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Der Dramaturgieschreibtisch

Täglich grüßt die Menschheitsgeschichte

Die virale Krone als Teil davon begreifen und das Unerwartete erwarten.

Eine Text, der in der sparte4-Notfrequenz läuft: https://www.staatstheater.saarland/sparte4/konzertsaison/detail/die-sparte4-notfrequenz

Es war einmal das Leben.
St. Martin.
Yakari.
Jim Knopf.
Lucky Luke.
Igraine Ohnefurcht.
Der kleine Maulwurf als Astronaut.
Kleine Raupe Nimmersatt.
Vicky der Wikinger
Drache Kokosnuss bei den Mayas.
Pippi Langstrumpf.
Pumuckl.
Daffwejder.

Seit etwa einem Jahr werde ich zur Menschheitsgeschichte befragt. Wie die Römer auf die Idee gekommen sind Straßen zu bauen? Wo Walhalla liegt? Ob sich Astronauten manchmal einsam fühlen? Warum Menschen kein Geld haben und ob es überhaupt wichtig ist? Auch zum Körper. Zum Leben und zum Tod.

Mein Sohn ist 7 und saugt die Welt mit einer Selbstverständlichkeit auf; ungefiltert und blank, wie sie sich ihm eben auftut. In den meisten Situationen ist die sich daraus ergebende Erkenntnis für mich verblüffend schön: es mangelt nicht an Antworten oder neuen Fragen rund um die sich ihm auftuenden Phänomene. Doch seit der Heimsuchung durch das Virus mit Krone schmerzt die sachliche Nüchternheit, mit der ich nun antworte – es sind Erklärungen der Jetztzeit, schützende, manchmal auch angsteinflößende. Und kein Held oder Heldin dahinter, keine große Nation wie die Römer, kein fleischfressender Oschidino wie der T-Rex, keine hochstapelnde Pippi. Dafür – und das mit ganzem Einsatz – natürlich die systemrelevanten Berufen, die er nun also auch schon kennt. (Mama gehört nicht dazu.)

Erklärungsklassiker, täglicher: Nicht popeln, weil er sich damit das Virus in den Mund schiebt. »Kann ich das auch bekommen?« – Ja. »Und ist das schlimm?« – Weiß ich nicht, das kommt auf den Verlauf an. – »Was heißt `Verlauf´?« Wie sich die Krankheit entwickelt. Außerdem kannst du es so auch an andere weitergeb- … – Kopfkino stopp. Gut, das ist die Angstschiene.

Aber es gibt auch den Entschleunigungsaspekt, den dieses Virus über uns bringt und den bekam mein Sohn sehr wohl mit. »Es ist gerade so schön ruhig und Schule mit euch ist toll.«, sagte er in seinem Wohlfühlton und meint vermutlich Toll, wieviel Zeit wir zusammen verbringen. Nebst dem Schreibtisch und seiner neuen Peer-Group 40+ (also uns) wurden der Wald und der Innenhof, sein Zuhause, seine Entdeckungsräume. War es denn nur schlecht, dass die allgemeine Geschwindigkeit, die sich exponentiell zu entwickeln schien und ein irres Erlebnis-Tempo vorgegeben hat – nicht zuletzt durch wegfallenden oder zumindest minimierten Konsum und minimierte, konzentrierte Kommunikation – nachließ, dass sich Erfahrungsfelder im Lokalen aufgetan haben, dass Körper, Bewegung, Berührung als Sinnesfelder (und nicht als Kult-, Mode- und Vermarktungs-Felder), ja, scheinbar entdeckt wurden?

Hier schlägt ein Gedanke an, den der Philosoph Byung-Chul Han so treffend runterbricht, wenn er beschreibt, dass »die heutige Hyperkommunikation die Freiräume des Schweigens und der Einsamkeit [unterdrückt], in denen es erst möglich wäre, Dinge zu sagen, die es wirklich verdienen, gesagt zu werden. Sie unterdrückt Sprache, zu der wesentlich das Schweigen gehört.« Der Preis dieser Entdeckungen war und bleibt freilich hoch: die jetzige Ausstoppung kam ungefragt und war fern davon selbst entschieden worden zu sein.

Klare Schlussfolgerung: Utopien müssen her.

