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Spielzeit-Vorfreude: TPZ

Eine persönliche Spielplanvorstellung der Theaterpädagoginnen

Die Theaterpädagoginnen des Saarländischen Staatstheaters haben vor allem eines im Sinn: Den Spielplan möglichst nah an Menschen heranbringen. Und Nähe entsteht ja vor allem durch emotionale Verbindung und persönliche Ansprache. Ganz nach der Maxime »Was du selbst besonders gerne magst, das empfehle weiter«, stellen Anna Arnould-Chilloux, Johanna Knauf, Meike Koch und Luca Pauer ihre Herzensprojekte 2022 und 2023 vor.

Anna Arnould-Chilloux

Als Theaterpädagogin für Schauspiel und Tanz freue ich mich diese Spielzeit wieder die Schreibwerkstatt zu veranstalten und mit der Gruppe so oft wie möglich zu schreiben.
Unser Ziel ist ein eigenes Stück zu schreiben. Wir arbeiten auch mit Stücktexten, die in der Spielzeit gespielt werden und analysieren Methoden der Texte, die uns am meisten bewegen.

Natürlich freue ich mich auch auf viele Vermittlungs-Workshops, die ich in saarländischen Schulen das ganze Jahr über machen werde. Ich finde es besonders spannend jedes Mal eine neue Gruppe kennenzulernen und den Schüler*innen etwas Neues und Verrücktes zu präsentieren. Da das Stück TERROR im Saarland Schullektüre ist, werden bestimmt viele Lehrer*innen sich bei uns melden. Ich freue mich sie in ihrer Arbeit zu unterstützen und einen künstlerischen Zugang zu diesem Stoff zu ermöglichen.
Und last but not least bin ich sehr gespannt auf das Projekt ONOMATOPOESIE, ein deutsch-französisches Jugendorchesterprojekt, das wir von Dezember bis Juli proben werden. Wir planen schon seit mehr als einem Jahr und nun wird es endlich Realität. Schüler*innen aus der Schule Rastbachtal (Saarbrücken), aus dem Collège Claudie Haigneré (Freyming- Merlebach) und aus dem Collège Himmelsberg (Sarreguemines) werden sich während der Spielzeit im Theaterprojekt kennen lernen und miteinander spielen. Premiere feiern wir am 7. Juli auf die Bühne des Großen Hauses.

Johanna Knauf

Als ich im Februar 2020 voller Elan am Staatstheater als Theaterpädagogin für Konzert und Musiktheater startete, begann bereits nach ein paar Wochen die Pandemie. Ausnahmezustand. Statt die vielen Mitarbeitenden des Hauses kennenzulernen, sollten wir uns nun eher aus dem Weg gehen. Und statt Schulklassen bei uns im Theater zu empfangen, mussten wir nach virtuellen Wegen suchen, im Kontakt zu bleiben. Nicht einfach, wenn doch gerade der Kontakt in das Theater und aus dem Theater hinaus den Nährboden für die eigene Arbeit stellt.

Nun bin ich nach langer Pause frisch aus der Elternzeit zurückgekehrt und habe das Gefühl: Jetzt geht es so richtig los! Ich bin davon überzeugt, dass ein früher und vor allem persönlicher Kontakt mit den darstellenden Künsten prägend für das weitere Leben ist. Daher freue ich mich ganz besonders, dass das Theater wieder ein offener Ort ist, an dem wir das junge Publikum auch hinter den Kulissen willkommen heißen.

Auf das junge Publikum wartet dieses Jahr ein sehr abwechslungsreiches Programm. Im Oktober und November führen wir zum Beispiel mit dem herausragenden Klezmer-Klarinettisten Helmut Eisel sein Stück NAFTULES REISEN für Kinder ab 3 Jahren auf – ich darf als Erzählerin mitwirken. Auf die Umsetzung der zeitgenössischen Kinderoper DAS KIND DER SEEHUNDFRAU bin ich ganz besonders gespannt. Zum Ende der Saison steht für mich dann die Konzertentwicklung MONA UND DER TURM DER STILLE auf dem Programm: Ein Kinderkonzert zum Mitmachen.

Mir liegt es am Herzen, nicht nur Kindern und Jugendlichen, sondern Menschen jeden Alters alternative Zugangsweisen zu Musik und Theater zu ermöglichen. Daher freue ich mich auch sehr auf das Ensemble der Klangwütigen, in dem wir gemeinsam alles Mögliche zum Klingen bringen werden: den Körper, die Stimme, Instrumente – aber eben auch Alltagsgegenstände, Literatur oder bildende Kunst.

