Die Theaterpädagoginnen Luca und Anna laden den braunen Koffer voller Materialen ins Auto und machen sich auf den Weg nach Frankreich ins Collège Claudie Haigneré in Freyming-Merlebach.
Montag, der 9.1.2023
7:20 Uhr Abfahrt vom Theater:
Die Theaterpädagoginnen Luca und Anna laden den braunen Koffer voller Materialen ins Auto und machen sich auf den Weg nach Frankreich ins Collège Claudie Haigneré in Freyming-Merlebach.
8:00 Uhr Workshop zwischen den Sprachen mit den 15 französischen Jugendlichen: Anna leitet den Workshop auf Französisch, Luca auf Deutsch.
Sie spielen Ha-Zu-Ka, machen Yoga und wärmen sich mit dem Spiel One-two-three Ninja Destruction auf.
Danach folgen Wahrnehmungsübungen mit der Frage: Wie verändert sich der Körper wenn er sich schwer, leicht, eckig, fließend, zackig bewegt?
Nach der Pause folgt eine Einheit zur Sprachanimation: Die Schüler*innen lernen die deutschen Namen der Körperteile mit Hilfe eines Memoriesspiels und Tanzbewegungen. Die verschiedenen Körperteile ziehen die Schüler durch den Raum. Wie fühlt sich Spannung im Körper an? Inwiefern ändert sich die Bewegungsqualität und die Wirkung dadurch? Sie experimentieren mit neuen Bewegungen, die durch die Vorstellung eines leuchtenden Körperteils entstehen.
12:00 bis 13:30 Uhr Mittagspause in Freyming
13:30 Uhr Nach der Mittagspause üben die Schüler*innen das Nichtstun mit einer Clownsnase und welche Beobachtungen sie dennoch machen können. Nach einer Übung namens Übertreibungskreis singen sie mutig Playback zusammen und haben dabei ganz viel Spaß. Das Eis ist gebrochen.
Die Sprache als Musik: Wie kann man aus Lieblingswörtern auf Deutsch eine Melodie erschaffen? Die Gruppe hat dies ausprobiert und ein Mini-Konzert aufgenommen.
16:30 Uhr Feierabend
Dienstag, der 10.01.23 8:00 Uhr Nach dem Warm-up (Yoga, Ha-zu-ka und Ninja Destruction) spazieren die Schüler*innen durch die verschiedenen Zustände und Emotionen. Die Bühne wird aufgeteilt in Emotionsfelder.
Nach einer Pause erzählt Anna über die Geschichte der Commedia Dell’arte und den Ursprung der Maskenkunst. Mit Papier und Schere bauen die Schüler*innen selbst ihre eigene Maske.
Aufführung einer Szene in Gruppen. Die Gruppen inszenieren sich selbst mit folgenden Regeln:
Sie tragen eine Maske
Sie suchen sich eine bestimmte Musik aus
Es kommen 2 Standbilder vor (Am Anfang und am Schluss)
Sie bewegen sich nur auf den Linien am Boden
12 Uhr Mittagspause: Caroline Franke und Marc Fresslé (Deutsch Lehrer*innen des Collège)
zeigen Luca, Anna das Künstlerrestaurant von Freyming.13:30 Uhr Die Sonne scheint ins Klassenzimmer. Auf Wunsch der Schüler*innen spielen sie nochmal Ha-Zu-Ka und Playbackkonzerte: Wir üben den Spagat zwischen „All I want for Christmas….“ und Diams. Ein dramatischer Bühnentod rundet das Warm-up ab.
Um die deutsche Partnergruppe zu grüßen drehen die Schülerinnen eine Videonachricht. Die Geschichte Romeo und Julia: Anna liest die Geschichte, Luca spielt die Musik von Prokofjew vor. Anhand einer Videoaufnahme des Orchesterwerks lernen die Schülerinnen die unterschiedlichen Instrumente und Motive kennen. In kurzen Pausen notierten sie Assoziationen zur Musik und zu den Bildern. Auch diese Wörter ergaben am Schluss eine Tonaufnahme. Diese werden in die Aufführung im Juli mit einbezogen. Am Schluss wird eine Galette als Dankeschön serviert.
16:30 Uhr Rückfahrt nach Saarbrücken, On revient le mois prochain.
