Kategorien
Theaterblog

ICH BIN MÖGLICHKEIT.

Eine Heldinnenreise

LUCY (4,6 MILLIARDEN JAHRE). Schon im Titel sind sie enthalten und scheinen eine infame Erzähl-Behauptung für ein Theaterstück: die 4,6 Milliarden Jahre Erdzeitalter. Und dann der Vorname dazu: Lucy. Diese Kombination spielt mit dem Bezug von Person und Alter. Eine unglaubliche Dimension tut sich uns da auf. Und doch haben wir es mit einer Normalsterblichen zutun, die im Supermarkt an der Fischtheke arbeitet, in einem funktionalen Zuhause lebt und in unserer heutigen Manier die Woche mit Arbeitszeit und Pendelei verbringt. So weit, so klar. Doch etwas an dieser Frau scheint sie zu einer Prädestinierten zu machen, prädestiniert einem Ruf zu folgen.

Work hard, have fun, make history – von der Relativierung der Leistungsgesellschaft

Die französische Dramatikerin Gwendoline Soublin ist nach eigenen Aussagen seit Jahrzehnten Wissenschaftsbegeisterte, die sich insbesondere für die Paläontologie interessiert. Dieses große Thema fließt literarisch verdichtet in das Stück ein: die dramatischen Akte haben Kapitelüberschriften, benannt nach den rückwärtslaufenden Erdzeitaltern. Wir starten in der Jetztzeit, dem Kapitalozän und reisen über Pliozän und Kambrium bis ins Hadaikum, in dem Lucy schlussendlich dem ersten Einzeller-Organismus in einer Pfütze inmitten einer Asphaltwüste von Parkplatz begegnet. Dazwischen: das Jagen einer Sippe, das Verschwinden des homo sapiens, die orgiastische Sinnlichkeit einer Verschmelzung mit Flora und Fauna, fünf große Massenaussterben diverser Saurier – und Lucy, die überlebt. Lucy ist eine Zeitreisende, die beginnt anderen neu zu begegnen, vielleicht gar überhaupt erst zu begegnen. Und sich zu verbinden, jenseits von verbal ausgetauschten Inhalten, Gemeinsamkeiten, Geschäfts- oder Partnerschaftsinteressen. Was sie da ruft, ist existenziell. Ist Existenz, Sinnlichkeit, Sinnhaftigkeit. Vielleicht ist es ihr Name, der sie zur Auserwählten dieser Erfahrung macht – Lucy Afarensis ist der Name und Typus eines 1974 in Äthiopien gefundenen Skeletts, das von einer frühmenschlichen, sich noch unaufgerichtet fortbewegenden Menschenart stammt.

ICH BIN AM LEBEN. GANZ RUHIG

Der Auslöser ihres intuitiven 24-Stunden-Ausstiegs aus der Gegenwart der Leistungsgesellschaft ist eine tags zuvor erfahrene Beleidigung durch den Chef, der sie als Neandertalerin beschimpft. Ein stigmatisierender Automatismus, der sie kleinmachen und womöglich kleinhalten soll. Eine Erniedrigung, die eine Eigendynamik entwickelt. Doch wohin weist sie? Unerwarteterweise wird die Beleidigung in eine Stärke umgewandelt, in ein inneres Suchen, eine innere Suchbewegung. Schon bald mündet diese Verletzung in einer unterschwelligen, jedoch nicht minder grundlegenden Befragung: Was zählt der Mensch in Relation zur gesamten Erdgeschichte? Was wäre die Welt ohne den Menschen?

Zweifellos: sie wäre. Punkt. Der Mensch ist jünger als der Einzeller. Doch darum geht es Soublin nicht. Ihre Protagonistin, die in der deutschen Übersetzung von Corinna Popp übrigens im Plural von sich spricht – als Menschheitsvertreterin sozusagen – erfährt im roleback auch, dass sie für eine Gemeinschaft oder für schutzlose Lebewesen zählt. Sie wird angenommen und ist Teil. Inmitten der anachronistischen Fülle an Vergehen und Werden des Lebendigen erblickt sie sich selbst. Es sind die grundsätzlichen Erfahrungen menschlichen Lebens, die körperliche und soziale Dimensionen, die diese Erkenntnis bringen. Hunger, Kälte, Mitmenschlichkeit, Verwundbarkeit, die lebensspendende Kraft qua Biologie.

