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Auf ein Wort

AUF EIN WORT: SEBASTIAN HANNAK

Sebastian Hannak gehört zu den profiliertesten deutschen Bühnenbildnern seiner Generation. Nach dem Studium im Fach Bühnen- und Kostümbild an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, zu dem ein Aufenthalt bei David Hockney gehörte, hat er an zahlreichen Theatern im In- und Ausland gearbeitet. Für seine Raumbühne »Heterotopia« im Opernhaus von Halle erhielt er 2017 den Theaterpreis »Der Faust«. Er kreiert gleichermaßen für Oper, Schauspiel und Ballett. Am Saarländischen Staatstheater hat er bislang mehrere Male gearbeitet: Er schuf das Bühnenbild für Bertolt Brechts »Leben des Galilei« (2015), für Richard Straussʼ Oper »Salome« (2018) und im Ballett für Stijn Celisʼ Choreographien »Shunkin« (2018), »Prometheus« (2019), »Sound & Vision« (2020), »Winterreise« (2021) und »Der Nussknacker« (2021). In Kürze hat Giacomo Puccinis Oper »Turandot« in Jakob Peters-Messer Inszenierung Premiere – und Sebastian Hannak gestaltet wieder die Bühne. Kompaniemanager Saarländisches Staatsballett und Dramaturg Klaus Kieser traf ihn zum Gespräch.

Bühnenbildner Sebastian Hannak

K.K.: Du arbeitest gleichermaßen für Ballett, Oper und Schauspiel.Wie unterscheidet sich die Arbeit für die drei Sparten?

S.H.: Ein grundsätzlicher Unterschied rührt aus den verschiedenen Erzählstrukturen her. Im Ballett erzählt man eine Geschichte mit tanzenden Körpern, daraus ergibt sich bildnerisch erst mal eine große Freiheit. Hier kann man Räume musikalisch und choreographisch erfinden. In der Oper sind die Räume zunächst von der Handlung vorgegeben, da es schon eine fertige musikalische Erzählabfolge gibt. Der Raum verhält sich also strukturell zu dem, was das Libretto und die Musik vorgibt.

Richard Strauss‘ »Salome« 2018 am SST: Michael Baba (Herodes), Pauliina Linnosaari (Salome), Judith Braun (Herodias) | Foto: Martin Kaufhold

Man kann sich im Ballett also auf andere Dinge konzentrieren. Wenn man zum Beispiel die Geschichte in eine eigene Örtlichkeit verlegt, wie etwa in »Prometheus«: Stijn Celis und ich nahmen uns die Freiheit zu sagen, dass wir bildnerisch eine Geschichte vom Dunkel zum Licht erzählen. Auch im Schauspiel steht zuerst der vorhandene Plot, etwa eine unmögliche Liebe, eine Revolution oder ein Mord, weniger eine abstrakte Entwicklung. Auch im Musiktheater wäre die Herangehensweise wie bei »Prometheus« eine Randerscheinung, da weniger Uraufführungen produziert werden als Repertoirevorstellungen. Im Ballett kann man gemeinsam andere Narrationen aufmachen, die man von einer Art Nullpunkt aus kreiert.

Saarländisches Staatsballett in »Prometheus« | Foto: Bettina Stöß

K.K.: Wie war das im Fall des Balletts »Der Nussknacker«?

Hatten wir bei »Prometheus« die Möglichkeit, von einer Idee auszugehen, war es im »Nussknacker« schon mal eine definierte Örtlichkeit, das Wohnzimmer der Familie Stahlbaum. Aber innerhalb des »Nussknackers« gibt es eine Reise in eine Phantasiewelt. Hier haben wir eine sichtbare Verwandlung des Raums als Mittel gewählt, die das Publikum auf diese Reise mitnimmt, auf eine Veränderung der herkömmlichen Realität.

»Der Nussknacker«: Montana Dalton, Nicola Strada und Ensemble | Foto: Ursula Kaufmann

Mir gefällt es, wenn Verwandlungen visuell nachvollziehbar sind: Am Anfang sieht man ein großbürgerliches Wohnzimmer, das sich zu einer abstrakten Welt weitet, die erkennbar mit dem Ausgangspunkt zu tun hat und doch deutlich eine Phantasiereise ist. Solche Momente finde ich toll, weil man das Publikum aus den Augen der Protagonisten heraus an dieser Verwandlung teilhaben lassen kann. Ich sehe Marie und wie sich aus ihrer kindlichen Phantasie heraus etwas verändert. Und dank der Unterstützung durch eine großartige Musik entfaltet das eine ganz eigene Wirkung, fast als wäre es das normalste der Welt, dass sich Wände bewegen und neue Räume entstehen.