Dieses Projekt ist gefördert vom Deutsch-Französischen Jugendwerk
Schüler*innen der Kursstufe 12 der Marienschule Saarbrücken waren am 30. November 2022 in der Vorstellung »Terror« in der Alten Feuerwache. An diesem Abend ist die Abstimmung 125 zu 29 für einen Freispruch von Lars Koch ausgefallen. Dieses eindeutige Ergebnis hat die Schüler*innen erstaunt. Hier einige Einblicke in den Gedanken und Argumentationen der Klasse
Brauchen Sie von jetzt auf gleich noch eine Geschenkidee? Gemeinsame Zeit im Theater ist natürlich ein Dauerbrenner, den wir Ihnen wärmstens empfehlen, aber falls Sie noch eine andere Kleinigkeit für Ihre Liebsten suchen, hat das Blog-Team des Saarländischen Staatstheaters eine kleine Sammlung von Ideen vorbereitet
Schauspieldramaturgin Bettina Schuster-Gäb hat einen meditativen und kreativen Vorschlag: »ICH FRÖBEL, DU FRÖBELST, WIR FRÖBELN! Mal was, was nichts mit „Kopf“ zu tun hat, sondern mit Fingern, Friemeln und mit Loslassen: Macht (und verschenkt) Fröbelsterne. Sie stammen aus dem skandinavischen Raum und werden seit 400 Jahren dort traditionell Weihnachten und zu allen möglichen anderen festlichen Anlässen – gerne auch zu runden Geburtstagen – gefaltet. Zugegeben, es geht feinmotorisch komplexer zu, aber ich garantiere aus eigener frisch erlernter Praxis, dass es nach dem 10. Stern fluppt! Ohne nachzudenken! (Ich sage nur: 40 Minuten für den ersten Stern versus 7 Minuten pro jetzigem Stern.) Die Streifen müssen ganz symmetrisch sein, weswegen man sie kaufen sollte. Es gibt viele Marken, die tolle Papiere hierfür anbieten Paper Poetry oder die Sosteren Grene (https://sostrenegrene.com/de) z.B. und Anleitungen auf Youtube machen es einem sehr leicht die Falttechnik zu erlernen .Ich schrieb eben, dass es ohne Kopf zugehen kann – das Schönste am Fröbeln ist, dass andere Gedanken kommen, dass das große Ganze dem Kleinen, dem Moment, dem warmen Tee, dem Geplapper weichen kann. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und es unheimlich licht und leicht macht, innerlich. Frohe Weihnacht!
Benjamin Wäntig, Dramaturg für Musiktheater und Konzert und seit dieser Spielzeit neu am Haus empfiehlt einen echten Klassiker: »Angesichts der wenig besinnlichen Weltlage hier die Empfehlung eines trotzdem vergnüglichen Klassikers der Satire, der trotz seines Alters nichts an Aktualität eingebüßt hat: Karel Čapeks »Der Krieg mit den Molchen« (im tschechischen Original »Válka s molky«) von 1936. Es dreht sich um lernfähige Kreaturen, die sich beim Menschen nicht nur Gutes abschauen, um Unterwerfung, um menschliche Hybris im Allgemeinen sowie um die Schwierigkeiten der Politik, auf neue alltägliche Herausforderungen (wie etwa rasante Vermehrung von Salamandern) zu reagieren. All das ist köstlich absurd und rasend komisch geschildert. Tipp für Hörbuch-Fans: Gerade ist der Roman als Hörbuch erschienen, gelesen von Ilja Richter und abrufbar in der ARD-Audiothek.«
Ballettmanager und -Dramaturg Klaus Kieser hat einen Vorschlag, der die Weihnachtsstimmung garantiert: Der Nussknacker» ist das Weihnachtsballett schlechthin. 2013 brachte das Staatsballett Berlin den »Nussknacker« in einer Choreographie heraus, die sich in liebevoller Detailarbeit als Rekonstruktion des originalen Werks aus dem Jahr 1892 verstand – dafür werteten die Spezialisten Wassili Medwedjew und Juri Burlaka alle verfügbaren choreographischen und inszenatorischen Quellen aus. Ergebnis: ein opulentes, faszinierendes Spektakel. glücklicherweise gibt es dieses historische Juwel auf DVD.