Selbstannahme als Schlüssel zu Verantwortung

Gleich einem wiederkehrenden Mantra wiederholt die Protagonistin ihr Alter und Gesamtverfassung zu verschiedensten Zeitpunkten im Stück: Sechsundvierzig, nicht mehr vital, erste Gebrechen kündigen sich an, verfärbte Zähne. Was anfangs eine beiläufig dargebrachte Figurenbeschreibung zu sein scheint, wird zur bewusst benannten Anzahl an Lebensjahren. Das Alter wird zum Überlebens- und Vitalisierungsmantra: Dieser Körper existiert, rennt, klettert, säugt, schwimmt, erträgt Hitze, Kälte, Wasser, Nacktheit, ist verwundbar, kann wieder heilen. Lucy Afarensis staunt über die eigenen körperlichen Fähigkeiten, über die Möglichkeiten des Seins. Aus dem isolierten Zustand einer durchschnittlichen Nutzerin dieses Planeten rauskatapultiert, hinein in die Synergiegemeinschaft der Sammler*innen und Jäger*innen, erfährt sie Initiation: Erst durch die Andersheit des Miteinanders jenseits von Leistungsgesellschaft folgt eine Erinnerung an eine entfernte Sehnsucht nach einer echten, weil solidarischen Gemeinschaft der Nähe. Hier liegt der Schlüssel zur Selbstannahme.

Überborderndes Sein – überbordende Theatermittel

Die Autorin schafft mit diesem dramatischen Gedicht weit mehr als eine Ausstiegsgeschichte: mittels Phantastik, Dokumentation und Poesie erwächst daraus ein wort- und bildgewaltiger Zugang zum Thema Selbstermächtigung, den Regisseur Sébastien Jacobi zusammen mit Ausstatterin Viktoria Edler in jedweder Hinsicht und Vielschichtigkeit aufgreift und würdigt. Jacobi hat in der Zusammenarbeit mit Christoph Iacono (Komposition) eine vom LandesJugendChor Saar unter Chorleiter Mauro Barbierato einstudierte Partitur geschaffen, die den Stellenwert des Sakralen von Arbeit in unserer Gegenwart genauso betont, wie auch das Hamsterrad des Repetitiven und erbarmungslosen Leistenmüssens. Ganz bewußt überlagert nicht nur die Gesangsebene Text und Spiel, sondern dazu auch Tanz, sprich Körper in Form der Choreographien von Charlotte Krone, Nobel Lakaev und Flavio Quisisana des Saarländischen Staatsballetts. Fast ist es, als flösse alles anfänglich getrennt Ausagierte – Sprache, Stimme, Körper – zunehmend zusammen: Lucy wird eins mit ihren Ausdrucksmitteln als Mensch.

Der filmische Zugang zum Stoff erschließt Soublins doppelte Suchbewegung: die Raum-Zeit-Entgrenzung bei gleichzeitigem Verhaftet-Sein in der Gegenwart schafft eine Distanz zum Gelebten. In dieser Distanz liegt die Chance einer relativierenden Betrachtung unsere Zivilisation mit ihren „Errungenschaften“ bis hin zur Selbstüberwindung durch die KI (Roboterbau und Programmierung durch Philipp Kaminski und Nils Fiene). Das Leben im Kapitalozän erscheint fragwürdig und doch kehren wir am Schlussende mit Lucy dorthin zurück. Die physikalischen Gesetze greifen, das entgrenzende Fabulieren bleibt Fiktion und doch: Lucys Perspektive ist nach getaner aventiure, nach bestandener Bewährungsreise, eine Andere.

ICH HABE EINE SPUR HINTERLASSEN

Mensch mag meinen, dass der Fakt sich als lebendig zu beschreiben nicht nennenswert ist. Soublin, Jacobi und Schauspielerin Laura Trapp beweisen uns das Gegenteil. Diese Selbstwahrnehmung macht Selbstbestimmtheit erst möglich. Und möglicherweise hängt mit ihr auch ein kollektiver Wunsch zusammen: als Menschheit relevant zu sein. Mit Verantwortung für Planet und Gemeinschaft.

Also, worauf warten wir: 3,2,1, 0 und gütig miteinander ins neue Sein – los.

Bettina Schuster-Gäb

Kategorien
Theaterblog

„Klassische Musik ist kein Luxus“

Können Sie uns Ihr Cello vorstellen?

