: 978-3-442-39338-1

Das Gespräch wurde von Simone Kranz geführt.

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Interview zu »Das Kind der Seehundfrau«

Die Kinderoper »Das Kind der Seehundfrau« um einen kleinen Sohn eines Fischers und einer zur Frau gewordenen Seehündin entführt die jungen Zuschauer*innen in arktische Gefilde. Wie die Landschaft ist auch diese Geschichte der Inuit rau, archaisch, aber auch gerade dadurch faszinierend: An einer kargen Bucht wohnt ein Mann, ganz allein, nur mit dem Meer, dem Eis und den Fischen. Eines Tages trifft er auf eine wunderschöne Frau und verliebt sich gleich in sie. Es ist eine Seehundfrau – nur ohne Fell, das sie sich ausgezogen und das er ihr heimlich weggenommen hat. Doch dann stellt er ihr die Frage: »Willst du mich heiraten?« Die Seehundfrau willigt ein, unter der Bedingung, dass er ihr nach sieben Jahren ihr Seehundfell zurückgibt und sie wieder ins Meer zurückkehren kann. Er stimmt zu und sie erleben die schönsten Jahre, die größte Liebe, die glücklichste Zeit mit ihrem Sohn Oruk. Doch schon bald kommt dessen siebter Geburtstag immer näher und seiner Mutter geht es immer schlechter …

Regisseurin Katharina Molitor und Ausstatterin Faveola Kett sprachen über den besonderen Märchenstoff mit Dramaturg Benjamin Wäntig.

BW: Wie bringt ihr das Feeling des hohen Nordens auf die Bühne?

FK: Wenn man den Raum betritt, findet man sich vor einer Landschaft aus Eisschollen wieder, die im Wasser treiben. Zusätzlich wird das Gefühl durch die limitierte Farbpalette des Bühnenbilds als auch des Kostümbilds verstärkt, welche sich nur aus Weiß-Tönen, Silber und schwarzen Konturen zusammensetzt. Und zuletzt vermitteln kuschelige Felle einerseits das Bedürfnis, sich zu wärmen und einzukuscheln, als auch die raue Wildnis, in der die Inuit leben.

Nicolas Bertholet, Carmen Seibel Foto©Astrid Karger

KM: Zusätzlich zur Notwendigkeit wärmender Stoffe kommt auch je nach Situation auch durch das Spiel der Darstellenden mit Frieren und Frösteln in manchen Momenten. Gleichzeitig ist es wichtig zu betonen, dass wir keinen Realismus aufkommen lassen wollen, und so spielen sie z. B. auch barfuß.

BW: Was unterscheidet das Inuit-Märchen von der Seehundfrau von mitteleuropäischen Märchen etwa der Brüder Grimm?

FK: Es ist sehr viel vielschichtiger und spricht viele wichtige Themen an, die einen auch als Erwachsener zum Nachdenken bringen.

KM: Es hat seine Wurzeln ganz eindeutig in einem von einer noch engeren Verbindung zur Natur geprägten Kulturkreis. Humanistische und/oder christliche Wertvorstellungen sucht man vergebens. Anders als bei den Brüdern Grimm, die häufig den im Kern archaischen Geschichten eine moralisierende Ebene beigefügt haben, gibt es keinen christlich-monotheistisch geprägten »Überwurf« im »Kind der Seehundfrau«.

Die fundamentale, existentielle Abhängigkeit von der Natur, dem Meer, den Seehunden und die gleichzeitige Notwendigkeit, die Tiere des Meeres zu jagen, zu töten und für das menschliche Leben auch zu verwerten, stellt in seiner Rohheit einen entscheidenden Hintergrund der Geschichten dar. Hier geht auch die Frage: Wie viel darf ich der Natur nehmen, wann muss ich meine Begierden begrenzen? Auch das Körperbild ist ein erfrischend direktes, unverstelltes. Wärme (auch die des menschlichen Körpers), gesunde Formen, genug »Fleisch« am Leib sind ganz klar Ideale und in einer so kalten Lebenswelt unvoreingenommen positiv bewertet. Von monotheistischer, patriarchaler Prüderie ist nichts in dieser Geschichte zu finden. Und natürlich: Das Meer, nicht der Grimm’sche Wald, ist als Bezugsraum, als Lebenswelt, aber auch als Jenseits-/Todesraum ständig anwesend und zentral in den Geschichten. Genauso die Tiere: Statt Rehen und Wölfen spielen Robben, Wale und Fische zentrale Rollen.