Meine Rede. (Und Theater vertritt diese Forderung auch stetig und ständig.) Der Kulturwissenschaftler Jörg Metelmann schreibt in seinem zusammen mit Soziologe Harald Welzer herausgegebenem Buch Imagineering. Wie Zukunft gemacht wird:

»Wir genießen heute einen zivilisatorischen Standard in Sachen Freiheit, Sicherheit, Gesundheit und Wohlstand, der historisch unvergleichlich ist. Aber der materielle Stoffwechsel, auf dem dieser Fortschritt beruht, ist im 21. Jahrhundert nicht fortsetzbar.«

Er fordert ein Neudenken ein – den utopischen Realismus. Der Co-Herausgeber und Soziologe Welzer selbst versucht mit Initiativen wie futurzwei seit mindestens einem Jahrzehnt das Storytelling unserer Lebenswirklichkeit zu ändern: gemeint sind damit zukunftsweisende Geschichten für eine zukunftsträchtige Zukunft, statt Zukunftsmärchen vom ewigen Wachstum und daran geknüpften Wohlstand, die einen Großteil der Menschheit ausschließen und den planetaren Bankrott ignorieren.

Die Menschheitsgeschichte kam bei P wie Pandemie an, aber es bei diesem Story-Ausgang zu belassen, das verweigert nicht nur mein Sohn, das verweigere auch ich. Die Welt, die Zeit in pre und post aufzuteilen, ist mir schlichtweg zu viel verschenkter Fokus an ein Virus. Lieber will ich lernen und nach neuen Held*innen und neuen Geschichten Ausschau halten.

Auf was also kann mein Blick durch diese pandemische Ausnahmeerfahrung gelenkt werden und an was hält er, der Pandemie zum Trotz, fest?

Aus der praktischen »Menschheitsheld*Innenforschung« als Mama weiß ich, dass St. Martin nur derartig erfolgreich Nächstenliebe betreiben konnte, weil er eine ausgewogene Work-Life-Balance praktizierte und Jim Knopf die eine berühmte Reise mit Lukas dem Lokomotivführer unternehmen konnte, weil er keinem Leistungs- oder medialen Entdeckungsdruck ausgesetzt war und auch der kleine Maulwurf entdeckte pro Tag vor allem eine großartige Sache. Ein Akt bedeutete einmal alles.

Aufmerksamkeitsstreuung bedeutete nicht Spektrum, sondern war eine zersetzende Kraft. Doch vielleicht geht es nicht um ausgewogenes oder selektives Tun und Erleben, nicht um Erleben überhaupt, sondern um viel weitreichendere Sinnesöffnung: darum, das Unerwartete zu erwarten. Oder das Unerwartete zu erwarten. Fast auch zu suchen.

Was steckt nicht alles im Alltäglichen, in einem selbst, in den Möglichkeiten von Welt und Welterleben, das wir nicht kennen, weil wir es noch nie gedacht, also gedanklich zugelassen haben?

Ich mache meine Sinne, auch wenn sie von pandemischen Anforderungen ermüdet sind, also auf. Horche in den unentschlossen stillen Stadtdschungel.
Horche in ein gespenstisch leeres Theater.
Und warte angespannt und doch belustigt auf die neuen Geschichten, die man sich (und dort) erzählen wird.
Vom Leben mit dem Virus. Das ein gutes, weil erlebnisreiches, werden kann.
Das neben der sozialen auch die nicht zu planende Dimension unseres Sein wiederentdeckt.

Mein Sohn zuckt ob derlei Tiefgang gekonnt mit den Schultern: ist nicht ständig alles anders?
Selbsterfundene, verlebendigte Menschheitsgeschichte eben.

Programmtipps dazu:

Nachdenken über einen spielerischen Ansatz mit Wirklichkeit:
PUCK TRÄUMT EINE SOMMERNACHT
Stückentwicklung von Alice Buddeberg und Ensemble
Nach der Komödie »Ein Sommernachtstraum« von William Shakespeare
In der bearbeiteten Übersetzung von Rebekka Kricheldorf

Nachdenken übers Außen und Erlebensängste:
DAS FENSTER. EINE SCHAUERGESCHICHTE FÜR DIE LETZTEN GENERATIONEN
Eine Stückentwicklung von Mandy Thiery und Thorsten Köhler nach Motiven von J. M. Barrie

Nachdenken über entmenschlichte Systeme:
EINE KURZE CHRONIK DES ZUKÜNFTIGEN CHINAS
Schauspiel von Pat To Yan
Europäische Erstaufführung

Nachdenken über Materialismus:
DER GEIZIGE
Komödie von Jean-Baptiste Molière

Nachdenken über die Zustimmungskultur:
Byung-Chul Han: Die Austreibung des Anderen. Gesellschaft, Wahrnehmung und Kommunikation heute. Frankfurt a.M. 2016

Nachdenken über das Erfinden möglicher Zukünfte:
Jörg Metelmann und Harald Welzer: Imagineering. Wie Zukunft gemacht wird. Frankfurt a.M. 2020

Bettina Schuster-Gäb,
Schauspieldramaturgin

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Botschaften, die auf der Straße liegen III.