Ich habe mich in mein Cello sofort verliebt. Für mich hat es einen wunderbaren warmen und wandlungsfähigen Klang, der mir erlaubt, meine cellistischen Qualitäten auszuleben. Ich habe das Glück, auf diesem Instrument nun seit über 20 Jahren spielen zu können und es ist in der Tat so etwas wie ein Lebenspartner geworden, zumindest was mein musikalisches Leben angeht. Das Instrument gehörte früher den deutschen Cello-Legenden Hugo Becker, Rudolf Metzmacher und Ludwig Hölscher – das verpflichtet mich, mein Bestes zu geben!

Sie haben renommierte Preise gewonnen und konzertieren mit bedeutenden Orchestern – gewiss wichtige Stationen in ihrer Laufbahn. Was zählt für Sie persönlich in ihrer Musikerbiographie?

Was bleibt, sind die Begegnungen und Freundschaften mit Musikern. Sei es die erste Begegnung mit Slava Rostropovitch, den ich im Alter von 8 Jahren zum ersten Mal hörte, die Unterrichtsstunden mit ihm 15 Jahre später, wunderbare Erinnerungen an Konzertorte wie die Carnegie Hall oder die Wigmore Hall oder eben besonders beglückende Zusammenarbeiten mit Dirigenten und Orchestern, wie dem Saarländischen Staatsorchester zuletzt mit Elgars Cellokonzert!

Ich bin sehr dankbar, dass ich im Laufe der letzten 30 Jahre mein künstlerisches Leben genießen konnte in einer großen Bandbreite von Kammermusik, solistischen Darbietungen, Konzerten als Dirigent, als Pädagoge und nicht zuletzt als Familienmensch mit vier Kindern. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringen wird!

Wolfgang Emanuel Schmidt | Foto: Markus Jans

Hollywoodklänge, romantisches Solokonzert und südamerikanische Kammermusik – Ihre Programmauswahl für die Konzerte in Saarbrücken zeigen ein enormes Spektrum. Worauf freuen Sie sich als Artist in Focus bei uns besonders?

Ich hatte die große Freude, bereits zweimal bei Ihnen zu Gast zu sein – mit den Cellokonzerten von Walton und Elgar. Ich habe das Orchester als hervorragenden Klangkörper und idealen musikalischen Partner kennenlernen dürfen. Insofern freut es mich außerordentlich, Artist in Focus zu sein und eine Reihe von Programmen zu gestalten – mit dabei eines meiner Herzstücke, das Cellokonzert von Robert Schumann.

Mein ganzes Leben habe ich mich um künstlerische Vielseitigkeit bemüht. Ich spiele viel Kammermusik, gastiere als Solist und Dirigent, bearbeite Musik für verschiedene Besetzungen und versuche zum Beispiel in Konzerten mit meinem Kammerorchester Metamorphosen Berlin, neue Programmideen zu verwirklichen. Meine Gastspiele in Saarbrücken spiegeln dieses Bestreben wider: Wir haben das große romantische Konzert, ein unbekannteres Werk des letzten Jahrhunderts (das Cellokonzert von Chatschaturjan im 3. Sinfoniekonzert), Kammermusik und zum Abschluss einen Abend mit Filmmusik, durch den uns die deutsche Stimme von James Bond alias Daniel Craig – Dietmar Wunder, ein guter Freund, führen wird. Als großer Filmfan ist dieses Konzert für mich ein persönliches Highlight.

Welches Potenzial hat klassische Musik für Sie in einer Zeit knapper Kulturetats und gesellschaftlicher Umbrüche?

Die letzten Jahre haben uns vor viele, bis dahin nicht vorstellbare Herausforderungen gestellt: Corona, Kriege, eine Neuausrichtung des Lebens durch die Digitalisierung, soziale Spannungen … In dieser so ungewissen Situation zeigt sich meines Erachtens gerade, wie wichtig klassische Musik als verbindendes Element sein kann. Musik als universelle Sprache – unabhängig von Nationalitäten, Sprachbarrieren, politischen Gesinnungen. Leider wird die verbindende Kraft der Musik in den Zeiten fehlender Finanzen viel zu oft als entbehrlich angesehen. Ich denke, dies ist ein großer Irrtum. Musik, Kreativität, Zwischenmenschlichkeit und Kommunikation – das sind die Felder, die wahrlich „menschlich“ sind, die uns als Menschen ausmachen, uns einen Sinn geben und die – zumindest auf absehbare Zeit – nicht von Künstlicher Intelligenz übernommen werden können.