Meike Koch

Ich bin sehr glücklich darüber, in dieser Spielzeit weiterhin in der Abteilung Theaterpädagogik unterstützen zu können, bei vielen spannenden Projekten dabei zu sein und meinen Kolleg*innen über die Schulter zu schauen, um weiter dazuzulernen. Dieses Jahr wird man mich hauptsächlich im Hörsaal antreffen, damit ich bald mein Studium abschließen kann. Trotzdem bin ich weiterhin einmal pro Woche im Theater.

Absolutes Highlight wird vor allem die Zeit unseres Weihnachtsmärchens „Hinter verzauberten Fenstern“. Wir besuchen Schulklassen und bieten verschiedene Formate an, um die Schüler*innen auf den Theaterbesuch vorzubereiten. Ich bin schon sehr gespannt darauf, welche Schulen ich besuchen darf!

Außerdem werden wir in dieser Spielzeit unsere Kinder-Musikwerkstatt fortführen und weiterentwickeln. Während die (Groß-)Eltern sonntags das Sinfoniekonzert besuchen, können Kinder im Alter von 4 bis 9 Jahren zu Johanna und mir kommen und spielerisch die Welt der Musik mit uns entdecken. So viel kann ich schon einmal verraten: es wird ein großer Spaß!

Mir ist es darüber hinaus eine besondere Herzensangelegenheit nicht nur Schulen, sondern auch Vereine für unser theaterpädagogisches Angebot zu begeistern. Wir haben im Saarland unglaublich viele Vereine, die sich in außerschulischer Jugendarbeit und Kulturförderung engagieren. An sie möchte ich eine herzliche Einladung aussprechen, sich mit unserer Abteilung in Verbindung zu setzen, um sich über verschiedene Möglichkeiten für ihre kleinen und großen Mitglieder zu unterhalten.

Luca Pauer

Diese Spielzeit wird für mich ganz im Zeichen der Teilhabe und Mitgestaltung stehen. Es ist dringend wieder an der Zeit Menschen an Theater zu beteiligen und sie mitspielen zu lassen. Die Idee des ensemble4, des Bürger*innenensembles, will weitergeführt und intensiviert werden.

Gleich zu Beginn der Spielzeit, werde ich ein Projekt mit Bürger*innen in Luxemburg umsetzen. Die Idee: eine theatrale Hommage an eine Partnerstadt. Das Netzwerk Quattropole zwischen Trier, Luxemburg, Metz und Saarbrücken initiiert performative Postkarten über jeweils einen Städtepartner. Bei einem Festakt werden vier kleine »performative Postkarten« unter dem Titel »Voices« aufgeführt. Saarbrücken wird eine Präsentation über Metz erarbeiten. Saarbrücken wird von Luxemburg in Szene gesetzt. Es freut mich sehr, dass wir die Möglichkeit haben werden auch über Landesgrenzen hinaus mit unserem Bürger*innenensemble spielen zu können.

Im Anschluss geht es weiter mit der sparte4-Produktion »Oh Mama! «, in der ich mit Saarbrücker Müttern, Nicht-Müttern und solchen, die weder noch sein wollen im Rahmen des ensemble4 zusammenarbeite. Rebekka David wird mit Schauspieler*innen eine Produktion erarbeiten, die auf Interviews von Bürger*innen basiert. Ich bin sehr stolz, dass Thorsten Köhler und ich, Rebekka dafür gewinnen konnten. Sie ist eine sehr inspirierende junge Regisseurin, die dieses Thema schon auf dem Zettel hatte, bevor wir die Idee dazu hatten. Dass sie guten Gewissens als »aufsteigender Stern am Regiehimmel« bezeichnet werden kann, die eine Menge Glanz in die sparte4 bringen wird, will ich hier nicht unerwähnt lassen. Ich freue mich auf diese Arbeit und bin extrem gespannt auf die Ergebnisse dieser Recherche.

Die Spielzeit abschließen darf ich wie immer mit meiner Inszenierung des Jungen Ensembles im April. Diesmal untersuchen wir als »Hamlets Kinder« die Zeit, die aus den Fugen gerät, aber auch das persönliche »Lostsein« jeder einzelnen.

Weitere Informationen zum Mitmachen gibt es auf unserer Website:

https://www.staatstheater.saarland/theater-und-schule

und

https://www.staatstheater.saarland/mitmachen

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Hinter dem Vorhang Theaterblog

DANK NACH DER PREIS-VERLEIHNUNG DES SPONSORCLUBS

Nachdem der SponsorClub mit den drei Vorstandsmitgliedern Detlef Thiery, Monique Bender und Prof. Peter Schweitzer an der Spitze die diesjährigen SponsorClub-Preise an Hope Dougherty (Ballett), Sébastien Jacobi (Schauspiel) und Angelos Samartzis (Musiktheater) im Restaurant Schloss Halberg die diesjährigen Preise verliehen hatten, bedankten sich die Künstler:innen jeweils mit einem besonderen künstlerischen Beitrag.