Theaterpädagogin Johanna Knauf hat einen musikalischen Tipp, der den Horizont über die ganz klassischen Weihnachtslieder hinaus erweitert: »Das Album „Music for Christmas Nights“ des Weltmusik und Jazz Quartetts QUADRO NUEVO & Münchner Symphoniker. Eine einzigartige, tief berührende und Hoffnung schenkende Weihnachts-CD. Man findet darauf bekannte und unbekanntere Weihnachtslieder in ganz neuem Gewand. Die weihnachtliche – also jauchzende, jubilierende aber auch demütige und nachdenkliche Stimmung geht damit nicht verloren. Im Gegenteil: Man hört den Arrangements an, dass sich die Musiker*innen bei jedem einzelnen Lied auf die Suche nach der eigentlichen Botschaft begeben haben. Der Einsatz des Orchesters ist sehr bedacht gesetzt. Im Mittelpunkt steht der Urgedanke des Weihnachtsfestes: Die Ankunft einer neuen Zeit, die Licht und Wärme ins Dunkel bringt.
Für Literaturfans empfiehlt Musiktheater- und Konzertdramaturgin Anna Maria Jurisch eine Neuerscheinung: Die Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch muss endlos kompliziert gewesen sein, aber es trafen sich natürlich zwei Giganten der deutschen Nachkriegsliteratur auf sehr persönlichem Terrain. Diese Beziehung, die weit über bloße Romantik hinausging, lässt sich nun im erstmals publizierten Briefwechsel der beiden nachvollziehen, denn im November erschien »Wir haben es nicht gut gemacht« als faszinierendes und auch sehr berührendes Zeitzeugnis.
Falls es jetzt also noch ganz dringend ein Geschenk braucht, haben Sie hoffentlich noch die eine oder andere Inspiration gefunden! Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben frohe Weihnachten.
8:30 – *Luca (Theaterpädagogin) , Anna (Theaterpädagogin) und Sonja (Dolmetscherin und Sprachanimationsleiterin) erwarten die 42 Jugendlichen an der Jugendherberge, um sie Willkommen zu heißen!
9 Uhr – *Ankommen an der Jugendherberge: Der Bus aus Freyming-Merlebach kommt an, die Jugendlichen aus Saarbrücken tröpfeln langsam ein
10 Uhr – *Erster Workshop und Kennenlernen:
Die französische Gruppe lernt Anna kennen. Sie spielen mit Stimme, Wörtern, veranstalten Slowmotion-Wettbewerbe und bilden einen Chor aus Fantasiesprache…
Die deutsche Gruppe arbeitet mit Luca und stellt einen Weltrekord im Klatschkreis-Klatschen auf. Sie unterhalten sich über ihre Stärken, erfinden Silbenwörter und bekommen Einblicke in den Verlauf des Projekts.
12 Uhr – *Erstes Essen zusammen in der Jugendherberge
13 Uhr – Mit Musikbox in der Hand und Lieblingsliedern der Jugendlichen spazieren wir Richtung Theater und zeigen dabei den französischen Jugendlichen Saarbrücken. Jeder Platz und jeder Park diente auf dem Weg für Übungen und Theaterspiele.
*Ankommen am Theater und kurz Zeit für ein Foto.
14 Uhr – *Workshop auf der Probebühne mit Luca und Übersetzung und Sprachanimation mit Sonja.
*Wir experimentieren mit Bildern aus Romeo und Julia.
17 Uhr – *Müde laufen wir zurück in die Jugendherberge
*Nun ist Zeit für ein gemeinsames Abendbrot
20 Uhr – *abends frei Workshoparbeit: Die Teilnehmer*innen wählen einen Workshop, der sie interessiert: Schreibworkshop, Sprachanimation und Inspirationsbilder