Insofern sind Klassische Konzerte und damit verbunden die musikalische Ausbildung kein „Luxus“, den man in schlechten Zeiten einsparen kann, sondern existentiell wichtig für unsere Gesellschaft, insbesondere für die Persönlichkeitsbildung und Entwicklung junger Menschen. Interview: Stephanie Schulze

Kategorien
Theaterblog

Die Unsicherheit und Schönheit des Dazwischenseins

Vamos, Corazón ist ein Abend über Herzen, die zwischen zwei Kontinenten schlagen.

Auf der Bühne verweben sich persönliche Geschichten mit traditionellen und modernen Rhythmen Lateinamerikas: der treibende Puls des Guaguancó, die entfesselte Energie des Mapalé, das Schweben einer Ballade oder der Gesang einer Gaita. Moderne Folklore erzählt davon, wie zeitlos die Liebe zur eigenen Kultur und der Herkunft ist und lädt dazu ein, das Leben mit all seinen Hindernissen, Höhen und Tiefen zu feiern.

Klassiker wie „La Bruja“ greifen Themen wie Körper, Identität und Feminismus auf und verbinden sie mit gelebten Geschichten.

Unser Repertoire ist Erinnerung und Gegenwart zugleich und jedes Stück eine Brücke. In „Yoruba Andando“, einem kubanischen Guaguancó, der seine Wurzeln in der Yoruba Religion hat, erklingt ein Loblied auf Elegguá, den Gott, der Wege öffnet, während „Sabor a viento“ die Unsicherheit und Schönheit des Dazwischenseins besingt – ein Leben zwischen Orten, Sprachen und Zugehörigkeiten. Die Klänge sind nicht bloß Begleitung der Geschichten, sie sind ihre Resonanz, ihr Spiegel und manchmal ihr Vorgriff.

Getragen wird das musikalische Gerüst von Menschen, deren Biografien selbst aus Übergängen bestehen. Jhonatan Giraldo, geboren in Pereira, Kolumbien, bringt mit seiner Gaita und dem Tambor Alegre den Atem seiner Heimat in jede Improvisation ein. Wo er ist, ist auch seine Kultur, sind seine Klänge und die Liebe zu seiner Herkunft. Und auch meine Stimme lässt deutsche und ecuadorianische Wurzeln erklingen: aufgewachsen zwischen zwei Kulturen, zwischen Sprachen und Geschichten, öffnet sich mir im Klang immer wieder ein Ort, der beides zugleich enthält. „Sabor a Viento“ ist eine Spur dieses Weges.

Vamos, Corazón ist für mich eine Feier der Wege, die sich kreuzen, verlieren und wiederfinden – ein Abend, der zeigt, wie Erinnerung und Gegenwart im Klang ineinanderfließen können.

Kategorien
Theaterblog

fritz kater
apparat future 2

1
zukunft ist verlängerung der gegenwart/vergangenheit und eben auch nicht/
beim lesen wird mir klar dass alles so kommen kann wie es da steht/
aber eben auch nicht muss!
die scheinbar dystopische beschreibung könnte viel schlimmer sein!/ aber
eben auch viel besser..
natürlich ist es eben wirklich eine frage was gut/ schlecht ist..
und mir wurde sehr klar /dass es eben sehr wohl (! ) an jedem einzelnen liegt
wie es in 20 /30 jahren sein wird/
also wie unsre kinder dann leben werden/und der rest von uns/
das bedeutet /dass das stück eben auch eine aufforderung bedeutet: seine eigene position (mit hilfe des textes
ausfindig zu machen /und wenn möglich/hinsichtlich seiner eigenen möglichkeiten/einschätzungen und absichten
danach auch folgerichtig zu handeln…
2
persönlich ist der gedanke unangenehm:
dass es »dann«(zukunft) irgendwie immer eine art »abrechnung« gibt/
Und das sowohl: von den anderen/ als auch von einem selbst!
wenn man dazu noch zeit hat/sie sich nimmt /
also wie weit ist man selber gegangen auf dem weg ?/in welche richtung?/
wo hätte er/ich/sie/es anders abbiegen sollen/können?/vielleicht müssen?
..
wobei der gedanke wohltuend ist/dass die jeweiligen determinationen/

