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Auf ein Wort

LACHEN TUT GUT

Ulrike Jung ist praktizierende Psychotherapeutin in Saarbrücken. Dramaturgin Simone Kranz sprach mit ihr über Alan Ayckbourns Komödie.

Ein Blick auf das weihnachtliche Beisammensein im Spiegel von Alan Ayckbourns Komödie »Schöne Bescherungen«.

Ulrike Jung | Foto © Julia Baur

S. Kranz: In »Schöne Bescherungen« wird eine Gruppe von Menschen gezeigt, die das Weihnachtsfest miteinander verbringen. Zum Teil sind sie verwandt, zum Teil befreundet. Innerhalb der Festgesellschaft gibt es bestimmte Konflikte, die sich über die Festtage dramatisch zuspitzen. Wahrscheinlich kennt jeder aus dem eigenen familiären Kontext, Konflikte, die sich um Weihnachten bündeln. Für manche sind die Weihnachtsfeiertage generell belastend. Woher kommt das eigentlich? Sind die Erwartungen an die als »Heile-Welt-Fest« vermarkteten Tage zu groß – und die Realität steht dem entgegen?

U. Jung: Ja. Ich denke, dass wir Menschen oft selbst eine bestimmte Erwartung an das Weihnachtsfest haben. Wir verbinden es gerne mit Ruhe, etwas Friedlichem und teilweise auch kindlichen Erwartungen. Wir hoffen darauf, nochmal Glitzer und etwas Traumhaftes zu erleben.

Anne Rieckhof in »Schöne Bescherungen« | Foto © Martin Kaufhold

S. Kranz: So scheint es auch der Hausherrin Belinda zu gehen. Ein guter Teil ihrer Energie ist darauf ausgerichtet, den Weihnachtsbaum zu dekorieren und so eine Glitzerwelt entstehen zu lassen. Angeblich macht sie das für die Kinder aber ihr scheint das auch viel zu geben.

U. Jung: Ja genau. Auf der einen Seite sind die Erwartungen, Hoffnungen, Wünsche, Sehnsüchte vorhanden; auf der anderen Seite ist da aber das gelebte Leben mit den Menschen und den Beziehungen zu diesen Menschen, die teilweise doch sehr spannungsvoll sind. Und dann gibt es auch wieder Menschen, die gar nicht immer Teil der Familie sind und trotzdem dazugehören. Diese kommen nur an den Weihnachtsfeiertagen zur Familie und könnten sich seit dem letzten Fest verändert haben; die Erwartungen an sie speisen sich aber aus den Begegnungen, wie man sie kannte. Hier können Brüche entstehen. Außerdem treffen oft sehr verschiedene Charaktere aufeinander, so auch hier in diesem Stück: Harvey, Nevilles Onkel und der angeheiratete Schwager Bernard sind ja auch sehr unterschiedlich, wobei mich sehr gefreut hat, dass Bernard tatsächlich doch ein Stück seiner Kraft und Wut entdeckt hat und diese auch ausdrückt. Das fand ich sehr erfrischend.

S. Kranz: Harvey versucht ihn ja ständig zu provozieren, macht sich über sein Puppentheater lustig und spricht schlecht über ihn. Am Anfang versucht Bernard das zu ignorieren aber irgendwann wehrt er sich.
Aber kommen wir zurück zur Ausgangslage. Sie sagten, man sehnt sich zurück nach dem Weihnachtsfest der eigenen Kindheit. Aber die Kindheit ist ja für viele Menschen auch eine belastete Lebensperiode gewesen. Verdrängt man das dann alles, wenn man erwachsen ist, sodass die Kindheit als etwas Heiles erscheint und die Erinnerung an Weihnachten sich verklärt?

U. Jung: Nicht unbedingt. Aber eine schwierige Kindheit kann sogar zu den Sehnsüchten beitragen, einmal etwas Schönes, vielleicht auch Märchenhaftes und Verzaubertes erleben zu wollen.  Dieser Wunsch wird von der Wirtschaft genutzt, um Verkauf und Konsum zu steigern.

S. Kranz: Und warum schafft man das dann oft nicht, diesen Zustand mal zwei, drei Tage durchzuhalten?

U. Jung: Ich denke, es gibt dann wieder die anderen Teile im Menschen, die spannungsvollen Erfahrungen, die eigenen Begrenzungen. Man hat Sicherheiten, indem Dinge einem bestimmten gleichbleibenden Ablauf folgen, aber da sind dann auch die anderen Familienmitglieder, die die Feiertage auf ihre Weise gestalten wollen.