22 Uhr – Ab ins Bett, gute Nacht! Allez vous coucher! Bonne nuit!
Donnerstag, 8. Dezember 2022
8:30 – *Frühstück/Petit déjeuner in der Jugendherberge
9 Uhr – *kurzes Warm Up draußen in der Dezember Kälte
9:30 – *frei Workshoparbeit: Schreibworkshop, Sprachanimation und Inspirationsbilder
12 Uhr – *Nochmal ein gemeinsames Essen
13 Uhr – *Tanzworkshop im großen Ballettsaal des Theaters mit Luca und Anna
14 Uhr – * Anna erarbeitet Heldenbilder mit den Teilnehmer*innen: Heldentanz im Ballettsaal
*Führung durch das Theater mit Luca, Sonja und Marc
*Hier die Gruppe auf der Bühne im Bühnenbild von Fledermaus:
19:30 Uhr – * kurze Pause auf dem Weihnachtsmarkt
*Alle laufen Richtung Alte Feuerwache. Dort besuchen sie die Tanzvorstellung AUFBRÜCHE/DEPART: Choreographien von Moritz Ostruschnjak und Marioenrico D’Angelo
22:00 Uhr – Im Anschluss an die Vorstellung lernen die Jugendlichen die Tänzer*innen des Saarländischen Staatsballetts kennen. Sechs Tänzer*innen sind sogar für einen Nachgespräch da und beantworten die Fragen der Jugendlichen.
*Und wir machen natürlich noch Fotos mit den Tänzern.
Freitag, 9. Dezember 2022
8:30 Uhr – *ein letztes gemeinsames Frühstück in der Jugendherberge und Koffer packen
9:00 Uhr – *wir gehen wieder los Richtung Staatstheater
In einem Workshop werden alle Ergebnisse der letzten beiden Tage gesammelt und in Standbildern kreativ in Szene gesetzt.
12:00 Uhr – Picknick im Theater
12:30 Uhr – Austausch zwischen den Sprachen in der Gruppe
13 Uhr – Verbeugung und Applaus mit und für jeden
14 Uhr – Abschluss und kollektive Umarmung – Calin collectif auf der Probebühne, Tschüss, Salut!
Von nicht auslebbaren Zuschreibungen und echten Wünschen
Zumindest die Beschäftigung mit Mutterschaft sollte eine respektvolle öffentliche sein, die ein kollektives Bewusstsein über den sensiblen Umgang mit dem Großkomplex „Frau und Reproduktion“ schafft. Dass dies nicht der Fall ist, weiß jede Frau. Reproduktion, weibliche Lust, Rollenerwartungen, ökonomische Realität, Biologie – erschlagend dröhnen die Diskurse, folgen Zuschreibungen, nicht selten einhergehend mit Ausgrenzungen und resultierender Überforderung diesen Anforderungen „Frau sein zu müssen“. Hier durchzublicken, zu schauen, was den Komplex Frausein & Mutterschaft ausmacht und welche neuen Betrachtungen möglich sind, das wär’s. Schauspieldramaturgin Bettina Schuster-Gäb spricht mit der Leiterin des Jungen Staatstheaters Luca Pauer, die dazu – innerhalb des Inszenierungsprojekts OH, MAMA! von Regisseurin Rebekka David – mit dem Bürger*innenensemble, dem Ensemble4, arbeitet.
„Ein Kind reift in einer einzelnen Gebärmutter heran, aber in der gesellschaftlichen Realität gibt es seit jeher eine Übereinkunft, dass dieser individuelle Fakt eigentlich kollektiv behandelt wird und damit rechtmäßiger Gegenstand politischer Verhandlungen ist. Die äußeren Erwartungen einer Gesellschaft von den inneren, persönlichen Einstellungen der Mutter oder Eltern getrennt zu betrachten, ist in dieser wechselseitigen, sich bedingenden Dynamik unmöglich.„
So oder so ähnlich sagt es Gaia in Rebekka Davids Rechercheprojekt und die Figur Aphrodite folgt mit folgender Aussage: „ich wollte, wollte wirklich, aber hätte nicht mit Klarheit sagen können, wie freiwillig ich wollte.“ Um dieses Ausloten der verschiedenen Positionen „der“ Frau in Bezug auf Mutterschaft (auch Nicht-Mutterschaft, auch Weder-Noch-Kategorisierung) geht es in der Arbeit OH, MAMA!.
Die Arbeitsweise von David ist eine unterhaltsame Mischung aus dokumentarischer Recherche im Öffentlichen wie Privaten, gepaart mit einer fiktionalen Ebene ihrer Figuren – in diesem Fall mit diversen Göttinnen der Antike. Mit dabei nebst dem Schauspielensemble aus Verena Bukal, Silvio Kretschmer, Johanna Lemke und Hannah Schutsch ist das Bürger*innenensemble Ensemble4 um Leiterin Luca Pauer. Schauspieldramaturgin Bettina Schuster-Gäb befragt sie zu ihrer Motivation und ihrem Angang und wie die vertretenen Saarländerinnen über das Thema reden.