die die personen grundiert/führt und beschränkt/ schon ziemlich umfangreich ist/
(also wie sich frau/mann/weisser /schwarzer/alter/junger/kranker/starker reicher/armer /diverser zu
verhalten haben:
angesichts der jeweiligen sozialen/moralischen/kulturellen/ökonomischen /politischen vorstellungen
einer gesellschaft)
will sagen: mein »gestaltungsfreiraum« ist eben gerade nicht so »enorm« wie es
werbung/erziehung/medien/der staat/ und alle anderen einem
suggerieren/das heisst einerseits mein »eigenanteil an weltveränderungspotential« ist definitiv
gering/
aber!/das abschieben der verantwortung auf die »herrschenden« ist eben auch eine lüge/weil sie es
ja nicht sind :»die herrschenden«/
sondern nur die menschen /»die uns und viele güter besitzen«/
(als auch die ästhetische deutungshoheit:»der herrschende geschmack ist der geschmack der
herrschenden«b.b.)
aber alles (!) ist immer in bewegung (also auch die herrschaftsverhältnisse!)/also sollten wir uns
doch einmischen!
3
die 3- teilung des textes hat mehrere gründe /einmal geht es in der tat darum ästhetisch so etwas
wie ein tryptichon herzustellen /
als eine art »altar mit 3 seiten« (der nacheinander aufgeklappt werden kann)/(vielleicht im kontext
zu
marys ästhetischen vorstellungen)/
..wo die einzelnen flügel sich gegenseitig beleuchten/und so eine mehrdimensionalität »erscheinen«
könnte/
andererseits geht es darum verschiedene möglichkeiten/tangenten vom heute in die zukunft zu
ziehen/und zu verlängern/
Und diese sich hypothetisch zu vergegenwärtigen..
und schlussendlich finde ich das »spiel mit der zeit« reizvoll/will sagen/in beide zeitachsen (vor-
zürück) ist
eine darstellung möglich!!/wobei die rückwärts laufende mir zwar schwieriger /aber nach wie vor
reizvoller
erscheint/

4
die 3 bücher/
bilden imaginiert 3 verschiedene aufeinanderfolgende zeiten ab:
(vor allem aber ja 3 verschiedene orte:) 4.1.
buch 3( kurz nach dem 3. weltkrieg )zeigt eher ein gemälde wie ich es mir nach dem 30-jährigen krieg
in
europa vorstelle:
alles liegt noch in schutt asche/hunger krankheiten gewalt überziehen das land
und wir sehen 2 menschen (wanna und foe) wie sie einen ähnlichen weg richtung »gelobtes land«
erleben/erstreben/unterschieden (aus weiblicher und männlicher sicht/) am ende ein temporäres
glück(wie jedes glück)
von jungen menschen /die noch einen langen weg vor sich haben/

4.2.
spielt einige zeit/(jahre später )in einer megametropole/die schon absolut überwacht und technokratisch organisiert ist/
(ich war nur einmal in china in einer 34 millionen-stadt aber so »dinge« habe ich da gefühlt)
hier agieren die ki- figuren als anwälte des staates /als ordnungsapparate /aber auch als produzenten /therapeuten und management-
ausführende in unterschiedlichen rollen/
foe und mary sind 2 »humanoide«(hier im sinne von »teilmenschlich« verstanden) aussenseiter /beide verletzt/
er/psychisch -sie physisch/
sie bilden ein ungleiches paar und mary versucht eigentlich durch und über: kunstproduktion und kunsterörterung /
so etwas wie ein produktives auf kommunikation /spiel und/oder manufaktur beruhendes leben zu schaffen /
in einer welt in der es scheinbar keinen »widerstand« sondern nur noch entropie/also: den versuch zur absoluten ordnung
Gibt/
(in diesem teil wird deutlich /dass nicht die ki-robots »böse« sind /sondern die memschen /die sie programmieren(lassen)
aber auch /dass in dieser(!) ki-welt so etwas wie »widerstand« ähnlich wie bei »1984« oder in »brazil«
kaum noch eine chance hat…
4.3.
hier noch einige zeit später sehen wir die »absolut andere seite/«
Wir sind in :
einer völlig zerstörten müll- und todeswelt/ auf der die ausgestossenen /kaputten aber eben noch »überlebt habenden/«
versuchen zu existieren/ und neue oder scheinbar alte (?)formen des zusammenlebens ausprobieren /reorganisieren/
Diese welt ist erstaunlicherweise grösstenteils (wie heute in somalia/jemen /haiti z.b) längst realität/
(nur eben nicht unsere)
..
spannend wird die experimentieranordnung für »privilegierte zuschauende« dadurch/dass eine »ausgestossene person der oberen mittelschicht«
(anthony) versucht:
in die welt der freaks/halb-menschen und outlaws einzudringen /diese begehren nach einem »anderen« leben bezahlt
Der aus dem chor der bürger ausgestossene(anthony) relativ schnell mit dem tod /
weil er die herrschenden »archaischen« regeln nicht akzeptiert/versteht/wahrhaben will/
..
celine/rimbaud/jack london(wolfsblut)/tolstoi(der lebende leichnam)/marianne herzog(nicht den hunger verlieren) haben
solche »reisen« in andere milleus /kontinente und lebensentwürfe schon vorher beschrieben und teilweise(rimbaud) dafür mit ihrem eigenen leben bezahlt..