Everyday, life gives you a new occasion. You can call it tomorrow.

Jeden Tag schenkt dir das Leben eine Möglichkeit. Nenn es »morgen«.

Die Möglichkeit auf Veränderung. Auf Neuentscheidung. Auf Neubetrachtung. Das ein Geschenk zu nennen, ist nicht untertrieben.

Die zweite Haut meiner Kollegin brachte die Erkenntnis. Bewußtheit braucht der Mensch. Und neues Storytelling.

Bettina Schuster-Gäb,
Schauspieldramaturgin

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Botschaften, die auf der Straße liegen II.

Zum Nicht-Frauentag am 17. März 2021
(auch noch übermorgen gültig)

Heute ist kein Frauentag und morgen auch nicht. Und auch gestern war er es nicht. Er wird wiederkehren, sicher, nur Geduld. Aber, tja, ich habe ihn schlichtweg verpasst. Ein Tag im internationalen Kalendarium, der einfach zu schnell vorbeigeht. Unsere Geschlechtlichkeit hingegen bleibt 365 Tage im Jahr unsere Identität. Also, meistens ist sie folglich da. Manchmal für die Anderen sichtbarer als für eine selbst. Und bestimmender, determinierender als eine meint.

Ich hatte ein längeres Gespräch mit einem Mann neulich. Er steht mir nah und so war ich doppelt verwundert über eine fehlende Erfahrung in seinem Leben: nämlich, dass die Einschätzung und Behandlung durch Andere, zumal wenn sexualisiert, das eigene Handeln zuweilen lähmt oder zumindest nicht unbeeinflusst lässt. Ist es, weil er als Mann anders sozialisiert ist? Oder weil er ein anderer Mensch ist? Sind meine internationalen Freundinnen und ich denn gleich?

Dies schreibe ich, ohne aktuell unter Umständen zu leiden – es ist kein Lamento. Und auch keine Anklage. Eher ein Bericht vom empathischen Perspektivenplausch am Küchentisch. Und ein Plädoyer für gegenseitige Sensibilisierung. Feministisch Frau oder Mann zu sein – proaktiv Projektionen aufklärend, im vollen Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten und diese qua Selbstermächtigung auslebend – es verlangt vielen Frauen und Männern aller Altersklassen tagtäglich viel Kraft und Fokus ab. Irgendwie ist heute doch Frauentag. Und morgen auch. Ein Wort zum 8. März – ohne Schlussgedanken.

Bettina Schuster-Gäb,
Schauspieldramaturgin

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Was man sich noch zu planen traut. Stand heute.

Also es könnte ja möglich sein, dass morgen plötzlich wieder alles normal ist. Dann würde die Theatermaschine ratternd hochfahren. Vielleicht ein bisschen keuchend, zugegeben. Dann kämen Menschen zu mir ins Theater auf die Probebühne. Menschen, die spielen wollen, Kunst machen wollen.

Menschen, die vor allem soziale Kontakte knüpfen, Kontaktnetze erweitern wollen, sich neu erfinden wollen mit allem Pipapo. Und ich würde wieder den Beruf ausüben, den ich gelernt habe. Menschen dazu ermuntern, Ängste zu überwinden, Nähe zuzulassen, konstruktive Kritik zu üben oder einzustecken.

Menschen dazu bringen, ins Theater zu gehen und sich mit brennenden Themen oder sich selbst auseinanderzusetzen. Den Menschen diese Maschine mit all ihren Zahnrädern zu zeigen und ihnen das Gefühl geben, dass sie die Schrauben im Getriebe sind, dass es ohne sie ein Haufen schöner, aber nutzloser, glänzender Metallteile ist.

Maschinenpoesie 2.