»Sound & Vision«: Alexander Andison, Micaela Serrano Romano, Shawn Throop | Foto: Bettina Stöß

K.K.: Und dann gibt es bei der Arbeit fürs Ballett doch wohl auch ganz praktische Erfordernisse?

S.H.: Ja. Das Bühnenbild für ein Ballett ist immer Gefäß für die Tänzer, die die Choreographie zum Leben erwecken – und der Tanzboden ist dabei das A und O des Ganzen. Er muss weich genug sein, nicht wellig, nicht zu klebrig, nicht zu rutschig. Der Raum muss an bestimmten Stellen Auftrittsmöglichkeiten haben, und in allen Räumen muss natürlich immer Platz für den Tanz sein.

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Der Dramaturgieschreibtisch Theaterblog

Wir feiern das Doppel-Jubiläum

125 Jahre Alte Feuerwache – 40 Jahre Spielstätte Alte Feuerwache

… mit einem Gastspiel der Theaterakademie München »Noch ist nicht aller Tage Abend«, der Premiere »Der Weg zurück«, dem Start einer Diskussionsreihe zum Spielzeitmotto IN GESELLSCHAFT! und im Sommer mit einem Theaterbrunch auf dem Landwehrplatz.

Anno 1897 wurde die Alte Feuerwahr nach Plänen des Architekten Wilhelm Franz als Städtische Turnhalle des Turnerbundes St. Johann sowie als Feuerwehrhaus im Erdgeschoss fertiggestellt. Nach Neugestaltung der Innenräume durch den Architekten Lu Kas entstand dann 1982 aus der Turnhalle die zweite Spielstätte des Saarländischen Staatstheaters. Mit der Kabarett-Revue »Von Kopf bis Fuss auf Deutschland eingestellt… « zusammengestellt von Herbert Hauck, Jürgen Kirchhoff und Gottfried Stramm wurde sie am 16. Januar 1982 als Raumbühne mit einer variablen Bestuhlung von maximal 240 Zuschauerplätzen eröffnet und zur künstlerischen Heimat des Sprechtheaters.

»Der Umbau der Feuerwache zur kulturellen Nutzung ist ein Versuch Schwellenängste abzubauen und einem eingefahrenen Kulturbetrieb neu Impulse zu geben, um damit das kulturelle Leben unserer Stadt reicher zu machen«. (Aus der Neujahrsansprache des damaligen Oberbürgermeister Oskar Lafontaine)

Der damalige Schauspieldirektor Lothar Trautmann verstand die neue Spielstätte als »Freiraum künstlerischer Phantasien« und als eine Einladung »in Sachen ‚Theater‘ auf Entdeckungsreise zu gehen“.

Diese Einladung gilt bis heute! So ist auch unter dem Intendanten Bodo Busse und der Schauspieldirektorin Bettina Bruinier die Alte Feuerwache ein Ort der unterschiedlichsten Theater-Erlebnisse aller Sparten des Saarländischen Staatstheaters, aber auch der Festivals LOOSTIK, PRIMEURS, PERSPECTIVES oder dem TANZFESTIVAL SAAR.

Die Alte Feuerwache im Jahr 2020 © Honkphoto

Schon im ersten Jahr der neuen Intendanz wurde die Alte Feuerwache beispielsweise in einen Werbe-Lichtkasten (LICHT IM KASTEN), in ein Live-Hörspiel-Studio (WINNETOU), in eine Raumstation (SOLARIS), in ein Wasserbecken (IPHIGENIE) oder in ein Schlachtfeld (DAS WUNDER UM VERDUN) verwandelt. Es folgten Rauminstallationen u.a. für DAS ACHTE LEBEN (FÜR BRILKA) von Nino Haratischwili, der Uraufführung WERWOLF von Rebekka Kricheldorf oder GAME OVER, eine Open-World-Simulation von Prinzip Gonzo.

»Das Wunder um Verdun« in der Spielzeit 2017/2018 © Martin Kaufhold

So blieb die Alte Feuerwache bis heute ein »Freiraum künstlerischer Phantasien« für Ausstattung und Regie, wenn auch die alte Zuschauer-Tribühne in die Jahre gekommen und leider nicht mehr variable ist. Eine Erneuerung steht dringend an!