BW: Welche Rolle spielt die Musik im Stück? Wie klingt es?

FK: Die Musik ist die Sprache der Seehundfrau. Das Singen und die verschiedenen Laute sind ihre Art, sich auszudrücken und ihr Schicksal und ihre Sehnsucht zu artikulieren.

KM: Die Musik stellt primär eine Klangkulisse zur Verfügung, die der Geschichte Atmosphäre und ungewöhnliche Klänge zur Seite stellt. Gleichzeitig sind Musik und vor allem auch der Gesang auch ein Mittel, der »anderen« Sprache der Natur, dem Klang des Meeres, des Eises und nicht zuletzt dem Robben-Gesang (als nordische Variante des Sirenengesangs) Ausdruck zu verleihen. Das Element des Trommelns verleiht der Geschichte außerdem Züge eines schamanistischen Rituals.

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Onomatopoesie – Logbuch-Einträge im März 2023

Modul 3 – Eine Sprachkonzert beginnt

Luca und Anna sind im dritten Teil des Projekts zu Gast in Malstatt bei der Gemeinschaftsschule Rastbachtal und im Collège Claudie Heigneré in Freyming-Merlebach. Dabei ist wieder der braune Lederkoffer voller Material, aber auch ein besonderer Künstler: Dominik Tremel, Musiker und Komponist. Dominik wird die Musik des Sprachkonzerts neben der Sinfonie von Prokofjew komponieren und ist die ganze Woche mit dabei.

Im Folgenden haben wir die aufregenden fünf Tage logbuchartig zusammengefasst.

+Der Plan für diese Woche+

Montag, Dienstag, Mittwoch, 13. – 15.3.2023: Proben in der Schule Rastbachtal
Donnerstag, Freitag, 16. – 17.3.2023: Proben im Collège Claudie Heigneré in Freyming-Merlebach

Montag, 13. März 2023

9:00 + Warm-Up + Kennenlernen + Wie war der Morgen bis jetzt?

9:30 + Konzentration und Präsenz durch die Übung „Ha-So-Ka“ und „Ninja Destruction“

10:00 + Impulstraining + Gruppendynamik lernen + Improvisation mit Emotionen + Emotionsfelder und Szenen ausprobieren

12:00 + Die Gruppe lernt Prokofjew kennen + Assoziationsarbeit mit der Musik (Wörter, die man mit der Musik verbindet werden aufgeschrieben und gesichert)

14:00 +Feedbackrunde

Dienstag, 14. März 2023

 9:30 + Ha-So-Ka + Aufwachen mit Spielen

10:00 + Erste Aufnahme mit Stimmengewirr – Arbeit mit Sätzen, Emotionen, unterschiedliche Lautstärken, Zungenbrecher: „Im dichten Fichtendickicht nicken dicke Fichten tüchtig“

10:30 + Arbeit mit bestimmten Einsätzen von Musik in einer Szene

11:00 + Aufnahme von Emotionen – Eine besonderer Lachanfall bleibt besonders in Erinnerung

12:00 + Das versetzte Interview und Aufnahme

13:00 Arbeit in kleinen Gruppen:

+ Eine Gruppe arbeitet mit Dominik an Rhythmus und schreibt Raptexte

+ Luca interviewt jede*n Teilnehmende*n zum Thema Sprache

+ Anna macht Improtheater mit dem Rest der Gruppe, sammelt Musik aus dem Alltag der Jugendlichen

14:00 +Feedbackrunde

Mittwoch, 15. März 2023

9:30 +weitere Arbeit in den Gruppen

+ Rap Aufnahme mit Dominik

+ Interviews mit Luca

+ Geschichten erfinden, alternative Geschichte zur Romeo und Julia schreiben mit Anna