seltsamerweise erscheint in diesem teil der hauptaspekt des sonstigen textes:»die einsamkeit«
eine eher untergeordnete rolle zu spielen!
/vielleicht weil die unglaubliche anstrengung des überlebens dazu keine zeit lässt oder
Diese systeme (trotz ihrer härte) eine relative stabilität erzeugen/darstellen..
5
die ki figuren sind möglichst symphatisch oder zumindestens komisch gestaltet/
Und darzustellen!!!
(wie gesagt: sie selber können nicht »böse« (sein allerhöchstens die programmierer/)
gerade in ihrer unfertigkeit/naivität liegt ihr charme ihre komik!/
und manchmal eben auch (wie bei wanna-ki) ihr widerstandspotential..
6
die genre der 3 bücher untescheiden sich und soll(t)en auch möglichst unterschiedlich dargestellt werden/
so dass das triptychon wirklich plastisch wird!
..
buch 2 ist eine melancholische komödie mit starken essayistische zügen/
buch 3 ein roadmovie und natürlich eine liebesgeschichte aber auch ein »coming out of age drama«/
buch 1 der eigentlich science fiction: anfangend mit einer art »teacher-stand up comedy« so ist zumindstens der plan!!!

Kategorien
Theaterblog

Momente der Befreiung

Stephanie Schulze: »Hoffmanns Erzählungen« verbindet mehrere Liebesgeschichten, in denen der Erzähler Hoffmann selbst zum Protagonisten wird, in einem Spiel zwischen »Realität« und »Phantasie«. Was hat deine Phantasie entzündet, als du dich diesem Stück genähert hast?

Bente Rolandsdotter: Wir gehen mit unserer Produktion auf die Reise in eine Welt von Erinnerungen und Nostalgie, von Liebe und Zweifel. Der große Humor, aber auch der Umgang mit Liebe und Wahnsinn in »Hoffmanns Erzählungen« verlangen nach phantastischen, überdrehten Kostümen. Für die Kostüme waren übergroße, markante Silhouetten und eine sorgfältig zusammengestellte Farbpalette eine große Inspirationsquelle. Kardinäle, die sich in Schachfiguren verwandeln, eine gnadenlose Studentengruppe in der Uniform toxischer Männlichkeit und eine Party am frühen Morgen, die die Form eines Bacchanals annimmt.

In welche Räume führt ihr Hoffmann und auch das Publikum?

Marian Nketiah: Die Räume, die der Zuschauer erlebt, sind vielmehr Gedankenwelten als reale Orte. Es sind Versatzstücke aus Hoffmanns Erinnerungen – etwa der Balkon einer Wohnung, der Altar einer Kirche, die Duschen einer Jungen-Umkleide. Orte, an denen prägende Momente erlebt und Erinnerungen geschaffen wurden. Ähnlich wie an einem Filmset existieren diese Orte gleichzeitig und nebeneinander und bilden die Kulissen für einzelne, fragmentarische Momente und Szenen, die als eine Art »Kopfkino« Hoffmanns bezeichnet werden können. Dieses »Kopfkino« erleben wir als Zuschauer nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf der Leinwand, die stetig um das Bühnengeschehen kreist und auf der immer wieder Videoprojektionen zu sehen sind. In den Videos sehen wir entscheidende Momente zwischen Hoffmann und Stella.

Szene aus »Hoffmanns Erzählungen«

In den Videos sehen wir dann entscheidende Momente zwischen Stella und Hoffmann an realen Orten, jedoch nicht frei von Surrealität, wenn zum Beispiel durch Schnitte Räume nahtlos gewechselt werden können bzw. ineinander übergehen. Oder Figuren scheinbar durch Wände gehen können. Das ist sehr nah an Hoffmann.