Ich bin Theaterpädagogin. Und wie meine Kolleginnen und Kollegen am Staatstheater ist mein Beruf darauf ausgelegt, im Zwischenmenschlichen aktiv zu sein, Theater zu vermitteln und Kunst als Dialog oder Diskurs zu begreifen. Alles darf sein und alles muss auch irgendwie sein. Machen statt Zerdenken. So.

Und ich will wieder viele Gesichter sehen, in die ich schaue. Ich weiß noch ganz genau, wie es, ist eine Atmosphäre zu spüren und was es bedeutet, wenn jemand wirklich leidenschaftlich Feuer fängt.

Ich plane wieder Begegnungen mit meinem Ensemble4, dem Bürgerensemble des Staatstheaters, vielleicht an der frischen Luft, wenn das wieder erlaubt ist. Ich plane ein Kinderkonzert, mit echtem Publikum, einem Gemüse-Puppenspiel, großem Orchester. Ich plane Begegnungsräume im öffentlichen Raum. Endlich sich wieder treffen.

Vielleicht durch Plexiglasscheiben, aber hey, mehr als die letzten drei Monate und endlich nicht mehr online. Ich bin bereit. Plan für morgen steht. Stand heute.

Luca Pauer,
Leiterin des Jungen Staatstheaters

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DiG IT ALL – Gekommen um zu bleiben

Ein Erfahrungsbericht vom ersten Teil der Dramaturgischen Jahreskonferenz 2021 DIG IT ALL #1 LET`S MEET.

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich gehöre zur Generation der sognannten »digital immigrants« (digitalen Einwanderern), also den Menschen, die sich noch an ein Erwachsenen-Leben ohne Internet erinnern können. Um so interessanter und spannender war für mich das Thema der diesjährigen vierteiligen Dramaturgischen Konferenz: »Dig it all«, bei der es um das Verhältnis von Digitalität und Darstellenden Künsten gehen sollte. Obwohl der Konferenzschwerpunkt schon vor zwei Jahren mit der Dortmunder »Akademie für Theater und Digitalität«, dem Gastgeber der Konferenz, entwickelt wurde, erhielt das Thema durch die Corona bedingte Verlagerung vieler Theaterformate ins Internet eine besondere Brisanz. Wie Judith Ackermann es in ihrem Eröffnungsvortrag ausdrückte wurden die Theater »zwangs digitalisiert«, indem sie bei geschlossenen Zuschauerräumen versuchten, Vorstellungen und andere Formate digital anzubieten.

Da passte es gut, dass der erste Teil der Konferenz am 23. und 24. Januar dann auch gleich komplett im digitalen Raum stattfand. Auch wenn man sich ja als Teil der im Homeoffice arbeitenden Bevölkerung inzwischen an digitale Konferenzen gewöhnt hat, war das Format von »DIG IT ALL #1 LET`S MEET«,  für mich neu: Die Jahreskonferenz fand nämlich komplett im virtuellen Raum auf der 3D-Social-Media-Plattform »Mozilla Hubs« statt. Konkret bedeutete das, dass man sich, um sich an den Vorträgen, Tischgesprächen und Artist Talks der Konferenz beteiligen zu können, erstmal einen Avatar als virtuellen Repräsentanten generieren musste.

Meeting der Avatare: Der Vorstand der Dramaturgischen Konferenz trifft sich mit Vertretern der Akademie.

Mit Hilfe eines im Generierungsprogramm aufgenommenen Fotos, sollte der Avatar einem ähneln, um auch für andere Konferenzteilnehmer optisch erkennbar zu sein. Doch zu meinem großen Erstaunen war der mit meinem Foto generierte Avatar dann ein 16-jähriges Mädchen im Ringelpulli, das meinem tatsächlichen Erscheinungsbild wenig entsprach. Und auch die anderen Konferenzteilnehmer*innen erschienen als Avatare wundersam verjüngt. In der virtuellen Welt scheint es weder Alter noch Vergänglichkeit zu geben.

Meinen jugendlichen Avatar konnte ich dann durch die vom Künstlerduo »minuseins«, (Nils Corte & Roman Senkl) nachgebauten, virtuellen Arbeitsräumen der Akademie in Dortmund manövrieren. Dort präsentierten die an der Akademie forschenden Künstler ihre Arbeiten in einzelnen virtuellen Räumen und standen zum anschließenden Gespräch zur Verfügung. (Siehe auch https://dramaturgische-gesellschaft.de ).