Du bist quasi die Initiatorin der Projektidee: was hat dich wann schon dazu bewegt dieses Thema theatral bearbeiten zu wollen?
Diese Frage bringt mich jetzt in einen Zwiespalt. Natürlich war es wahrscheinlich meine eigene Mutterschaft, die mir das Thema der Vereinbarkeit mit Kunst förmlich auf die Nase gebunden hat. Daneben gibt es aber auch ganz viele Bewegungen in der „Szene“, die spannend für mich waren in Bezug auf meine berufliche Aufgabe, Themen aus der Gesellschaft auf die Bühne zu bringen. Die Initiative „Mehr Mütter für die Kunst“ wurde 2018 ins Leben gerufen, es folgte die Gründung der „Bühnenmütter“. Es wurden Fragen gestellt: Fragen, die auch Kunstinstitutionen in die Pflicht nehmen Menschen mit Kindern zu fördern.
Sind die Forderungen auch über die Kunstinstitutionen hinaus auf andere Bereiche der Gesellschaft übertragbar?
Absolut. Nehmen wir nur als Beispiel dieses Zitat aus dem Manifest „Mehr Mütter für die Kunst“, das mich auch heute noch beschäftigt – „Kunst-“ ließen sich hier auch durchaus ersetzen:
„WOLLEN WIR IN EINER GESELLSCHAFT LEBEN, DIE FRAUEN IN DER KUNSTPRODUKTION IHRER MUTTERSCHAFT WEGEN DISQUALIFIZIERT?
WOLLEN WIR AUF DIE KÜNSTLERISCHEN ERZEUGNISSE JENER FRAUEN, DIE SICH DURCH IHRE MUTTERSCHAFT EIN WEITERES ERFAHRUNGSFELD ZUGÄNGLICH GEMACHT HABEN, VERZICHTEN?
IST DIE KUNSTWELT HEUTE NACH WIE VOR DERART MÄNNLICH DOMINERT? AKZEPTIEREN WIR DAS?
UND: WIE KÖNNTEN DIE FORDERUNGEN DER BETRACHTER*INNEN AN DIE SELEKTIONSMECHANISMEN INNERHALB DES KUNSTBETRIEBS LAUTEN?“
(www.mehrmütterfürdiekunst.net)
Wo stehen wir deiner Meinung nach heute?
Ich habe keine Ahnung… Es gibt auf jeden Fall noch viel zu tun und der Redebedarf innerhalb der Produktion ist immens. Vielleicht machen wir mit unserer Arbeit zumindest einen Schritt in Richtung einer größeren Sichtbarkeit des Themas.
Wie wird das Ensemble4 diese Arbeit begleiten?
Normalerweise arbeitet das Ensemble4 mit mir auf der Bühne. Wenn sie nicht gerade als Bürger*innenchor im Schauspiel eingesetzt werden, erarbeiten wir eigene Stücke in der sparte4 oder Alten Feuerwache. Diesmal ist es etwas anders. Auf der Bühne stehen professionelle Spieler*innen, die mit Rebekka David zusammen ein Stück erarbeiten. Die Texte schreibt Rebekka David und extrahiert dafür feministische Literatur und Interviews mit Müttern, Nicht-Mütter und jenen, die Weder-noch sein wollen. Und hier komme ich ins Spiel. Die Perspektive auf dieses Thema in der Saarbrücker Stadtgesellschaft zu suchen und aufzuzeichnen ist meine Aufgabe. Ich suche Initiativen, die bereits engagiert sind auf diesem Gebiet. Ich suche Menschen, die möglichst unterschiedliche Standpunkte aufweisen: Mütter, die zuhause bleiben, die voll arbeiten; Eltern, die ein Kind adoptiert haben; queere Frauen, die ihre Familie gezielt planen müssen; Familien in gewollter und nicht-gewollter Kinderlosigkeit, usw.