S. Kranz: Also zum Beispiel Phyllis, die Belindas herrliche Küche durch eine monströse Kochorgie ruiniert. Sie findet es normal, dass Belinda alle Aufgaben der Gastgeberin übernimmt und sieht die eigentliche Leistung bei sich, weil sie an einem Abend das Weihnachtsessen zubereitet.

U. Jung: Ja. Irgendwie ist man auch dünnhäutiger in diesen Tagen. Ein Gefühl von fehlender Wertschätzung oder nicht genügend Gesehen-Werden entwickelt sich dann leichter, was wiederum zu einem Eklat führen kann.

S. Kranz: Das Weihnachtsfest ist auch meistens mit einem familiär geprägten, alljährlich reproduzierten Ablaufs-Ritual belegt. Zum Beispiel was man an Weihnachten isst, ist immer gleich oder die Abfolge von Bescherungen und Essen ist auch schon vorgegeben. Warum ist das so? Warum sagt man nicht, zu Weihnachten kommt man zusammen und wir gucken einfach mal, wie sich der Abend entwickelt?

U. Jung: Dazu fällt mir eine Patientin ein, die genau von diesem Dilemma berichtete: Einerseits möchte sie eigentlich gerne dieses Märchenhafte, Funkelnde nochmal erleben – dies kennt sie von den vielen Familienfeiern; andererseits findet sie es aber schrecklich, dass seit 20 Jahren immer das gleiche Weihnachtsessen gekocht wird. Der Wunsch ist einfach da, selbst auch zu gestalten, Kreativität mit reinzubringen und das Fest lebendig zu erleben, anstatt es nur über sich ergehen zu lassen, denn das führt zur Starre; und die ist das Gegenteil von sich Wohlfühlen und Freude empfinden.

S. Kranz: Es gibt anscheinend eine Sehnsucht nach dem Ritual wie auf einer Hochzeit oder einem Geburtstag, es herrscht auch ein Bedürfnis nach einem ritualisierten Ablauf.

U. Jung: Das stimmt schon, da Rituale auch Sicherheit geben, vorausgesetzt sie werden freudvoll und gerne durchgeführt und nicht als verstaubt empfunden. Sie sollten eine gewisse Flexibilität haben, man sollte Dinge ändern können, aber sie sollten als Ritual noch zu erkennen sein. Dann fördern bekannte und grundsätzliche Abläufe das Gefühl von Zugehörigkeit, von Verbundenheit und das wiederum lässt ein Gefühl von Sicherheit und Wohlbefinden entstehen. Das Ritual bewusst zu zelebrieren, im besten Fall freudvoll, und die anderen Teilnehmenden – auch in ihrer Andersartigkeit – wertzuschätzen, das ist sehr wichtig. Zu erkennen, dass man nicht alles ändern muss, damit man sich wohlfühlt. Also Individualität ist durchaus möglich – je nachdem, wie die anderen Teilnehmer gestrickt sind – aber das Tragende und Wichtige ist, Verbundenheit in der Gruppe zu empfinden.

S. Kranz: Und wenn Sie jetzt diese Familie betrachten, wie sie im Stück vorgestellt wird, wie würden Sie sie beschreiben?

U. Jung: Ihnen allen fehlt die Fähigkeit zum Mentalisieren in größerem Ausmaß: Mentalisieren bedeutet die Fähigkeit eines Menschen, sich in den anderen hineinzuversetzen. D. h. nicht, dessen Sicht zu übernehmen und völlig d’accord mit ihm/ihr zu sein, sondern es bedeutet zu versuchen zu verstehen, wie denn sein/ihr Blick auf die Welt ist und was seine/ihre Beweggründe sein könnten. Das kann dann auch zu Empathie führen, was ja für das soziale Miteinander ein durchaus wichtiger Faktor ist. Ich finde, eine solche Fähigkeit fehlt in dieser Familie. Alle leben in ihren eigenen kleinen Welten – ihren Blasen – was eine Verbindung zwischen den Einzelnen sehr erschwert.