13:00 + Präsentation der verschiedene Szenen und Ergebnisse vor der Gruppe

14:00 + Gemeinsames Pizza Essen

+ Feedback

Donnerstag, 16. März 2023

8 Uhr + Warm-Up

+ Zungenbrecher: „Anticonstitutionellement“, „Les chaussettes de l’archi duchesse“ „panier cuit panier cru“, „Eichhörnchen, Eichhörnchen, Eichhörnchen, Eichhörnchen, Eichhörnchen, Eichhörnchen, Eichhörnchen, Eichhörnchen, Eichhörnchen….“.

9:00 + Slowmotion: Rennen voller Emotion mit Romeo und Julia Musik von Prokofjew

9:30 + Emotion Rundgang – wir übersetzen Shakespeare bereiten uns für Sprachaufnahmen vor

10:00 + Aufnahme: Dominik Tremel stellt das Mikrofon in die Mitte des Raumes und dirigiert + Aufnahme von Wörtern, Zitaten, Geräuschen, Streitigkeiten usw.

10:30 + Szenen und kleine Improvisation mit Wörtern und Bewegungen

11:00 + Wir lassen uns von „Romeo und Julia“-Versen inspirieren und verwandeln sie in Rapverse

12:00 + Feedback

Freitag, 17. März 2023

8:00 + Warm-Up

8:30 + Erarbeitung einer gemeinsamen Tanztheaterszene mit den Aufnahmen der letzten Tage

9:00 + Gesprochene Improvisation: Wir erfinden gemeinsam so viele Geschichten wie möglich in 3 Minuten

10:00 + Versetzte Interviews – Interviews décalées mit Aufnahme

10:30 + Aufnahme Rap und poetische Texte

11:00 + Luca, Dominik und Anna stellen Fragen und interviewen die Gruppe:

+ Wenn du ein Geräusch wärst, welche wäre es?

+ Was sind deine Lieblingswörter auf Deutsch und auf Französisch?

+ Welche Wörter haben dich glücklich gemacht?

11:50 + Ha-So-Ka + Feedback

Im Mai werden sich beide Gruppen wiedersehen…

Anna Arnould-Chilloux und Luca Pauer

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Das Saarländische Staatstheater aus seltener Perspektive!

Das Saarländische Staatstheater aus seltener Perspektive!

Das Saarländische Staatstheater bietet Studierenden immer wieder Praktika an, um die in der Regel sechs- bis achtwöchige Arbeit an einer Inszenierung von der ersten (Lese-)Probe bis zur Premiere kennen zu lernen.

Diesmal haben drei Schüler*innen die Möglichkeit bekommen ein Praktikum am Saarländischen Staatstheater zu machen. In diesem Artikel berichten sie von ihren Erfahrungen.

Das Saarländische Staatstheater bietet Studierenden immer wieder Praktika an, um die in der Regel sechs- bis achtwöchige Arbeit an einer Inszenierung von der ersten (Lese-)Probe bis zur Premiere kennen zu lernen.

Diesmal haben drei Schüler*innen die Möglichkeit bekommen ein Praktikum am Saarländischen Staatstheater zu machen. In diesem Artikel berichten sie von ihren Erfahrungen.

Franz – Praktikum im Orchesterbüro

Ich heiße Franz Schug, 14 Jahre alt, und bin in der neunten Klasse der Marienschule. Ich habe im Januar 2023 mein Praktikum im Saarländischen Staatstheater gemacht. Ich war in der Abteilung Orchesterbüro und Notenbibliothek eingeteilt und habe bei der Orchestertechnik geholfen.

Was mich beim Theater besonders begeistert hat, ist, wie viel Technik und wie viele Leute benötigt werden, um einen geschmeidigen Theaterbetrieb zu gewährleisten. Das ganze Theater besteht aus einem Netz von verschiedenen Tätigkeiten, die am Ende zu einem Mosaik zusammengesetzt werden, und bei dem kein Steinchen fehlen darf. Das merkt man als Zuschauer einer Vorstellung überhaupt nicht, und genau das ist ja auch gewollt.