Auf der Bühne führt ihr das Thema der gespaltenen Persönlichkeit und auch das Spiel mit Doppelgängern fort. Hoffmann taucht gleich mehrfach auf …

BR: Es handelt sich um einen traumähnlichen Zustand, in dem Hoffmann durch Erinnerungen und Reflexion versucht zu verstehen, was in der Beziehung schiefgelaufen ist. Indem wir mehrere Hoffmanns in jeweils unterschiedlichem Alter auf der Bühne haben, schaffen wir für ihn die Möglichkeit, seine Vergangenheit neu zu gestalten und sich seine Zukunft vorzustellen. Diese vielschichtige Erzählweise zeigt sich im Kostüm durch eine dunkle, verzerrte Sicht auf die Welt, die auch von grotesken Gestalten bevölkert wird. Erinnerungen verschmelzen mit verworrenen Alpträumen. Das geblümte Hemd von Hoffmanns erstem Date geht über in einen verwaschenen Bademantel und später in ein übergroßes, fleckiges Künstlerhemd. Die warme Farbpalette mit nostalgischen Rosa- und Orange-Tönen, sowohl bei Hoffmann als auch bei Stella, trifft auf das gnadenlose Schwarz-Weiß der Außenwelt.

Die Episoden lesen sich als Variationen von Fehlschlägen in einer Liebesbeziehung zwischen zwei Künstlern. Wer ist Stella bzw. die anderen drei Frauen? Und wie seid ihr mit dem männlichen Blick auf Stereotypen von Weiblichkeit umgegangen?

BR: In unserer Version lebt Stella in Hoffmanns Erinnerung, als seine Nachbildung dessen, was passiert ist. Hoffmann sieht in diesem Rückblick Stella in verschiedenen Versionen, stereotype Frauenfiguren seiner eigenen Erinnerungen: Sie wird zur Braut (Olympia), die in einem riesigen Brautkleid ertrinkt, zur künstlerischen Seelenverwandten (Antonia) im passenden Partner-Bademantel und zuletzt zu einer Mischung aus dekadenter Nachtclubsängerin und mythologischer Sirene (Giulietta), die von ihrer Klippe ruft. Für Hoffmann stellt Giulietta die sexuelle Bedrohung einer Frau dar, die ihre Sexualität unter Kontrolle hat, während er selbst als alternder Mann seine frühere Stärke verliert.

Es gibt noch eine andere Frau, die Hoffmann begleitet. Die Muse, die bei euch in ihrer ganzen Körperlichkeit erscheint. Wie habt ihr zu dieser besonderen Erscheinung gefunden?

BR: Wir wollten, dass Hoffmanns innere Kräfte mit Ego und Muse auf der Bühne Gestalt annehmen, ein Yin und Yang des Geistes, nackte Zwillingsengel, die um die Kontrolle über seine Gedanken ringen und kämpfen. Die Nacktheit der Muse ist aus einem langen Prozess erwachsen. Ich habe nach einem freien weiblichen Körper gesucht, frei von jeglicher Norm und sexuellen Konventionen. Ein weiblicher Körper, der gleichzeitig menschlich, lustig, schön, funktional und auch müde sein darf.

Um diesen Bodysuit anzufertigen, habe ich alles Mögliche ausprobiert: Wie bewegt sich die lose Haut des Arms, wo genau geht die Wölbung der Schulter in die Rundung des Bauchs über und wie groß ist eine »ganz normale« Brustwarze? Muses Körper aus Trikotstoff, Schaumstoffperlen, Polsterung und Silikon zu erschaffen und dabei ohne Wertung oder mit dem Wunsch nach Konformität oder Kontrolle auf ihn zu blicken, war eine Befreiung. Es geht mir dabei auch darum, sich selbst und andere mit Neugier und Freude zu betrachten.

Szene aus »Hoffmanns Erzählungen«

Der Körper ist ein wichtiger Topos sowohl in E.T.A. Hoffmann’s Erzählkosmos als auch in der Oper: nicht nur der als schön gelesene Frauenkörper, auch der deformierte Körper von Kleinzack, der leblose Puppen-Körper von Olympia, der kranke Körper von Antonia, die Macht und Ohnmacht im Zusammenhang mit Sex … Wie spiegelt sich dieses Thema in eurer Performance wider?