Ensemble »Schöne Bescherungen« | Foto © Martin Kaufhold

S. Kranz: Selbst Belinda, die versucht, der Konvention zu entsprechen, sich um alle zu kümmern, für Getränke zu sorgen, mit jedem ein Gespräch zu führen. Dabei ist sie auch sehr unsensibel…

U. Jung: Belinda kommt mir sehr frustriert vor. Sie hätte schon längst Konsequenzen aus der Gleichgültigkeit ihres Mannes ziehen sollen. Sie muss irgendwas in ihrem Leben ändern, ihr Leben auch aktiv und mit Verantwortung in die Hand nehmen und es nicht nur so vor sich hin plätschern lassen. Sonst kommt es genau an solchen Feiertagen und besonderen Anlässen zum Eklat. Sie scheint von ihrem Mann sehr frustriert zu sein, in allen möglichen Lebensbereichen. Denn sie will sich mit diesem Clive auf ein Abenteuer einlassen und nimmt damit sogar in Kauf, Rachel ihre Schwester, total auszustechen – das finde ich schon heftig.

S. Kranz: Ist das sexuelle Begierde, die sie da in dem Moment überkommt oder geht da für einen Moment so ein ganz neues Leben auf, wo man denkt: jetzt mach ich es einfach. Also sie bedenkt schon, dass sie leise sein müssen, sie hat also die anderen nicht vergessen.

U. Jung: Ich denke, die beiden Faktoren, die sie genannt haben, spielen da eine Rolle, aber auch die Hoffnung, nochmal gesehen zu werden. Damit geht eine Aufwertung des Selbstwertgefühls einher, das ja doch schon am Boden liegt. Ihr Mann lässt sie ja auch völlig abgleiten, als hätte er so ölige Haut und sie gleitet einfach immer an ihm ab. Also er grinst, tauscht mit seinem Freund Eddie Blicke aus und dann gehen die in eine Dorfkneipe und lassen »die Alte« allein. Das ist keine Wertschätzung!

S. Kranz: Und man hat auch irgendwie das Gefühl, dass Neville gar nicht merkt, wie er mit seiner Frau umgeht.

U. Jung: Genau. Da kommt die Mentalisierung wieder ins Spiel. Er kann sich überhaupt nicht in sie hineinversetzen; wie es ihr geht bei dieser Behandlung. Wahrscheinlich hat er das so vorgelebt bekommen und lebt es weiter: Frauen sind halt so, lassen wir sie halt bisschen schimpfen und alles organisieren während wir in die Kneipe gehen.

S. Kranz: Es scheint aber tatsächlich die Möglichkeit einer Beziehung oder zumindest einer Affäre zwischen Belinda und Clive zu geben. Er nennt, als er angeschossen wird und nur halb bei Bewusstsein ist, ihren Namen. Da hätte sie zu ihm stehen können.

U. Jung: Das macht ihr dann Angst, habe ich den Eindruck. Clive liegt ja auch angeschossen da, also – würde ich mich fragen – wird das dann noch was mit dem? Ich meine, der starke Ritter, der so glänzend daherkam, liegt jetzt angeschossen auf dem Boden und man weiß nicht, wie es mit ihm weiter geht. Sie will sich daher mit ihrem Ehemann nichts verspielen und die Schwester steht daneben, anklagend. Belinda versucht sich da rauszuziehen, um zu zeigen, da war gar nichts. Im Grunde wird Clive von ihr verraten.

S. Kranz: Clive kommt auch aus einer gescheiterten Beziehung und versucht sofort wieder die nächste – zumindest Affäre – anzufangen.

U. Jung: Also das gibt es oft. Vor allem bei den Menschen, die sich nicht wirklich mit dem Geschehenen konstruktiv auseinandersetzen wollen. Die Auseinandersetzung mit einer beendeten Beziehung kann wehtun, kann einsam machen – erstmal; aber ich glaube, durch diesen Teil muss man durch, um dann konstruktiv und mehr auf den eigenen Beinen zu stehen und damit gesünder in eine neue Beziehung zu gehen. Wenn ich von einer in die nächste flüchte, dann habe ich immer eine Last, die ich mit mir mitschleppen muss und die Chance, dass dann eine konstruktive, erfüllende Beziehung daraus wird, die auch lange hält, die wird immer kleiner. Was dann begeisternd ist, ist das erste Verliebtsein, der erste Rausch, aber das hat dann nichts mit einer tragenden, gegenseitig auch kräftigenden Beziehung zu tun. Eine solche ist nur möglich, wenn man selber gut auf den eignen Beinen steht. Also ich halte auch Clive nicht für sehr beziehungstauglich. Ist ja auch komisch, dass er wegen Rachel anreist und sich dann mit Belinda unter dem Weihnachtsbaum wälzt.

