Lenke Nagy absolviert in der Spielzeit 2023/2024 ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Schauspieldramaturgie des Saarländischen Staatstheaters. In der Reihe »Journal einer FSJlerin« teilt Lenke regelmäßig ihre Erfahrungen und Gedanken. – Letzter Teil
Ihr konntet es im Vortext bereits lesen: mit dieser Ausgabe des »Journal einer FSJlerin« verabschiede ich mich vom BLOG – zumindest vorerst, wer weiß, was die Zukunft mit sich bringt! Sicher ist jedoch: Mein Freiwilliges Soziales Jahr in der Dramaturgie des Staatstheaters findet mit dem Ende der Spielzeit 2023/2024 seinen Abschluss. Und bevor ich hier irgendetwas anderes schreibe, ist es erstmal Zeit für ein großes Dankeschön an all die Menschen, die mich in meiner Zeit am Saarländischen Staatstheater auf so warmherzige Art begleitet, mir eine Menge über Theater, aber auch über mich selbst gelehrt und mich ausnahmslos als Team-Mitglied auf Augenhöhe behandelt und mir vertraut haben! Meine ganz persönliche einjährige Premiere in der Welt des Theaters hätte nicht schöner verlaufen können. Ich werde der Theaterwelt übrigens treu bleiben: Ab Oktober geht es für mich nach Leipzig, wo ich an der Hochschule für Musik und Theater Dramaturgie studieren werde.
Um nicht jetzt schon über den baldigen Abschied nachzudenken, habe ich mich nochmal ins Arbeiten gestürzt und mich von Stücken, Erfahrungen bei Proben und Recherchefunden – kurz: von meinem Jahr im SST – inspirieren lassen und eine Liste mit Tipps für den Sommer erstellt, falls dem ein oder der anderen von euch auch vor Langeweile in der Spielzeitpause graut!
- Die Produktion »The end, my friend« endet mit einem Brief an die Zukunft. Das hat mich an etwas erinnert, was ich zu Silvester gemacht habe: ich habe einen Brief an mich selber geschrieben. Es gibt tolle Homepages, bei denen man eine Nachricht von sich selbst an das zukünftige Ich formulieren und ein Datum einstellen kann, an dem man die Nachricht dann per Mail zugestellt bekommen möchte. Ist es nicht eine schöne Vorstellung, in einem oder mehreren Jahren eine Nachricht aus der Vergangenheit zu bekommen und sich zu erinnern, worüber man in einer ganz anderen Lebensphase so nachgedacht hat? Das Ganze funktioniert natürlich auch analog – auf die Gefahr hin, dass man vergisst, wo man den Brief versteckt hat. Und wer das alles für Unsinn hält, der kann diesen Sommer ja auch einfach mal wieder eine Postkarte aus dem Urlaub verschicken!
- Mehr Lesen gehört mit Sicherheit zu einem der häufigsten Vorsätze für den Sommer. Aber wie wäre es, dieses Jahr mal ein paar Klassiker auf die Leseliste zu setzen? Anfangen könntet ihr mit »Das Bildnis des Dorian Gray« von Oscar Wilde oder Goethes »Die Leiden des jungen Werther« – solltet ihr die Inszenierungen in der Alten Feuerwache verpasst haben. Wem nicht nach Kafka, Fontane, Hesse oder anderen einschüchternden Namen zumute ist, der findet ja vielleicht zwischen den Klassikern der Kinderliteratur das passende Urlaubsbuch und lässt sich z.B. von Astrid Lindgren oder Michael Ende zurückversetzen in die Sommer der Kindheit.
- In »Die Glücklichen und die Traurigen« wurde sich die Zeit unter anderem mit Scrabble vertrieben: was mich auf die Idee gebracht hat, mal wieder einen Spieleabend oder ein Picknick mit Kartenspielen zu organisieren. Spieletipps von mir sind unter anderem »Dixit«, »Codenames« oder »Stadt Land Vollpfosten – Das Kartenspiel«.
- Seit Januar war ich Teil der »Wortakrobaten« am Staatstheater, der Schreibwerkstatt, die von Theaterpädagogin Anna Arnould-Chilloux geleitet wird. Was ich von dort mitnehme: wie befreiend es für den Kopf und wie stimulierend es für die Fantasie ist, ohne den Druck, etwas Gelungenes produzieren zu müssen, einfach draufloszuschreiben. Eine weitere Idee von mir für den Sommer ist also, sich regelmäßig, vielleicht sogar jeden Morgen, hinzusetzen und auf Papier zu bringen, was der eigene Gedankenstrudel so hergibt. Wem die Motivation hierfür fehlt, dem möchte ich eine Übung mitgeben, die sich mit Freund*innen, Familie, ja, theoretisch sogar mit Fremden ausprobieren lässt: Jede*r schreibt einen einzigen Satz auf und gibt das Papier dann an seine/n Nachbar*in weiter. Dieser fügt einen Satz hinzu, reicht das Papier wieder weiter und der/die nächste – ihr ahnt es sicher längst – ergänzt den Text wieder um einen Satz. Das kann man fortführen, solange man Lust hat und ich lüge nicht, wenn ich behaupte, dass einige der lustigsten Texte der »Wortakrobaten« durch diese Übung entstanden sind!