Wenn man dann aber hinter die Bühne geht, wuseln überall Leute herum, und jeder sitzt an seiner individuellen Aufgabe. Da sieht man wieder, wie viel Arbeit und Mühe hinter einer Vorstellung stecken. Was mich erstaunt hat, ist, wie groß der ganze Bühnenbereich ist. Wenn man von der Bühne in den Zuschauerraum schaut, sieht der plötzlich so klein aus. Generell ist das ganze Theater ein Irrgarten aus vielen Gängen, Türen und Treppenhäusern. An meinem vorletzten Tag hat der Orchestertechniker Klaus Schaan mich noch einmal durch das gesamte Theater geführt. Ich hatte vorher schon ein paar Führungen und dachte, ich hätte alles gesehen. Doch dann öffnete Klaus eine Tür, und dahinter kam ein Gang mit mindestens 30 weiteren Türen, einem Treppenhaus und gefühlt einem zweiten Theater zum Vorschein.

Alles in allem war mein Praktikum eine echt tolle Erfahrung und hat mir Einblick in eine ganz andere Welt verschafft. Besser gesagt zwei Welten: Eine künstlerische Welt und eine organisatorische Welt, die im ersten Moment gar nicht zusammenzupassen scheinen, sich aber wie Zahnräder verzahnen und damit ein einmaliges (Besucher-)Erlebnis ermöglichen. Vielen Dank für diese schönen und unvergesslichen Wochen!

Alva und Pauline – Praktikum in der Theaterpädagogik

Hallo, wir sind Pauline (15) und Alva (15) und haben unser Praktikum im Januar 2023 am Saarländischen Staatstheater gemacht. Wir waren sehr zufrieden und möchten davon erzählen.

Um genau zu sein haben wir unser Praktikum in der Theaterpädagogik gemacht. In dieser Zeit durften wir verschiedene Aufgaben erledigen: Beispielsweise durften wir in verschiedensten Proben dabeisitzen, soufflieren, aber auch bei wichtigen Versammlungen oder Betriebsratssitzungen zuhören, Blumen für die Produktion „Oh, Mama!“ in der sparte4 gießen, bei theaterpädagogischen Nachbereitungen von Stücken helfen. Außerdem wir haben eine ausführliche Führung durch das Haus bekommen.

Was uns sehr gefallen hat war, dass wir jeden Tag verschiedenste Aufgaben und Tätigkeiten wählen konnten, sodass es uns möglich war in jeder Abteilung (Musiktheater, Ballett, Schauspiel, Technik, usw.) einen kleinen Einblick zu erhalten und auch viel über das Haus und die Mitarbeiter*innen zu lernen. Schön war, dass wir uns immer äußern konnten, was wir gerne noch machen würden und was uns interessiert. Man lernt unglaublich viel dazu und es herrscht ein sehr angenehmes Klima: Nie hatten wir das Gefühl irgendwo unerwünscht zu sein, z.B. in einer Probe. Eher im Gegenteil, wir wurden direkt begrüßt und unterstützt. Jeder ist hilfsbereit und aufgeschlossen. Deshalb sind wir auch sehr dankbar, dass wir diese Zeit dort verbringen durften, da wir so viel lernen konnten über die Vorgänge und Abläufe die man als Zuschauer so gar nicht mitbekommt.

Wir haben die Zeit hier sehr genossen, weil das Staatstheater kreativ, offen, bunt und vielseitig ist.

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Was machen die da?

Die Theaterpädagogik goes Instagram

In den letzten Wochen bot sich allen Mitarbeitenden im Theater ein komisches Bild: Die Theaterpädagoginnen liefen mit ihren Smartphones durch das Gebäude und filmten, was das Zeug hielt. Grund hierfür war ein Format, das den Auftakt zu einem neuen Vermittlungskanal begründen soll.