Hope Dougherty in Aktion.

Die Amerikanerin Hope Dougherty, die an der New Yorker Juilliard School ihre Ausbildung bekam und seit der Spielzeit 2016/17 zum Ensemble des Saarländischen Staatsballett gehört, tanzte gekonnt ein wundebares Solo zwischen den Tischen und Stühlen der Festgesellschaft.

Angelos Samartzis bedankt sich mit einem Lied.

Der in Athen geborene Tenor Angelos Samartzis bedankte sich nicht – wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre – mit einer Opernarie, sondern mit einem Lied aus seiner Heimat Griechenland.

Sébastien Jacobi mit einem Modell aus seiner Produktion »Reise!Reister!«

Und der Schauspieler, Regisseur, Bühnenbildner und Übersestzen Sébastien Jacobi brachte ein Bühnenbildmodell mit und zeigte einen Auschnitt aus seiner Produkion REISE! REISER! Es folgte eine Dankesrede, die hier zitiert sein soll:

Dies war ein Ausschnitt aus Karl Philipp Moritz Roman »Anton Reiser«, der zwischen 1785 und 1790 erschien und den ich 2011 für das Schauspiel Frankfurt dramatisiert, in Hamburg, Berlin, Köln und Bochum gespielt habe und auch hier am Saarländischen Staatstheater mit dem Titel »Reise!Reiser!« präsentieren durfte.

Die »Einbildungskraft« ist in der Tat ein wesentlicher Motor für das Theater – ist aber eben auch nicht ganz ungefährlich. Diese Kraft unterscheidet ganz wesentlich den Kunst-Raum von der realen Welt. Diese Unterscheidung muss aber immer wieder trainiert werden – gerade in einer Zeit, die doch sehr dazu neigt Fiktionen von Realitäten nicht mehr selbstverständlich unterscheiden zu können oder zu wollen und die derzeit immer mehr dazu neigt, auch Kunst-Räume wieder ideologisch kontrollieren zu wollen, vermeintlich »sauber oder gesund« zu halten, teilweise ja aus durchaus verständlichen Motiven heraus, mit edlen Zielen.

Aber: Kunst – Gesund?

»Verrückt kann man nur dann werden, wenn es wenigstens ein bisschen Freiheit gibt:

Keine Freiheit – kein Wahn

Kein Wahn – keine Freiheit«.

Selbstverständlich sollten auch Kunst Räume nicht von beliebigem Wahn missbraucht werden und sicher ist es notwendig, auch Kunst Räume immer wieder, auf ihren gesellschaftlichen Auftrag, auf Begrifflichkeiten, Zeichen und Sprache zu hinterfragen.

Das Unterscheiden von »Licht« und »Irrlichtern« – will trainiert sein und erfordert Verantwortungs-Bewusstsein, dennoch bleibt es notwendig sich zeitweise irgendwo gewissen Irrlichtern, Abgründen, Widersprüchen, ja vielleicht auch manchen sogenannten »Unkorrektheiten« einfach auszusetzen. Einfach um Erfahrungen noch machen zu können, von denen im besten Fall, dann alle etwas lernen können.

Der russische Regisseur, Kirill Serebenikow, der, als Putin Kritiker, Jahre in Hausarrest gehalten wurde, hat diesen Sommer für das Festival Avignon in Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg eine Erzählung von Tschechow auf die Bühne gebracht. Anton Tschechow hat in dieser Erzählung von 1894 »Der schwarze Mönch« einen Menschen, mit dem Namen Kowrin, beschrieben, der in der Begegnung mit einer »Luftspiegelung« (eben einem schwarzen Mönch) sich zum Genie erklären lässt und sein totales Glück findet aber ebenso total aus seiner Realität entrückt wird. Seine Mitmenschen können ihn nur noch als Irre wahrnehmen und treiben ihm mit Hilfe der Medizin seine Visionen aus – machen ihn wieder »gesund«; woraufhin er, wie ein Drogenabhängiger auf Entzug, ins Unglück stürzt und seinen