- Das Theater ist insbesondere dann ein guter Arbeitsplatz, wenn man auf dem Weg in den Regen gerät… Kostümfundus sei Dank habe ich den Tag der berüchtigten Saarüberflutung trotz morgendlicher Fahrradfahrt trocken und gemütlich verbracht. Wer Interesse daran hat, den eigenen Kleiderschrank um ein paar Fundstücke zu erweitern, braucht aber keinen Regen und auch keinen Zugang zum Theater: Wie wäre es, sich mit Freund*innen zusammenzutun und eine Kleidertauschbörse zu organisieren? Was beim einen ungenutzt im Schrank herumliegt, macht jemand anderen vielleicht glücklich! Und man zahlt nicht nur wenig, wie zum Beispiel auf dem Flohmarkt, sondern gar nichts – abgesehen von den Snacks und Erfrischungen, die zu so einem gemeinsamen Event dazugehören. Viel Spaß beim Garderobe austauschen!
- Eine meiner größeren Recherchen im Laufe des Jahres hat sich um die Vergangenheit der Alten Feuerwache gedreht. Dazu war ich mehrmals im Stadtarchiv in Saarbrücken, in welchem man ganz einfach online einen Termin reservieren und sich historische Dokumente bereitlegen lassen kann. Außerdem durfte ich mit Dramaturgin Simone Kranz und ihrem VHS-Kurs das Saarländische Landesarchiv besichtigen, wobei ich erfahren habe, dass es auch dort einen Lesesaal gibt. Ein Tipp für alle Geschichtsinteressierten und Vergangenheitsstöberer ist also, mal im Archiv vorbeizuschauen und sich mit der Vergangenheit der eigenen Familie, des Heimatortes oder sonst einem Thema, das einem am Herzen liegt, auseinanderzusetzen. Pluspunkt bei diesem Vorschlag: geht auch bei Regen!
- Mein letzter Tipp ist ehrlich gesagt keine weltbewegende, innovative Idee und solltet ihr die Augen verdrehen und euch denken »Die hat aber ganz schön die Weisheit mit Löffeln gefressen, die 18-jährige Möchtegern-Intellektuelle!«, dann bin ich euch nicht böse, versprochen! Aber dann hoffe ich umso mehr, dass ihr über meinen abschließenden Reminder nachdenkt. Was ich nämlich nicht nur, aber auch im Theater immer wieder lernen durfte, ist, wie bereichernd und inspirierend der Austausch mit Menschen ist, die sich von einem selbst unterscheiden. Ob durch Alter, Interessen, Religion, Herkunftsland oder sonstigem ist dabei ganz egal. Noch vor einem Jahr war ich es gewöhnt, mich größtenteils Leuten meines Alters mitzuteilen, die größtenteils auch meine Meinungen haben und sich mit ähnlichen Dingen beschäftigen. Und natürlich will ich keinesfalls dazu aufrufen, sich nicht mehr mit seinen Freund*innen zu unterhalten, vielmehr will ich daran erinnern, dass man keine Scheu haben muss, sich auch auf mehr als oberflächlichen Small Talk mit Personen einzulassen, die eine andere Lebensrealität haben. Ich halte das nicht nur für sehr förderlich für die Erweiterung des eigenen Horizonts, ich würde sogar so weit gehen, es als zwingend notwendig in unserer leider immer kälter werdenden und verhärteten Gesellschaft zu bezeichnen. Denn wie sollen Demokratie und Verständnis füreinander funktionieren, wenn man nicht miteinander spricht, philosophiert, diskutiert? Mein letzter Tipp also: mal wieder ein längeres Gespräch mit jemandem führen, von dem man eigentlich gar nicht so viel weiß. Kann ein Familienmitglied, die ehemalige Kollegin oder der Nachbar, der immer so grummelig guckt, sein – hört gut zu.
So, kommen wir doch langsam mal zum Ende! Ich finde nämlich, sieben Tipps reichen absolut aus, schließlich kann man damit schon eine ganze Woche füllen und dann in der darauffolgenden Woche einfach nochmal von vorne anfangen! Und außerdem möchte ich noch einen ausgesprochen theatralen Abgang machen, also Achtung:
crescendo in der Musik
Spotlight
Glitzerregen aus dem Schnürboden
dramatischer Bühnentod
hörbares Atemanhalten im Publikum
Black
frenetischer Applaus (hoffentlich) Alles Gute
eure Lenke