Längst ist klar, dass die vielfältigen Social Media Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok und Co. nicht mehr wegzudenken sind. Sie bieten neben dem Verbreiten von Informationen eine wunderbare Gelegenheit, in Dialog zu treten, direkten Kontakt herzustellen und ein interaktives Netzwerk aufzubauen.

Diese Möglichkeiten scheinen wie gemacht für die Theaterpädagogik. Denn diese versteht sich weniger als Vermittlerin von Wissen, sondern eher als Erfahrungsvermittlung (siehe auch Warum zur Hölle Theaterpädagogik?). Im Dienste des „Live-Events“ und mit der Absicht die Theaterkunst greifbar zu machen, wagen sie sich ins Social Web.

Erklärtes Ziel ist es durch die Arbeit auf Instagram noch mehr Menschen darauf aufmerksam zu machen, was es alles hinter der Bühne zu entdecken gibt und welch wertvolle Bildungsarbeit die Theaterpädagogik leistet.

Gesagt – getan. Der neue Instagram-Kanal @jungesstaatstheater feierte am 30. November 2022 große Eröffnung. Und das war nicht alles, denn die Gründerinnen sind direkt am nächsten Tag mit der Tür ins Haus gefallen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Denn ab dem 1. Dezember konnte man jeden Tag ein Türchen im Adventskalender öffnen. Genauer gesagt eine Tür im Theater.

Und da gab es wahnsinnig viel zu öffnen, zu sehen, zu hören und kennenzulernen: In den Werkstätten, bei Probenbesuchen oder einfach mal über die Schulter der Akteur*innen geschaut.

An dieser Stelle soll nicht zu viel verraten sein, denn alle Türchen gibt es auch immer noch auf dem Instagram-Kanal @jungesstaatstheater zu sehen.

Aber wie geht es nun nach Weihnachten und Beendigung des Adventskalenders auf unserem Kanal weiter?

Auf jeden Fall dreht sich weiterhin alles darum,dem Publikum Türen zu öffnen, die normalerweise vielleicht verschlossen bleiben würden. Die Gründerinnen möchten ihre Arbeit zeigen, Menschen vorstellen und in Workshops eure Neugier für das Theater schüren oder gar wecken.

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DIE MACHT DES ZUFALLS

Hiroshi Matsui (Padre Guardiano) | Foto: Martin Kaufhold

Benjamin Wäntig Verdis »La forza del destino« stand lange im Schatten der Nachbaropern, etwa »Un ballo in maschera« oder »Don Carlo«. Ist diese Zurückhaltung heute noch nachvollziehbar?

Lorenzo Fioroni Zeit seines Lebens war Verdi enorm experimentierfreudig, was die formale Anlage seiner Werke betrifft. Bei »La forza del destino« sucht er schroffe Brüche in der Erzählstruktur, abrupte Ortswechsel, verbindet und vermengt in der musikalischen Ausgestaltung unterschiedliche Stilhöhen. Ein an lineare, klassische Formen gewöhntes Publikum mag das in vergangenen Zeiten verwirrt haben. Ich denke jedoch, dass Verdi hier dramaturgisch seiner Zeit voraus war. Fragmentierte Erzählweisen sind wir heute weit mehr gewohnt, sie begegnen uns nicht nur in der Literatur oder im Kino, sondern sind allgegenwärtig. Multiperspektivität und eine Dramaturgie, die den Haupterzählstrang immer wieder verlässt, so wie sie Verdi hier verwendet, decken sich für mich mit der Wahrnehmung der Welt, wie sie wirklich ist: eben nicht linear und folgerichtig, sondern voller Widersprüche und unvermittelter Wendungen. Man kann dies als absurd und unlogisch abtun – so die häufig geäußerten Vorwürfe – oder aber eben gerade deswegen als wahrhaftig.

BW Wie seid ihr mit dieser Disparatheit der Oper umgegangen?

Ralf Käselau Die großen und unvermittelten Sprünge in Zeit und Raum, diese wilde Jagd quer durch Europa wollten wir gerade betonen, und darüber hinaus auch in unterschiedlicher Bildästhetik und Spielweise das Fragmentarische und Zersplitterte dieser Welt zeigen, was mit unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit heute viel zu tun hat.