Diese Gespräche, als auch die Keynotes der Wissenschaftlerinnen Judith Ackermann und Manuela Naveau wurden gleichzeitig auf twitch.tv übertragen, d.h. es richteten sich, hatte man einmal das Wort ergriffen, kleine insektenartige, blinkende Kamera-Wesen auf das eigene avatarische Haupt. Überhaupt war das Erlebnis, nicht kontrollieren zu können, wer einem gerade zuhörte und was mit den aufgezeichneten Daten alles veranstaltet werden könnte, gespenstisch.  

Der zweite Konferenztag bot mit 14 Tischgesprächen mit Expert*innen zu Theater und Digitalität Raum für Reflektion und Wissenstransfer. Mich interessierte dabei besonders die neu gegründete Plattform Spectyou (https://www.spectyou.com/de/), auf der man Theateraufführungen hochladen und ansehen kann. Neu war mir auch das Berufsfeld der Digital-Dramaturgin, wie es Tina Lorenz, die »Projektleiterin für digitale Entwicklung am Staatstheater Augsburg«, präsentierte. Beim dortigen Theater kann man sich u.a. als Zuschauer VR-Brillen nach Hause schicken lassen und damit Vorstellungen des Theaters, die die Möglichkeiten der Virtuell Reality nutzen, ansehen. Sicherlich auch ein ungewöhnlicher Ansatz mit interessanten Möglichkeiten.  

Dem ersten Teil der digitalen Konferenz werden zwei weitere folgen, die sich u.a. mit narrativen Strukturen von Games (in Kooperation mit dem Studiengang Spiel & Objekt der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin), mit dem utopischen Potential des digitalen Raums und der Notwendigkeit einer digitalen Ethik auseinandersetzen wollen. Und ja: ab Sommer soll all das auch wieder »leibhaft« vor Ort in Dortmund stattfinden. – Hoffen wir das Beste!

Mehr Material zur Dramaturgischen Konferenz, sowie die Key Notes zur Eröffnung von Judith Ackermann kann man unter https://dramaturgische-gesellschaft.de/finden.

Simone Kranz,
Schauspieldramaturgin

Ausschnitt einer Arbeit von Lukas Rehm.

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(5) Vom Schreiben – Tout simplement écrire

Ich schreibe auf französisch, du schreibst meinen Text weiter auf deutsch, und ein Anderer schreibt diesen deutschen Text auf französisch weiter. Kann man DAS Übersetzung schon nennen? Linda, Clara und Yann haben unterschiedliche Muttersprachen, unterschiedliche Verständnisse der Welt, andere Schreibstile und saßen während des Schreibens nicht in demselben Raum. Dennoch haben sie Geschichten zusammen geschrieben. 

Mit der Hilfe von online Übersetzern, eigenen Grundkenntnissen in der anderen Sprache und Bildern haben sie sich in den Kontext des Textes der anderen und in die fremde Sprache hineinversetzt um die sprachliche Grenzen der Vorstellungskraft auszutesten. Die Anweisung? Ganz simpel: »Führe in deiner Muttersprache einen fremden Text in einer anderen Sprache fort. Dabei helfe dir von der Bildern der Artikeln der digitalen Ausstellung über das Schreiben.« 

Was daraus entstanden ist können Sie hier und jetzt entdecken. Wir liefern Ihnen einige Auszüge von unseren Texten.

J’écris en français, tu continues mon texte en allemand, puis tu le donnes à une autre personne qui écrit la suite de ce texte allemand de nouveau en français. Peut-on appeler cela de la traduction? Linda, Clara, et Yann ont des langues maternelles différentes. Leur vision du monde et leur style d’écriture sont eux aussi différents, et, lorsqu’ils écrivent, ils ne se trouvent pas dans la même pièce. Pourtant Clara, Linda et Yann écrivent des histoires ensemble. 

Avec l’aide de traducteurs en ligne, de leurs connaissances de la langue de l’autre et des images des auteurs et traducteurs de notre exposition virtuelle (cf. les précédents articles de Vom Schreiben – Tout simplement écrire), ces trois écrivains en herbes sont entrés dans la langue étrangère pour tester les limites linguistiques de l’imagination. La consigne d’écriture?  Très simple : « continue un texte de langue étrangère dans ta langue maternelle. Pour cela tu t’aideras des images des articles précédents. »

Découvrez ici et maintenant quelques extraits de ces histoires entre les langues inspirés des images de l’exposition numérique.