S. Kranz: Ja, aber sie ist ihm auch nicht gleichgültig. Also Clive scheint Rachel ja sehr wertzuschätzen, als Gesprächspartnerin, als Mensch, aber trotzdem ist sie sexuell nicht so anziehend für ihn oder das kann irgendwie nicht zusammenkommen zwischen den beiden.

U. Jung: Sowas gibt es, das ist dann auch in Ordnung. Ich unterstelle ihm jedoch, dass er sehr wohl mitgekriegt hat, dass Rachel sehr wohl Interesse an ihm hat. Auch sexuelles Interesse. Da fände ich es gut, wenn er das von Beginn an geklärt und gesagt hätte: »Ich schätze dich als Mensch, aber als Liebespartnerin habe ich dich nicht im Visier«. Das kann man ja dann mit mehr Worten und freundlich ausdrücken und ich denke, eine Klärung wäre dann schon wichtig. Rachel geht ja doch die ganze Zeit davon aus, dass da noch was entstehen könnte, bis zum Ende.

S. Kranz: Ich habe bei ihr aber so ein bisschen den Eindruck, dass das auch die gesellschaftliche Konvention ist. Sie hat das Gefühl, dass wenn sie mit einem Mann zusammen ist, dass dann auch etwas passieren muss. Sie ist im fortgeschrittenen Alter, die anderen Männer äußern sich despektierlich über sie. Sie denkt, dass sie da auch einem gewissen Bild entsprechen muss.

U. Jung: Das kann auch eine Motivation sein. Mein Eindruck war trotzdem beim Lesen der, dass sie anfangs Interesse an Clive hatte und sich dann aber auch gefragt hat – mit Aufregung und Angst verbunden – wird das überhaupt was, kann das was werden? Wenn man da nicht in der Übung ist, wird die Aufregung größer. Sie merkt dann am Ende, dass auch Spannung zwischen Clive und Belinda bei dem Spaziergang draußen entsteht usw., und denkt dann plötzlich, dass ihr die Felle wegschwimmen. Darum rechtfertigt sie für sich, ja ich will eigentlich überhaupt gar keine Beziehung.

S. Kranz: Ja, verstehe. Das spiegelt sich dann auch in einer Szene, in der sie sagt, dass Sexualität gar nicht sein muss und im Nachhinein gesteht sie ihm aber, dass sie das doch ganz gerne gehabt hätte.

U. Jung: Genau und das ist Rationalisieren. Die eigenen Beweggründe dann so drehen, dass es dann heißt: ach eigentlich wollte ich ja gar nicht.

S. Kranz: Aber ist das dann nicht eigentlich ungeschickt – das Rationalisieren, wenn man so Gefühle abschneidet oder ist das dann eher eine ganz gesunde Tendenz, um besser zurecht zu kommen? Was meinen Sie?

U. Jung: Also da kommt es auf die Stärke an, wie lange, wie vertieft und wie stark man diese Art der Abwehr vor unerwünschten Gefühlszuständen aufbaut. Sie kann einen in der Situation schützen, wenn man dies aber als ein ständiges Mittel einsetzt und sich über die eigentliche Motivation nicht mehr klar ist, dann steht sie der Eigenentwicklung im Weg.

S. Kranz: Weil das emotionale Erleben dann auch dazugehört.

U. Jung: Ja und indem man sich das so zurecht redet, werden auch Teile des emotionalen Erlebens verleugnet. Die ganze Bandbreite, der ganze Blumenstrauß von Möglichkeiten des emotionalen Erlebens reduziert sich.

S. Kranz: Jetzt haben wir noch gar nicht über das jüngste Paar gesprochen. Eddie und seine Frau, die jetzt mit ihrem vierten Kind schwanger ist, aber eigentlich will ihr Mann gar kein Kind. Der ignoriert sie auch völlig. Wie sehen Sie dieses Paar?