LF Nicht nur geografisch spannt Verdi einen großen Bogen, sondern auch inhaltlich wählt er große gesellschaftliche Themen wie Standesdünkel, strukturellen Rassismus, koloniales Erbe, Kriegslust oder auch Macht und Ohnmacht der Kirche oder des Patriarchats, welche alle die Geschichte unseres Kontinentes tief geprägt haben. In unserer Art und Weise, wie wir das Stück erzählen wollen, sehen wir Europa wie ein aus historischen und zeitgenössischen Puzzleteilen zusammengesetztes Mosaik, durch welches sich die Protagonisten wie in einer Art Roadmovie quer durch die Zeiten gegenseitig verfolgen.

Angelos Samartzis (Don Alvaro); Pauliina Linnosaari (Donna Leonora); Amadea Lässig (Curra) | Foto: Martin Kaufhold

BW In den unterschiedlichen Akten der Oper spielt ihr also mit ebenso verschiedenen ästhetischen Welten, aber auch unterschiedlichen Ebenen von Realität und (Alb-)Traum …

RK Die Räume sind konkret gedacht, wenn auch nicht realistisch. Mich interessieren grundsätzlich Orte des Transits und Übergangs, die brüchig, kaputt und durchlässig sind, und so sind der zweite und dritte Akt angelegt. Hier finden die Orientierungslosigkeit und die inneren Zustände der Figuren eine räumliche Entsprechung, die wiederum vom Zuschauer assoziativ ergänzt werden kann. Im vierten Akt war ein Gedanke, dass sich die vorherigen, diversen Bildebenen zu einem neuen Raum zusammensetzen, eine Art »Haus Europa«, in dem sich die Spuren der Geschichte angesammelt haben. Hier überkreuzen sich auch die Lebensgeschichten der Hauptfiguren wieder.

BW Was hat dich, Katharina, für das Kostümbild inspiriert?

Katharina Gault Zwei der Akte der Oper spielen in Andalusien. Wenn man etwa die Alhambra in Granada betritt, kann man den Ursprung der Großmacht Spanien deutlich spüren. Ich war dort fasziniert von den monumentalen spanischen Keramikwänden, die mir verglichen mit den sehr feinen arabischen geometrischen Mustern und Wandgestaltungen sehr grob und fast protzig erschienen. Die Formen erschienen mir wie ein Ausdruck der wachsenden Macht. Dort wollten wir mit dem Stück beginnen: an dem Ort, wo die »neue Welt« entstand, am Anfang der Conquista, wo Kolonialismus systemisch wurde. Die Figuren sind zunächst märchen- und puppenhaft, wie Modelle ihrer selbst – sie ahnen nichts von dem Schicksalsschlag, der sie erwartet. Die erwähnten großen spanischen Muster sind auf ihren Kleidern zu sehen und erzeugen dabei auch einen Marionetten-Maßstab. Don Alvaro, der Fremde aus Peru, trägt für seine Geliebte feinste Federn und Gold und wirkt so wie eine exotische Puppe. Das Gold, das er trägt, ist gleichzeitig das Objekt der Begierde in der neuen Welt für die Spanier.

Die weiteren Akte bewegen sich in andere Zeiten und andere Räume, als wenn man ein paar Seiten der Menschheitsgeschichte weiterblättern würde und die Figuren sich darin verlaufen würden. Bei allem Chaos gibt es aber auch Konstanten: Durch alle Bilder streift zum Beispiel eine Pilgergruppe in den traditionellen andalusischen Bußgewändern mit Spitzhüten. Ihre Auftritte sowie die Musik an diesen Stellen sind Momente des Innehaltens.

RK Die Ästhetik des Puppen- und Kulissentheaters macht es möglich, überhöht und wie unter einem Brennglas aus dem Familiendrama um die heimlichen Liebenden eine politische Parabel über die Machtverhältnisse von Alter und Neuer Welt zu entwickeln. Hier geht es auch um tief verwurzelten Rassismus und Verwerfungen aus der kolonialen Geschichte Europas. Das ist ein Ballast, den Leonora und Alvaro, aber auch die weiteren Figuren mitschleppen.