Viel Spass !

Clara, Linda und Yann von der Schreibwerkstatt 

Anna Arnould Leiterin der Schreibwerkstatt

Dieses Bild von Hinrich Schmidt-Henkel hat Yann zu einem Text inspiriert / cette image a inspiré Yann :

« Me présenter… en voilà une difficile question ! Par où commencer ? Mes aventures ? Mes quêtes ? Ma vie ? Mais bien sûr ! Mon nom ! Je m’appelle Bernard Baltores. Comme vous avez pu le remarquer, je cherche toujours trop compliqué ! Je cherche des réponses difficiles à des questions simples, et des réponses extrêmement compliquées à des questions plus difficiles ! Aventurier dans l’âme, depuis mes 18 ans, dès que je quittai le foyer familial, je cherchai l’aventure. Une fois en Chine, une autre en Amérique… Aucune quête ne m’échappe ! Tout ce qui est intriguant attire mon regard et nombreux sont mes admirateurs. J’ai mes séries, mes dessins-animés, mes revues, mes magazines, mes films… Une vraie star, sans me vanter bien sûr. Je voyage seul, accompagné seulement de mon sac à dos, reçu à l’âge de mes 16 ans. Cadeau de mon grand-père, je le porte toujours avec moi ! Une vraie peluche, si je puis dire ! En ce moment, peu d’aventures s’offrent à moi ! Mais une attire plus mon attention que les autres… Peut-être serait-ce ma prochaine destination… » – Yann

Das Bild von der Autorin Tiphaine Raffier; hat Clara inspiriert… L’image de l’autrice Tiphaine Raffier a inspiré Clara… Clara hilft sich davon um in den Text von Yann weiter zu schreiben. Clara s’en est aidé pour entrer dans le monde du texte de Yann…

« Le soleil brille de mille feux, synonyme de chance à venir.

   De la chance, j’en ai eu. Et pas qu’une seule fois. Vivre pour voir, vivre pour réussir. J’ai eu le privilège de pouvoir faire les deux. Réussir en voyant. Combinaison de deux rêves. De deux chances. Mais il n’y a pas que ça, évidemment. Non, tout ceci n’est pas un hasard de circonstances. J’ai agi, également. J’ai fait. Je suis maître de mon existence. Du moins, en partie. J’ai découvert ce qui était à découvrir et je suis allé là où il fallait aller. J’ai vu juste, moi. J’ai accompli des choses dont personne avant moi n’avait été capable. C’est vrai, j’ai du mérite. Je la mérite, ma chance.

   Mais c’est trop simple, maintenant. Tout est devenu trop simple. Je m’ennuie, à force. J’ai besoin de bouger, de repartir en action. La ville est trop présente et les arbres, les plaines et les montagnes font bien meilleurs compagnons que les quelques journalistes à ma porte. J’ai trop longtemps délaissé mon sac à dos jamais défait. Mes radios, caméscopes et appareils photos pourrissent tristement à l’ombre de la terrasse. Mon corps ronchonne par manque d’exercice. J’ai peut-être tout, pourtant il me faut plus. Encore, toujours plus. La gloire ? Passe encore. Mais la luxure, l’oisiveté et la paresse ! Quels félons que ceux-là ! Oui, je suis rouillé. Il est plus que temps que j’y retourne. Il est temps. » – Clara

Und dieser Text wurde von Linda weitergeschrieben Mithilfe von Thierry Simons Bild ce texte a été continué par Linda avec l’aide de l’image de l’auteur Thierry Simon.

»Geh nicht! Geh nicht! Bleib da! Lass sie mich in meinem Kopf halten. Ich muss es wissen. Ich muss wissen, wer ich bin. Jetzt.

Ich brauche Antworten. Ein Blatt, welches erstarrt bleibt. Nervaturen, die mich zu meinem alten toten Wissen führen. Ein Defibrillator. Ich muss etwas finden. Ein Zeichen, eine Definition, die mit mir in Verbindung steht. Aber was sehe ich? Nicht ein Zeichen, nicht zwei, nicht drei. Hunderte. Es sind Hunderte. Ein unendliches Spiel aus Frustration und Sehnsucht. Es ist nutzlos. Es ist verdammt nochmal nutzlos. Zweige und stachelige Büsche. Nichts anderes, nichts sicher. Alles ist divergent und chaotisch. Wo werde ich das letzte Stück meinerseits finden?