U. Jung: Es wurde mir kalt; es scheint eine ganz negative, traurige Verbindung zu sein. Also sie, im siebten Monat schwanger, erledigt alles Mögliche und fordert im Grunde zu wenig ein. Diese hilflose Position, die sie ins Kreischen bringt, ist nicht gut für sie. Da wäre es gut gewesen, früher schon zu sagen: das ist so nicht in Ordnung und das und das hätte ich gerne anders in unserem Miteinander. Im Grunde geht es darum, zu klären und auch Forderungen in angemessener Weise zu formulieren, um dann mit dem Partner zu verhandeln. Doch sie handelt aus einer hilflosen Position heraus, indem sie zwar anklagt und schimpft, aber dann doch die Dinge erledigt und keine Konsequenzen zieht. Eddie trauert außerdem darum, eine erfolgreiche Karriere verpasst zu haben, nur weil er sich mit dieser Frau zusammengetan hat und nun das vierte Kind erwartet. Also wie gesagt, es wurde mir kalt. Da ist so gar nichts Zugewandtes und nichts, wo man dran anknüpfen könnte, um die Beziehung zu retten.

S. Kranz: Und Phyllis als Alkoholikerin und ihr Mann Bernard, der eigentlich Arzt ist? Er sagt, er hat sein ganzes Leben seiner Frau geopfert. Was ist das für eine Art von Beziehung?

U. Jung: Keine gleichgewichtige. Die Waage ist nicht in Balance. Im Grunde nimmt sie ihren Mann nicht ernst und er hat sich ja völlig aufgegeben für diese Frau. Er hätte das gerne als ehrenhaft verbucht, aber in meinem Empfinden ist es die Angst, auf eigenen Beinen zu stehen, die ihn zu dieser Haltung führt. Also er flüchtet sich unter die Fittiche seiner Frau mit dem Argument: ich unterstütze sie und ich opfere mein Leben für sie.

S. Kranz: »Schöne Bescherungen« ist ein Stück, bei dem man als Leser oder Zuschauer oft lacht. Woher kommt das? Ist man dann so froh, dass man selber nicht in dieser Lage ist oder erkennt man sich darin? Wodurch entsteht das Lachen beim Publikum?

U. Jung: Ich denke, die beiden Faktoren gehören dazu. Zum einen ist die Geschichte aus dem Leben gegriffen, zum anderen ist sie aber auch teilweise überzeichnet, sodass man gut denken kann: zum Glück ist das bei mir nicht so schlimm.

S. Kranz: Und das wirkt befreiend? Geht der Zuschauer, der sich eine solche Komödie aussucht, darum ins Theater?

U. Jung: Ja, vielleicht um den Spiegel vorgehalten zu bekommen – auf eine Art, die noch gut zu nehmen, die teilweise humorvoll überzeichnet ist. Als Zuschauer kann man das Bedrückende der Situation dann ertragen, kann darüber lachen. – Das Theater sehe ich außerdem als einen Ort, wo Verwandlung stattfindet, wo sich das Kreative bis hin zum Traumhaften entwickeln kann. Damit meine ich eine andere Welt als die reale; eine, in der auch ausprobiert werden kann, in der sich die Kreativität eher entfalten kann als im Alltag. Das tut dann seine Wirkung, denn damit wird auch die Kreativität des Zuschauers angeregt. Die Wirkung des Theaters ist eine andere als zum Beispiel die des Fernsehens. Der Rahmen, den das Theater als Veranstaltungsort schafft, die direkte Begegnung mit den Schauspielern und Akteuren auf der Bühne – all dies öffnet nochmal eigene Räume im Inneren – in einem selbst.

S. Kranz: Aber es gibt viele Zuschauer, die im Theater gar nicht so sehr problemhafte Inszenierungen sehen wollen, sondern sich auch gerne wohlfühlen. So habe ich den Eindruck.

U. Jung: Ja. Das ist, denke ich, jetzt auch verstärkt durch Corona der Fall – die Menschen haben das Bedürfnis, eben auch etwas Entlastendes zu erleben. Meiner Meinung nach hat Humor hier eine ganz wichtige Funktion – und in diesem Stück »Schöne Bescherungen« gibt es davon eine Menge. Das Theaterstück befasst sich zwar mit den Schwierigkeiten, als Familie zusammen Weihnachten zu feiern; durch den Humor nimmt man es auf eine andere Art auf, er lässt andere Seiten in einem schwingen und man kann zu lachen und das tut gut.

Gregor Trakis und Gaby Pochert in »Schöne Bescherungen« | Foto © Martin Kaufhold

Das Gespräch wurde von Maxine Theobald verschriftlicht.