BW Die drei Hauptrollen Leonora, Alvaro und Carlo sind permanent voreinander auf der Flucht, scheinen aber auch gleichermaßen traumatisiert. Schon am Anfang reden Leonora und Alvaro aneinander vorbei. Warum sind sie so unfähig, sich aufeinander einzulassen, sich gegenseitig zuzuhören?

KG Der Mangel an Kommunikation nach dem fatalen Schuss ist ein zentraler Punkt, den Verdi unter die Lupe genommen hat. Das Schicksal erscheint zunächst ein reiner Unfall, nimmt aber schnell scheinbar prädestinierte Züge an, weil die Figuren auf ihren festgefahrenen Positionen verharren. Es gibt keinen Versuch, die Situation, wie sie tatsächlich war, zu verstehen. Hätte man es versucht, wäre die »Macht des Schicksals« gebrochen worden.

Hansung Yoo (Don Carlo di Vargas) und Angelos Samartzis (Don Alvaro) | Foto: Martin Kaufhold

LF Genau, der bereits erwähnte Standesdünkel und Carlos Vorstellung einer altmodischen wie fragwürdigen Vendetta-Ehre ersticken eine Kommunikation zwischen ihnen im Keim. Interessant finde ich dabei die Entwicklung Leonoras. Oberflächlich betrachtet könnte sie als ein statischer Charakter gesehen werden, der bei jeder auftauchenden Schwierigkeit bloß nach dem Herrgott ruft. Für mich ist sie vielmehr eine zentrale Figur des Stückes auf der Suche nach sich selbst: Nachdem ihre Vorstellung einer unschuldigen, romantischen Liebe wie aus dem Bilderbuch ihrer Kindheit durch den Tod ihres zutiefst patriarchal auftretenden Vaters in Trümmer gegangen ist, rennt sie aus diesem Utopia hinaus in die Welt. Vor ihrem Trauma, dem Glauben an ihre Schuld am Tod des Vaters, flieht sie in eine Welt, die sich disparat anfühlt, die Durchgangsstation ist von allerlei – ebenso wie sie selbst – entwurzelten Existenzen. Weiterziehend sucht Leonora Halt im Wunsch, sich bei einem Kloster komplett aus der Welt zurückzuziehen und trifft dort auf Pater Guardian, dem sie sich wie einem Vaterersatz – das ist tiefenpsychologisch sehr interessant – bereitwillig und fast in vorauseilendem Gehorsam komplett unterwirft, obwohl dieser das gar nicht einfordert. Dann erlebt sie in der Gemeinschaft des Ordens einen kurzen Moment einer utopischen Freiheit: Sie ahnt, wie die Welt sein könnte, wenn diese nicht bestimmt wäre vom dauernden Urteilen und Beurteilen der Mitmenschen, sondern man einfach man selbst sein kann.

Diese Welt, aus der Leonora einen Ausweg sucht, liegt jedoch im dritten Akt in Trümmern und schaufelt sich in andauernden Kriegen selber das Grab, aus welchem die Geister der Vergangenheit, die Dämonen der alten und neuen Konflikte wiederholt auftauchen und dem Kreislauf von andauernder Vergeltung etwa nicht entgegentreten, sondern ihn vielmehr befeuern. Letztlich kann sich Leonora aus der Prädestination, aus den Fängen ihrer Familie und der Ehrbegriffe nicht befreien, und landet wieder im verstaubten Salon ihrer Herkunft, in dem, gleichsam einem schleichenden Totentanz folgend, nicht nur sie, ihr Bruder und ihr Geliebter, sondern auch eine sich der Veränderung verschließende Gesellschaft ihrem Ende entgegendämmert. Ihr verzweifelt vorgetragener, so schlichter wie ergreifender Appell in ihrer »Pace«-Arie verhallt ohne Wirkung. Was für eine Reise!