Ich zeichne Videos mit ihnen auf und versuche während des Probenprozesses immer wieder mit ihnen ins Gespräch zu kommen über den aktuellen Stand. Das Produkt des Ensemble4 wäre auch eine Aufzeichnung aller Forderungen der Beteiligten, aller Perspektiven auf das Thema. So könnte es einen Ausblick geben auf das, was werden könnte. Hier, vor Ort. Und auch in Deutschland.
Gibt es schon eine bestimmte Richtung, eine Tendenz in den Aussagen, eine Beobachtung aus dem Ensemble4 heraus, die du teilen magst?
Dieses Thema interessiert alle auf eine sehr emotionale Art. Wenn man nicht über die eigene Mutterschaft spricht, dann kommt man ganz schnell ins Reflektieren über „die gute Mutter“ und wie die Beziehung zur eigenen Mutter war. Es geht jeden an und früher oder später hat man damit sehr persönlich zu tun. Vor allem als Frau sieht man sich mit dieser Entscheidung konfrontiert, da die Möglichkeit Kinder zu bekommen zeitlich begrenzt ist. Ich habe selten so viele wirklich intime Gespräche mit Unbekannten geführt. Man ist sofort in Verbindung und manchmal habe ich auch das Gefühl, dass endlich die Dämme brechen, dass die meisten darauf gewartet haben, endlich mal reden zu dürfen, endlich tiefe Zusammenhänge herzustellen. Das ist wunderbar. Ich bin sehr dankbar, dass ich in diesem Moment die Zuhörerin sein darf. Das ist auch etwas, das ich an Rebekka David so wahnsinnig beeindruckend finde: Sie lässt im Prozess diesen Raum der persönlichen Befindlichkeit und setzt es genial in einen theatralen Kontext um. Dass Rebekka David auch das Thema Mutterschaft in der Schublade hatte, war ein riesen Glück für mich. Jetzt gilt es, sich Forderungen zu erspielen, mit theatralen Mitteln, durch das Ensemble4; Forderungen, die Frauen in der Gesellschaft ein erweiteres Weiblichkeits-Spektrum und weniger Zuschreibung ermöglichen.
Wer sich aus dem Saarland angesprochen fühlt, sich dem Projekt anzuschließen, sei herzlich eingeladen sich zu melden – Luca Pauer, l.pauer@staatstheater.saarland.
OH, MAMA!
Manchmal sitze ich zuhause und google meine Kinder
Schauspiel von Rebekka David und Ensemble / In Zusammenarbeit mit dem Ensemble4Ab dem 21. Januar 2023 in der sparte4, www.sparte4.de
Vor der Premiere von Johann Strauss’ »Die Fledermaus« sprach Benjamin Wäntig mit Regisseur Aron Stiehl.
Aron Stiehl, Intendant des Stadttheaters Klagenfurt, ist für das Saarbrücker Publikum kein Unbekannter, er setzte bereits Erich Wolfgang Korngolds »Die tote Stadt« und Franz Lehárs »Die lustige Witwe« erfolgreich in Szene. Nun widmet er sich der »Königin der Operetten«.
Was bedeutet es für dich, Operette zu inszenieren?
Gute Operette muss natürlich in erster Linie unterhalten, aber ich merke bei jeder erneuten Beschäftigung mehr und mehr, wie sie mit Abgründen zu tun hat und wie einem dabei das Lachen auch im Hals stecken bleibt. Gerade in der heutigen Zeit, in der jeder auf seine Wahrheit pocht, sehen wir, dass absolute Wahrheiten – und da muss sich jeder an die eigene Nase fassen – nicht existieren. In der »Fledermaus« steckt letztendlich dieselbe Message wie in Verdis letzter Oper »Falstaff«, ebenfalls einer Komödie: »Tutto nel mondo è burla! Tutti gabbati!« – »Alles auf der Welt ist Scherz! Wir sind alle Betrogene!« Man muss über sich selbst lachen können, man muss einen ironischen Blick auf sich selbst werfen können.
Wie steht es mit dieser Fähigkeit zur Selbsterkenntnis beim Personal der »Fledermaus«?
