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Hinter dem Vorhang

Vom ersten Gedanken bis zum ersten Satz vergeht sehr viel Zeit

Gespräch mit dem Dramatiker Dorian Brunz.

Die sparte4 als kleinste Spielstätte des Saarländischen Staatstheaters sieht sich als Plattform jungen Gegenwartstheaters. Am 30. März wird mit Dorian Bruns Inszenierung von »Das Kind malt« eine weitere Uraufführung hier Premiere haben. Simone Kranz sprach mit dem Autor über den kreativen Prozess des Schreibens.

Dorian Brunz, geboren 1993, studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Seine Stücke wurden bisher an zahlreichen Theatern u.a. am Deutschen Theater Berlin, am Theater Koblenz, am Schauspiel Leipzig und am Staatstheater Saarbrücken gespielt. Sein Stück »beach house« wurde zu den Autor:innentheatertagen 2020 am Deutschen Theater Berlin eingeladen. Im November 2021 wurde Dorian Brunz‘ achtteilige Hörspielserie »Alice« (Deutschlandfunk Kultur/ Bayerischer Rundfunk) von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Monats gewählt. Die Serie war für den Prix Europa nominiert. Im Jahr 2023 ist Dorian Brunz Alfred-Döblin Stipendiat der Akademie der Künste. Er arbeitet als Dramatiker und Hörspielautor in Berlin.

S. Kranz: Was bringt dich zum Schreiben?

D. Brunz: Meistens trage ich das Thema/ den Stoff schon ein paar Tage mit mir herum. Wenn das Ganze nach dieser »Abnutzung« dann immer noch genug Fragen aufwirft, ist das schon mal ein gutes Zeichen. Im besten Fall taucht das Thema plötzlich überall auf, ein bisschen so wie Schwangere, die auf einmal nur noch Kinderwagen sehen. Manchmal ist es ein Satz, oft ein merkwürdiges Phänomen oder Verhalten, das ich bei mir und anderen beobachte. Einmal war es auch eine fremde Frau in der S-Bahn, die mich an einem verregneten Novembertag getröstet hat. Mir fällt aber selten etwas ein. Es ist immer etwas, das auffällt und mich dann nicht mehr loslässt. Oft führt das dann zu einer Art Prämisse. Was wäre, wenn…? Sehr hilfreich ist es, wenn sich diese Frage nicht so schnell beantworten lässt. Vom ersten Gedanken bis zum ersten Satz vergeht also immer sehr viel Zeit. Die Stimmung und einzelne Sätze müssen mir dagegen schon früh klar sein, sonst fange ich gar nicht erst an.

S. Kranz: Du hast Szenisches Schreiben an der Hochschule der Künste in Berlin studiert. Wie ist ein solches Studium aufgebaut und was kann man dort lernen?

D. Brunz: Es gibt klassische Unterrichtsfächer wie Theatergeschichte, Philosophie, Soziologie etc. Kernstück ist aber die Arbeit in den sogenannten Werkstätten. Dort werden Texte gelesen und diskutiert, die sich gerade im Entstehungsprozess befinden. Das gemeinsame Lesen in verteilten Rollen hat mir dabei besonders gefallen. Heute weiß ich erst, dass das ein enormer Luxus war. Beim lauten Lesen merkt man schnell: Ist das wirklich ein Bühnentext? Wie ist der Rhythmus? Wo liegt der Konflikt? Es gibt außerdem Gelegenheiten, Texte mit Schauspielstudierenden auf der Bühne auszuprobieren. Später kommen Kooperationen mit Theatern oder Radiosendern dazu. Für mich war das eine völlig neue und aufregende Welt. Die Ernsthaftigkeit, mit der in den Seminaren über Texte gesprochen wird, hat mir erst das nötige Selbstbewusstsein gegeben, um zu schreiben. Erst dadurch war es mir möglich, den Blick für Ausnahme und Konflikt zu schärfen. Ich fand die Vorstellung, Autor zu sein, vorher nämlich völlig absurd und ich hätte mich niemals getraut, das auch noch laut auszusprechen.

S. Kranz: Kannst du dich noch an den Moment erinnern, als du dachtest, ich will Schriftsteller werden oder gab es den nie?

D. Brunz: Es war wie gesagt ein heimlicher Gedanke. So heimlich, dass man ihn sich verbietet bis er unsichtbar ist. Der Spaß an Figuren und Geschichten, das »als ob«, begleitet mich aber so lange ich mich zurückerinnern kann. Wenn ich als Kind im Kino war, habe ich meinen armen Schwestern danach Rollen zugeteilt, damit wir die Handlung nachspielen, abändern oder fortsetzen. Der reale Wunsch, Autor zu sein, entstand aber erst vor wenigen Jahren. Wahrscheinlich, als ich mein erstes Stück geschrieben habe. Da habe ich plötzlich gemerkt: Ich schreibe und merke überhaupt nicht, wie die Zeit dabei vergeht. Ein bisschen so wie damals beim Spielen.