BT: Auch der männliche Körper wird in unserer Inszenierung thematisiert. Während Hoffmann nach Klarheit darüber sucht, warum seine Beziehung gescheitert sind, wird sein Körper als Träger von Zugehörigkeit und als einzige Grundlage seiner Existenz greifbar. Es stellen sich Fragen: Wo beginne ich, wo höre ich auf? Ich wollte, dass die drei verschiedenen Altersstufen von Hoffmann durch Farbe und Muster miteinander verbunden sind, aber das Gefühl des Kostüms spiegelt auch wider, wie Hoffmanns Körper im Verlauf der Aufführung immer verletzlicher wird.

Vielen Dank für den Einblick in eure Gedanken!

Kategorien
Theaterblog

Eine Oper zwischen Erinnern und Vergessen

Jacques Offenbach und sein Librettist Jules Barbier basierten »Les contes d’Hoffmann« auf mehreren Erzählungen des extravaganten deutschen Romantikers E. T. A. Hoffmann, Autor von Phantastik und Schauer-Literatur. In der Oper tritt der Autor Hoffmann selbst als Protagonist auf. Es ist eine Geschichte über das Geschichtenerzählen – eine metatextuelle Form, in der die Geschichte einen kritischen Kommentar zu sich selbst abgibt.

Während Hoffmann sich an seine vergangene Liebesbeziehung mit Stella erinnert, fragt er sich nach den möglichen Gründen, warum diese Romanze zu Ende ging. Seine Erinnerungen sind widersprüchlich – weniger von Fakten und Ereignissen bestimmt, sondern eher ein Strudel von Assoziationen und Eindrücken. Durch das Erzählen versucht Hoffmann, dem emotionalen Chaos in seinem Herzen und Verstand einen Sinn zu geben – ähnlich wie bei einer Psychotherapie.

Szenenfoto Hoffmanns Erzählungen @ GöteborgsOperan/Lennart Sjöberg

Offenbachs Oper funktioniert wie ein Kaleidoskop. Elemente aus den Erzählungen Hoffmanns reflektieren sich gegenseitig wie in einem Spiegel. Dieses Prinzip gilt sowohl für den Text als auch für die wiederkehrenden musikalischen Muster der Komposition.

Jede Spiegelung offenbart einen weiteren Aspekt derselben Erinnerung – die von Hoffmanns Beziehung zu Stella. Stella ist Olympia ist Antonia ist Giulietta ist eine Frau und drei Frauen zugleich. Es war Offenbachs Wunsch, dass alle diese Rollen von einer Sopranistin gesungen werden. Tatsächlich offenbart jede Seite von Stella jedoch eine andere Wahrheit über Hoffmann selbst.

In seinen Erinnerungen begegnet Hoffmann sich selbst als junger idealistischer Mann in der Geschichte von Olympia, dann als männlicher Schriftsteller, der sich durch das künstlerische Talent seiner der Sängerin Antonia bedroht fühlt, und als desillusionierter Mann neben der gefährlich verführerischen Giulietta.

Szenenfotos Hoffmanns Erzählungen | Foto: GöteborgsOperan/Lennart Sjöberg

Hoffmanns Erzählkunst ist ein kreativer Prozess, um seine Persönlichkeit zu enthüllen. Wir begegnen drei verschiedenen Hoffmanns – drei Überlagerungen, die Hoffmann zum Geschichtenerzähler machen. Jeder Akt hat eine ähnliche Grundstruktur, die von Märchen inspiriert ist – es gibt eine Prinzessin (Stella, Olympia, Antonia, Giulietta), einen Torwächter (Lindorf, Coppélius, Dr. Miracle, Dapertutto) und einen Prinzen auf seiner Mission, die Prinzessin zu retten (Hoffmann).

Hoffmann wandelt durch die Landschaft seiner Erinnerungen wie durch ein Filmset seines Lebens. Es ist keine lineare Erzählung, sondern eine endlose Spirale, der er folgt. Seine Erinnerungen sind von Nostalgie, Bedauern und Hoffnungen geprägt.

Die Perspektive auf die Geschichte ist keine objektive, sondern ganz subjektiv durch den Impuls der Erinnerung gefärbt. In diesem Prozess versucht Hoffmann, sich von seiner obsessiven Liebe zu Stella zu befreien. Seine Befreiung besteht darin, seine Obsession zu erkennen und ihr eine Form zu geben – die der Geschichten, die er erzählt.