Gabriel von Eisenstein, der Protagonist, kann das nicht. Er ist ein Spießbürger, der sich für Weiß-Gott-Wen und anständig hält und seine festen Wahrheiten hat. Aber seine Ehe ist eine bürgerliche Fassade, hintenherum gehen er – wie auch seine Frau Rosalinde – auf geheime Partys wie die von Orlofsky und betrügen sich gegenseitig. Als Eisenstein scheinbar seine achttägige Haftstrafe antritt, spielen sie sich wortreich Abschiedsschmerz vor, während er weiß, dass er auf das Fest geht, und sie schon ihren Tenor erwartet – wie verlogen. Auch von der Musik wird diese Falschheit und Doppelbödigkeit unverhohlen herausgestellt. Nach pseudotragischen Tönen bricht im Terzett aus dem 1. Akt aus den Figuren plötzlich ein spritziger Polka-Rhythmus hervor. Die Musik von Johann Strauss ist sehr schonungslos und entlarvend, manchmal geradezu böse und immer sehr präzise.
Alles dreht sich in der »Fledermaus« also um Schein und Sein. Auf dem Fest im 2. Akt spielen sich alle eine andere Identität vor: Eisenstein, Rosaline, auch der Gefängnisdirektor. Nur Prinz Orlofsky ist echt.
Was steckt hinter diesem ominösen russischen Prinzen, der in der Operette als Hosenrolle angelegt ist, also von einem Mezzosopran gesungen wird?
In unserer Inszenierung changiert diese Figur zwischen Mann und Frau, angelehnt an die Berliner Kultfigur Chantal und ihr »House of Shame«. An Berliner Clubs wie dem »Berghain«, die für ihre Freiheiten, für ihre Authentizität legendär geworden sind, konnte man ja beobachten, wie sie immer touristischer wurden. Leute kamen zum Teil nicht mehr, um ihre Grenzen zu überschreiten, sondern nur, um sagen zu können: Ich war da.
Und so ergeht es Eisenstein auf besagter Party bei Orlofsky: Er trifft eine weltoffene Gemeinschaft, in der alle Standesunterschiede aufgehoben sind – weshalb das Stubenmädchen Adele in einer Robe ihrer Chefin ungestört Teil sein kann. Eisenstein, der Spießbürger, kann damit aber gar nicht umgehen und hat wohl auch etwas Angst davor, vor allem vor der queeren Seite von Orlofsky.
Worum geht es bei diesem Fest? Im Handlungsverlauf dient es ja eigentlich nur dazu, dass Eisenstein hauptsächlich von seinem Freund Falke, aber eigentlich von allen anderen auch, hereingelegt wird …
Neben dieser Operettenintrige und der Tatsache, dass alle Partygäste Eisenstein loswerden wollen, weil er wegen seiner bürgerlichen Scheuklappen nicht dazu passt, geht es um etwas, was man vermutlich schon im 19. Jahrhundert in Festen gesucht hat: Taumel und Rausch. Im Verlauf dieses Festes, in dem auch die anfangs musikalisch strenge Form sich immer mehr auflöst, kommt es zu einer allgemeinen Verbrüderung, zum einen transzendenten Moment der Kommunion: Alle sind so besoffen, dass sie zur Erkenntnis gelangen: Wir gehören zusammen, im Hier und Jetzt und denken nicht an morgen. Selbst Eisenstein, der sich zunächst sträubende Spießbürger, gibt sich dem ganz hin und entdeckt eine für ihn neue Welt. Doch danach kommt wie im echten Leben der Absturz und der Kater.
Die Inszenierung ist eine Koproduktion mit dem Theater Bonn, die Produktion entstand dort 2020. Wie blickst du heute, zweieinhalb Jahre später, darauf?
Wenige Tage nach der Premiere kam es zur pandemiebedingten Schließung aller Theater, ja zu Grenzschließungen etc., was zuvor undenkbar war. Nun können wir dankbar sein, dass das Publikum zurückkommt. So ist in der Zwischenzeit eine Menge passiert, was natürlich auch meinen Blick auf so ein Stück verändert hat.
Im Wesentlichen wird die Inszenierung bei solchen Koproduktionen unverändert neueinstudiert. Ich begreife das Regiebuch von damals aber nicht als Vorlage, die es sklavisch zu kopieren gilt. Es ist wichtig, dass alle neuen Darsteller*innen sich ihre Rollen ganz zu eigen machen und ihre eigenen Farben hineinbringen. Das ist hier in Saarbrücken auch allen wunderbar gelungen!