Mitmenschen Vorwürfe macht: »Wozu, wozu habt ihr mich in ärztliche Behandlung gegeben? Die Brompräparate, das Nichtstun, die warmen Bäder, die Aufsicht, die kleinmütige Angst bei jedem Schluck, bei jedem Schritt – das alles macht mich zu guter Letzt zum Idioten. Ich war im Begriff, den Verstand zu verlieren, ich litt an Größenwahn, aber dafür war ich vergnügt, frisch und sogar glücklich, ich war interessant und originell. Jetzt bin ich vernünftiger und ernster, aber dafür bin ich so wie alle: ich bin eine Mittelmäßigkeit, das Leben langweilt mich. Oh wie grausam seid ihr mit mir umgegangen! Ich habe Halluzinationen gehabt, aber wen hat das gestört? Ich frage: Wen hat das gestört? Wie glücklich waren Buddha und Mohammed oder Shakespeare, daß die lieben Verwandten und die Ärzte sie nicht von der Ekstase und der Inspiration geheilt haben! Wenn Mohammed für seine Nerven Bromkali eingenommen, nur zwei Stunden am Tag gearbeitet und Milch getrunken hätte, dann wäre von diesem bemerkenswerten Menschen ebensowenig übriggeblieben wie von seinem Hund. Die Ärzte und die lieben Verwandten werden es zu guter Letzt dahin bringen, daß die Menschheit verdummt, die Mittelmäßigkeit wird als Genie gelten, und die Zivilisation wird untergehen. Wenn ihr wüsstet, wie dankbar ich Euch bin!«

ANDERS – IN WELCHER WELT? So lautet das Spielzeitmotto.

Wie wollen wir leben in was für einer Welt? Was wollen oder müssen wir ändern und was wollen wir erhalten oder müssen wir vielleicht sogar wieder lernen mehr wert zu schätzen? Und wie erreichen wir dieses »Anders«?

Um diese Fragen noch untersuchen zu können, ohne in der Realität gleich dem nächsten Wahnsinn zu verfallen, brauchen wir doch immer noch ein paar Wahnsinnige, die einen Kunst-Raum bespielen können und ich bin sehr dankbar, einer dieser Wahnsinnigen sein zu dürfen – auch dank Ihrer Unterstützung.

Ich betrachte die Arbeit am Theater als eine Forschungsarbeit in einem Labor. Daß aus diesem Labor ab und zu auch sehr unterhaltsame, kulinarische – ja, auch einfach schöne und gesunde – Abende herauskommen, die man mit einem – gesunden – Publikum teilen möchte – das ist ein zusätzliches Glück.

Und ich danke Ihnen sehr, daß sie das honorieren wollen und können und ganz konkret unterstützen! Das ist nicht selbstverständlich.

Unser Auftrag sollte unbedingt sein, diese Forschungsarbeit an menschlichen Gefühlen, Gedanken, Stimmen und Gesten, an Utopien, an Verirrungen, an Entwürfen, aber auch an traumatischen Erfahrungen weiter ernsthaft zu betreiben und somit die Millionendeutigkeit der menschlichen Existenz immer wieder auszuloten und zu befragen und dann Sie, als Publikum an den Erfahrungen, die wir gemacht haben, teilhaben zu lassen.

Wenn wir diesem Auftrag nicht mehr gerecht werden, dann haben Sie alles Recht mit der Medizin zu kommen – und ich hoffe, daß es mir dann besser ergeht, als der Tschechow Figur Kowrin, die diesen Entzug leider nicht überlebt. Aber das ist ja auch bloss eine literarische Figur. Ich hoffe doch noch etwas mehr zu sein! 😉

Ich bedanke mich sehr bei Ihnen, für diese Einladung und Auszeichnung heute Abend.

Ich bin am Theater ja sehr hybrid unterwegs, bin als Schauspieler, Regisseur, Bühnenbildner, Übersetzer, Filmer aufgetreten, in deutscher und in französischer Sprache. Die Möglichkeit so vielfältig an einem Haus arbeiten zu können ist auch nicht so selbstverständlich. Ich betrachte diesen Preis auch als eine Ermutigung das weiter so zu tun und ebenso als Signal an das Haus, weiterhin seine Mitarbeiter*innen als gesamt-künstlerische Persönlichkeiten zu fördern, ohne Schablonen.

Vielen Dank.

Was für eine bemerkenswerte Rede! Was für ein Plädoyer für Freiheit, Kunst und Theater! Was für eine Einladung Mut zu haben, anders zu sein.

Wie könnten alte Gewohnheiten und vermeintliche Gewissheiten schöner und unterhaltsamer in Frage gestellt werden, als durch das freie und perspektiverändende Spiel der Künstler:innen?

Persönlicher und beglückernder hätte ich mir den Auftakt zur neuen Spielzeit unter dem Motto »Anders! In welcher Welt?« kaum wünschen können.

Vielen Dank an Hope Dougherty, Angelos Samartzis und vor allem an Sébastien Jacobi.

Horst Busch,
Chefdramaturg

© Alle Fotos von Dr. Heiner Maria Klein, Sponsorclubmitglied