Pauliina Linnosaari (Donna Leonora) | Foto: Martin Kaufhold

BW Nach dem Fokus auf die Familiengeschichte im ersten Akt weitet der zweite plötzlich den Blick auf die Gesellschaft. Wie seht ihr die Rolle des Chors? Und welche Rolle spielt die rätselhafte Preziosilla, eine Figur ohne richtige eigene Geschichte, von der aber eine große Wirkung ausgeht?

KG Der Chor steht für ein kaltes Erwachen aus den Träumen in einer neuen Welt. Es ist eine leere, entleerte Gesellschaft auf der Flucht, in der aber auch melancholische Züge auftreten, wenn spirituelle Elemente wie der Pilgerzug auftauchen.

LF Interessant und keineswegs banal ist die Tatsache, dass Verdi selbst sein Werk als Ideendrama bezeichnete. Die erwähnte Familiengeschichte ist in der einen Waagschale der Handlung, in der anderen jedoch die erwähnten Themen wie Standesdünkel, Kriegslust, koloniales Erbe usw. Und diese werden zentral vom Chor und in den von ihm gestalteten Szenen verhandelt. Preziosilla fungiert dabei häufig als eine Art Katalysator von Gefühlen, die schon in der Luft liegen und denen sie dann eine Stimme gibt und sie somit verstärkt und antreibt. Auf der anderen Seite nimmt sie wiederholt die Position einer wissenden, auch vorausahnenden Betrachterin ein, die die Verrohung der sie umgebenden Welt mal ironisch, mal tief melancholisch oder fatalistisch betrachtet, ähnlich wie die Hexen in Shakespeares »Macbeth«.

vorn: Judith Braun (Preziosilla); Opernchor | Foto: Martin Kaufhold

BW Leonora und Alvaro glauben einerseits an ihr vorherbestimmtes Schicksal, versuchen aber andererseits, durch Flucht in die Religion darauf einzuwirken. Welche Rolle spielt die Schicksalskonzeption für euer Konzept? Kann man heute noch an ein unbeugsames Schicksal glauben?

RK Das Ende des zweiten Aktes im Kloster ist der einzige Augenblick von Utopie in dem Stück, das ist ein letztes Stück Himmel am Rand der Welt. Somit ist die Religion hier nicht Flucht vor der Realität, sondern eher eine Zuflucht.

KG Die Flucht in die Religion erfolgt bei beiden aus unterschiedlichen Gründen: Leonora flüchtet in die Einsiedelei, wo sie allein den ganzen Rest des Lebens verbringen will. Alvaro tritt ins Kloster ein, weil er dadurch seine südamerikanische Kultur ablegen will und sich Frieden in einer Gemeinschaft erhofft. Trotzdem bleiben Wut und Rachebedürfnis des Bruders stärker als all diese Bemühungen. Verdi beschreibt in diesem Stück, wie das Schicksal provoziert wird, also menschengemacht ist. Ich würde also die Frage anders stellen, nämlich: Was könnte man unternehmen, den angeblichen Schicksalszusammenhang zu durchbrechen? Bräuchte es mehr Verstand, mehr Stoizismus?

Markus Jaursch (Il Marchese di Calatrava); Pauliina Linnosaari (Donna Leonora) | Foto: Martin Kaufhold

LF Wir fragten uns wiederholt, ob das Stück in seiner Ausgestaltung nicht genauso gut »Macht des Zufalls« heißen könnte. Die Akzentverschiebung Verdis ist nämlich auffällig: Sie konterkariert die in der Entstehungszeit der theatralen Vorlage in der spanischen Literatur vorherrschende Theodizee. Die Vorherbestimmung des Endlichen unterliegt nicht mehr Gott als Inkarnation von Weltvernunft, sondern das Weltgeschehen wird vielmehr gestaltet durch eine quasi blindwütige Abfolge von Zufällen mit weitreichender Wirkung. Die menschliche Existenz ist absurd und vom Zufall bestimmt – eine Erkenntnis, die man vielmehr mit Sartre oder Camus als mit Schicksalsglauben verbinden würde.