In dieser und in der vorhergehenden Spielzeit brachte allerdings die Corona-Pandemie auch den Spielplan der Alten Feuerwache tüchtig durcheinander. Immer wieder mussten neue Wege des Spielens und Erzählens gefunden und auf die jeweiligen Vorgaben des Arbeits- und Infektionsschutzes reagiert werden. Doch Dank Impfungen und Testungen müssen auf der Bühne wenigstens die einschränkenden Abstandsregeln nicht mehr eingehalten werden.

Mit Beginn des neuen Jahres und unter Berücksichtigung der 2G+ Regeln freuen wir uns, endlich auch den regulären ABO-Spielbetrieb wieder aufnehmen und allen Theaterfans einen abwechslungsriechen Spielplan anbieten zu können.

»Puck träumt eine Sommernacht« ©Astrid Karger

So stehen im Schauspiel nicht nur die Produktionen »Puck träumt eine Sommernacht« – eine Stückentwicklung von Alice Buddeberg und Ensemble nach William Shakespeares Komödie »Ein Sommernachtstraum«, das Lustspiel »Trüffel Trüffel Trüffel« von Eugène Labiche in einer Inszenierung von Julia Prechsl und das Schauspiel »Gabriel« von George Sand als deutsche Erstaufführung in der Regie von Sébastien Jacobi, sondern auch die Wiederaufnahme und Neueinrichtung Bettina Bruiniers Inszenierung »Weh dem, der aus der Reihe tanzt. Sulzbach« nach dem Roman von Ludwig Harig und die erste Premiere im neuen Jahr »Der Weg zurück« des Engländers Dennis Kelly in der Regie von Christoph Mehler auf dem Programm.

»Der Weg zurück« © Martin Kaufhold

Außerdem kann man am 6. Januar das Gastspiel der Münchner Theaterakademie August Everding »Noch ist nicht aller Tage Abend – Eine Vision in vier Bildern nach Werner Schwabs ‚Volksvernichtung‘ mit Texten von Nietzsche, Lem und einer künstlichen Intelligenz« der Regieabsolventin Malena Große erleben.

»Noch ist nicht aller Tage Abend« ©Alvise Predieri

So wollen wir auch einer ganz jungen aber schon mit einem Preis für die beste Regie ausgezeichneten Regiehandschrift einen Raum geben und Sie einladen, sich auf das Spiel um die Frage: Wie verändert sich das Menschenbild in einer digitalisierten Welt? einzulassen.

Denn die Alte Feuerwache ist nicht nur eine wunderbare Raumbühne und zweite Spielstätte des Saarländischen Staatstheaters, sondern seit ihrer Eröffnung auch immer wieder eine Begegnungsstätte mit zahlreichen Sonderformaten wie Einführungen, Lesungen oder Gesprächen rund um das Theater. Und seit der Eröffnung des Weinbistro Hauck im Jahr 2011 hat die Alte Feuerwache auch einen geselligen Treffpunkt nicht nur vor und nach den Vorstellungen bekommen. Siehe auch www.hauck-weinbistro.de

Am 6. Februar starten wir dann mit einer Diskussionsreihe zu unserem aktuellen Spielzeitmotto IN GESELLSCHAFT! Unter dem Motto IN ZUKUNFT KUNST! sprechen wir mit der neuen Kulturdezernentin der Stadt Saarbrücken Dr. Sabine Dengel und der Leiterin der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz Dr. Andrea Jahn über Kunst und Kultur in der Stadtgesellschaft. Wie sieht heute – nach fast zwei Jahren Corona-Pandemie – gesellschaftliches Leben in Saarbrücken und Deutschland aus? Wo findet es (noch) statt? Wer bestimmt den Diskurs und welche Bedeutung können dabei Kunst und Kultur spielen?

Aber was wäre ein Jubiläum ohne Fest? Und so laden wir Sie zum Abschluss der Spielzeit zu einem geselligen Brunch mit künstlerischen Beiträgen auf dem Landwehrplatz vor der Alten Feuerwache im Rahmen des Kulturmeilenfestes 2022 ein.

SAVE THE DATE: Sonntag, 17. Juli, ab 11 Uhr!

Horst Busch,
Chefdramaturg
Künstlerischer Leiter Schauspiel