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Der Dramaturgieschreibtisch

ALLES IN DER MACHE

Varianten von Spielplan und Gesellschaft

Es stapeln sich Stücke. Theatertexte aus allen Epochen. Besonders nah sind einem plötzlich wieder die Vertreter des Absurden, Ionesco. Auch schon vor Corona. Wie Nashörner kamen einer weltoffenen Bürgerschaft die lauten Anti-Herden (Anti-Gleichheit, Anti-Meinungsfreiheit, Anti-Kunstfreiheit, Anti-Jegliches-Spektrum außer Rechts) vor. Und die literarische Gegenwart ist auch nicht zimperlich in der Befragung des Ist-Zustandes: Was ist zum Beispiel mit unserer menschlichen Skrupellosigkeit gegenüber unserem Planeten? Oder wie steht es um unsere Ängste?

»Wer von Angst getrieben ist, vermeidet das Unangenehme, verleugnet das Wirkliche und verpasst das Mögliche«, kommentiert der Soziologe Heinz Bude in seinem Buch »Gesellschaft der Angst« (Hamburger Editionen 2014) Franklin D. Roosevelts Präsidentschaftsrede von 1933, der darin sagte »The only thing we have to fear is fear itself. Das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst.«. Wir wollen das Mögliche. Also, ich will das.

Ich will die maximal mögliche humane Gesellschaft, die ihre demokratische Struktur verteidigt und füllen kann. Mit Vielheit und zwischenmenschlichem Respekt. Eine Gesellschaft des Austauschs, die die Meinung (ohne Haltung) und emotionalisierende Hetze aus ihrer Mitte verdrängt haben wird. Viren zu verdrängen, ist hingegen schwer. Schwer zu akzeptieren, dass sie Teil der Chose »Sein« sind. Pandemien aller Art – ob ideologische, ob virologische – sind einfach suspekt und skrupellos. Hier, im entleerten Bau des Theaters jedenfalls ringen wir täglich um eine Vision, eine Abbildung von dem, was zu werden, wir als Gesellschaft vermögen. Variante 1, 2, 3, u.v.m. … – welche (Spielplan und Gesellschaft) wird’s?

Bettina Schuster-Gäb,
Schauspieldramaturgin