Nirgends? Überall?

Das Gespür zur Klarheit ist verschollen. Es scheint, als würde ich den Unterschied zwischen oben und unten nicht mehr erkennen können.

Wann werde ich je einen Schritt näher zu mir selbst wagen? Wann werde ich aufhören, die Realität mit einer Barriere gefangen zu halten? Sag es mir! 

Es ist ein Albtraum. Ein Boden ohne Einfluss auf die Festigkeit und ein Schicksal ohne Stab und Stütze. Schrillende Alarmglocken, die mich in ein schwarzes Loch verschlucken. Unsichtbare Trompeten, in greifbarer Nähe, die in meine Richtung dröhnen. Und es dringt in meinen Ohren ein, wie ein Virus. Keine 10 Hände können mehr retten. Ich fühle mich wie ein Skelett, welches kurz davor ist, in einem Haufen zusammenzubrechen. 

Es endet in Schallwellen. Sie schlenkern sich aus und postieren sich in einem grellen Pfeifen. Langsam, ganz langsam. Die Stille gewinnt Oberhand. Ich habe Angst. Es ist dunkel, verlassen, mordskalt. Die Einsamkeit, es bringt mich um. Mein Instinkt sagt mir: Renn.« – Linda

« Stop. Je m’arrête, essoufflée. J’ai couru, comme on me l’avait demandé. Je n’ai rien fait. J’ai couru. Et maintenant, je m’effondre. Plus d’énergie pour continuer, plus d’énergie non plus pour pleurer. Alors, je suis là, immobile, refusant d’y croire, refusant de voir la réalité en face. C’est la fin, tout simplement.

   Mais la fin n’existe pas, pas vrai ? Mes parents ne sont-ils pas immortels ? Ma vie n’est-elle pas immortelle ? C’est impossible et je vais le prouver ! Allez, lève-toi ! »

Inspiré de l’image de Mithilfe des Bilds von Frank S. (Teilnehmer des Abstands-Kollektivs)

L’image de Tiphaine Raffier a inspiré Yann / Das Bild von Tiphaine Raffier hat Yann inspiriert:

« Tout était calme, personne n’aurait pu croire qu’il allait se passer quelque chose d’exceptionnel. Ou de dramatique. J’entendais le tic-tac incessant de la montre du salon. Mon père sirotait son thé, ma mère lisait je ne sais quoi.

Le vide, silence complet, aucun bruit. La montre s’était arrêtée, mon père s’était levé.

Puis un grand vacarme. Quelque chose était tombé, sûrement un vase, puis s’était brisé sur le sol. En mille morceaux, comme mon existence. On entendit la vitre se briser, un homme armé entra dans la pièce principale… » – Yann

Usw. Etc. 

Dieses Prinzip, zwischen den Sprachen zu schreiben, soll bald weiter erforscht und getestet werden innerhalb des Ensemble des Wortakrobaten, das sich, wenn die Lage es uns erlaubt, mit einem Kaffee und guter Musik am Staatstheater jede Woche treffen wird. Ce principe d’écriture entre les langues continuera d’être étudié et testé joyeusement dans le groupe des “acrobates des mots” qui aura bientôt lieu au Staatstheater. Tu veux écrire avec nous? Inscris-toi à l’adresse Mail: a.arnould@staatstheater.saarland. 

Ensemble der Wortakrobaten

Schreibwerkstatt für Leseverrückte, Sprachbegeisterte und Lautmaler

Wir schaffen ein Zeitfenster und einen gemütlichen Raum, in dem Wortakrobaten die Möglichkeit haben einfach zu schreiben. Die Devise lautet: Einmal die Woche bei einem Kaffee, guter Musik oder einfach in Stille Wörter auf Papier bringen. Es gibt nur zwei Bedingungen zur Teilnahme am Ensemble der Wortakrobaten: Ihr habt dienstags zwischen 17 und 19 Uhr Zeit und ihr sprecht außer Deutsch eine weitere Sprache. Es spielt keine Rolle, welche Sprache das ist, ob Französisch, Chinesisch, Russisch oder Arabisch, egal. Auch egal ist, wie alt du bist und woher du kommst. Lasst uns Zeit gemeinsam verbringen, um Geschichten zu gestalten und den Klang jeder Sprache in seiner individuellen Schönheit zu entdecken.

Anmeldung bei Anna Arnould-Chilloux: a.arnould@staatstheater.saarland