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Hinter dem Vorhang Theaterblog

Besser als absagen!

Das 14. Festival Primeurs flüchtet in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie in den digitalen Raum und sucht andere Wege der Präsentation frankophoner Gegenwartsdramatik.

Das 14. Festival Primeurs – in diesem Jahr digital aus der Alten Feuerwache.

Nach vielen Gesprächen mit den Kooperationspartnern »Le Carreau«, SR2 Kultur und dem Institut Français, aber auch intern zwischen der Festivalbeauftragten Bettina Schuster-Gäb, der Schauspielleitung und der Generalintendanz haben wir uns dazu entschlossen, das 14. Festival Primeurs nicht abzusagen, sondern im digitalen Raum stattfinden zu lassen.

Kultur »On Air«.

In diesem Jahr also keine Festival-Atmosphäre, keine persönlichen Begegnungen mit den Autorinnen und Autoren aus Frankreich, Kanada oder der französischsprechenden Schweiz.

Keine Zuschauer in der Alten Feuerwache, keine Nachgespräche, kein Austausch nach den Vorstellungen über das gerade Gesehene, Gehörte und Erlebte. Keine Diskussionen über die Inhalte, die Formen der neusten Stücke aus dem frankophonen Sprachraum. Kein Grenzverkehr, kein direkter Austausch mit den Nachbarn und Kollegen*innen aus Frankreich. Keine Möglichkeit für unser Publikum oder für die Studierenden der Universität und Hochschulen Theater zu erleben.

Doch wenn zurzeit Theater nicht möglich ist, so wollten wir doch die Auseinandersetzung mit den Texten nicht aufgeben. Also, wie die ausgesuchten Stücke präsentieren? Wie mit der Tradition der szenischen Lesungen umgehen? Schnell war klar, dass das Live-Hörspiel von SR2 Kultur auch in diesem Jahr aus der Alten Feuerwache gesendet werden kann.

Die Präsentation des Textes »Feuersturm« von David Paquet war gerettet und konnte am Freitag, den 27. November 2020, übertragen und in die Mediathek eingestellt werden.

Aber wie mit den weiteren Texten umgehen? Wissend, dass eine Aufzeichnung einer szenischen Lesung etwas ganz anderes ist als eine Live-Präsentation vor einem gespannten Theaterpublikum, traten wir die Flucht nach vorne an und planten Videoaufzeichnungen der Lesungen. Alles schien uns besser als absagen!

Der Text »Versagen« von Blandine Bonelli in einer Übersetzung von Corinna Popp sollte als erstes von vier Stücken, für die das Staatstheater Verantwortung übernommen hatte, vorgestellt werden.

Dabei hatten unsere Schauspieldirektorin Bettina Bruinier und der Videokünstler Grigory Shklyar die Idee, für die vielen Spielorte des Stückes „Versagen“ nicht nur den vorgesehenen Drehort Alte Feuerwache, sondern auch die Büros und Gänge des Saarländischen Staatstheaters zu nutzen. Das Experiment begann.

Eva Kammigan im Sucher des Camcorders.

Nach den ersten Leseproben am Tisch, um den Text zu analysieren und auf erste Sprechhaltungen zu überprüfen, begannen am Freitag, den 20. November, die »Dreharbeiten«. Zwischen Studentenproduktion, denn ich fühle mich an die Anfänge meines Studiums der Theater-, Film und Fernsehwissenschaften erinnert, und Experimentalfilm, schmissen sich Bettina Bruinier als Regisseurin und Grigory Shklyar als Video-Regisseur und Kameramann in das Abenteuer einer kurzfristigen und improvisierten Video-Aufzeichnung in den Büros oder auf den Gängen des Saarländischen Staatstheaters.

Nathalie Klimpel als Kamera-Assistentin mit Filmklappe.

Dabei machten alle fast alles: Aus der Regieassistentin Nathalie Klimpel wurde mal flugs die Kameraassistentin, aus der Ausstattungsassistentin die »Production Designerin« und aus mir, dem Dramaturgen, der »Casting-Direktor« oder einfach nur ein Statist auf dem Set.

Silvio Kretschmer als Damien im Sucher des Camcorders.

Was für mich ein Experiment oder ein Abenteuer war, war für unsere Schauspielerinnen und Schauspielern nur eine andere Profession. Denn sie alle haben schon Filmerfahrungen gemacht haben. Sei es nun Silvio Kretschmer, den man beispielsweise am Samstag, den 21. November auf 3sat in der Filmkomödie »Amen Saleikum – Fröhliche Weihnachten« in der Regie von Katalin Gödrös erleben konnte, oder Jan Hutter, der vor seinem Engagement am Saarländischen Staatstheater in diversen Film- und Fernsehproduktionen wie »Soko Kitzbühel« (ORF / ZDF), in der Fernsehserie »Braut wider Willen« (ARD) oder in dem Fernsehfilm »Die Toten Von Salzburg« (ORF/ZDF) zu sehen war. Aber auch Anne Rieckhof, die seit 2017/18 zum Schauspiel-Ensemble gehört, spielte schon in unterschiedlichen Filmproduktionen und auch die neu-engagierte Eva Kammigan konnte man schon in Film- und TV-Produktionen wie zuletzt im »Tatort Saarbrücken« erleben.

Jan Hutter als David in einer Nahaufnahme.

Jetzt galt es, in wenigen Probentagen eine szenische Lesung zu erarbeiten und vor zwei Video-Kameras zu agieren. Denn auch in diesem Jahr sollte das Improvisatorische der Textpräsentation den Reiz ausmachen. Schließlich geht es beim »Festival Primeurs« nicht um mustergültige Inszenierungen, sondern um einen ersten Versuch der Theatralisierung der Texte und ihre Bekanntmachung in der deutschen Theaterlandschaft.

Anne Rieckhof als Farida.

Doch die Arbeit an einem Text für einen Theaterabend ist grundverschieden von der Erarbeitung einer Videofilm-Realisation. Statt vor einem Live-Publikum mussten nun die Schauspieler*innen entweder in den leeren Saal der Alten Feuerwache oder in die »toten Augen« der Kameras ihre kleinen Film-Takes spielen. Kamera-Acting statt Theaterproben.

Das Büro der Schauspieldirektion wird zur Filmkulisse mit Silvio Kretschmer als Damien und Eva Kammigan als Jugendamtsleiterin.

Umso mehr kann man gespannt sein auf die Umsetzung und die Schnittkünste des Videokünstlers Grigory Shyklar. Übrigens auch er ist kein Unbekannter in Saarbrücken, denn schließlich war er nicht nur Regieassistent und Regisseur am Saarländischen Staatstheater, sondern unterrichtete auch an der Kunsthochschule Saarbrücken.

Gregory Shklyar an der Kamera.

Zum Glück sind die Wege im Saarland kurz und so gilt mein Dank nicht nur allen Beteiligten der Produktion, wie der Technik AFW, der Requisite, der Kostüm-, Ton- und Beleuchtungsabteilung sowie allen vor und hinter der Kamera, sondern auch der HBK für die freundliche Nachbarschaftshilfe.

Horst Busch,
Chefdramaturg

Fotos: Horst Busch.